Hensoldt-Aktie: Überschätzen Sie das Papier lieber nicht!

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Erinnern Sie sich noch? Nur wenige Tage nach Beginn von Putins Invasion in der Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner „Zeitenwende“-Rede für Aufsehen gesorgt. Im Mittelpunkt stand das vom Regierungschef in Aussicht gestellte, 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr.

An der Börse jedenfalls knallten damals die Sektkorken – die Aktie des Rüstungskonzerns Rheinmetall war nach der Rede Ende Februar massiv nach oben geschossen. Aber nicht nur das: Auch bei einem anderen Unternehmen, das in der Öffentlichkeit weit weniger bekannt ist, war es zu einem Kurssprung gekommen.

Hensoldt: Kanzler Scholz zu Besuch in Ulm

Sie werden es schon ahnen: Es geht um Hensoldt. Die Aktie des Sensorspezialisten legte Ende Februar 2022 innerhalb weniger Tage um 158 Prozent auf 31 Euro zu. In der Folge konsolidierte sich das Papier und fiel im weiteren Jahresverlauf auf rund 24 Euro zurück, wo der Titel in etwa auch derzeit notiert (Stand: 17.01.2023, 10:00 Uhr).

Vor wenigen Tagen dann gab es für Hensoldt einen Ritterschlag. Denn: Bundeskanzler Scholz besuchte zum Wochenbeginn den Konzern an seinem größten deutschen Produktionsstandort – im baden-württembergischen Ulm.

Im Gepäck hatte der Politiker vor allem eines: jede Menge Lob. Hier in Ulm könne man sehen, wie innovative und zentrale Komponenten der Verteidigungselektronik entwickelt und hergestellt werden, so Scholz. Das Unternehmen Hensoldt trage dazu bei, dass Deutschland ein geschätzter Partner in der Bündnisverteidigung sei.

„TRML-4D“ und „Pegasus“: Aufklärung ist die halbe Miete

Hensoldt-Chef Thomas Müller nutzte die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass Hensoldt jederzeit in der Lage sei, beim Ausbau der Fähigkeiten der Bundeswehr kurz- und mittelfristig zu helfen. Der Manager verwies unter anderem auf das Radar „TRML-4D“ als Teil des „IRIS-T“-Luftverteidigungssystems und auf das Signalaufklärungssystem „Pegasus“.

Tatsächlich wird Hensoldts Radarsystem „TRML-4D“ bereits in Gefechtshandlungen eingesetzt, nämlich in der Ukraine. Das ukrainische Militär nutzt seit dem Herbst die Multifunktions-Radarstationen, um Luftziele wie Marschflugkörper zu erkennen und zu verfolgen. Der Clou: „TRML-4D“ kann gleichzeitig bis zu 1.500 Flugobjekte in einer Höhe von bis zu 30 Kilometern identifizieren. Hensoldt jedenfalls liefert die Radarsysteme aktuell in Rekordgeschwindigkeit an die Ukraine.

Aber auch die Bundeswehr soll vom Know-how des Sensorspezialisten profitieren. Im Mittelpunkt steht „Pegasus“. Dabei handelt es sich um ein System zur elektronischen Signalaufklärung, das in Flugzeugen zum Einsatz kommen soll. Hensoldt stellt hierfür die wichtigen Sensorkomponenten bereit und fungiert beim Projekt „Pegasus“ als Generalauftragnehmer. Die Bundeswehr soll zwischen 2026 und 2028 drei Flugzeuge des Herstellers Bombardier erhalten, die mit dem „Pegasus“-System ausgestattet sein werden.

Scholz blieb wie so oft vage

So weit so gut: Doch der Besuch von Kanzler Scholz zeigte an der Börse nur wenig Wirkung. Denn allzu viel Handfestes gab es vom Regierungschef abermals nicht. Zwar wies Scholz auf die Notwendigkeit von langfristigen Kooperationen mit der Rüstungsindustrie hin. Wie genau diese aussehen wird, ließ der Politiker jedoch offen. Noch immer ist unklar, wie viel des 100 Milliarden Euro schweren Rüstungskuchens auf Hensoldt entfallen wird.

Bis dato jedenfalls kann von einem Boom nicht die Rede sein. Schauen Sie: In den ersten drei Quartalen 2022 lag der Auftragseingang von Hensoldt bei 1,37 Milliarden Euro und damit deutlich unter dem Wert des Vorjahreszeitraums, als Hensoldt den oben erwähnten „Pegasus“-Auftrag erhalten hatte.

Aber wie geht es jetzt weiter?

Immerhin hat sich Hensoldt auf seinem Kapitalmarkttag im Dezember erstmals zu den Auswirkungen von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine für die Geschäfte in den nächsten Jahren geäußert. Demnach soll der Umsatz im Jahr 2023 nun um 7 bis 10 Prozent zunehmen. Bislang hatte der Sensorspezialist hier von einem mittleren bis hohen einstelligen Wachstum gesprochen. Und: Alle fünf Jahre will Hensoldt demnach seinen Umsatz verdoppeln.

Bei der Profitabilität aber blieb Hensoldt eher zurückhaltend. So will das Management 2023 nach wie vor eine EBITDA-Marge von 19 Prozent erreichen. Bis 2025 seien dann mehr als 19 Prozent drin. Das sind wahrlich keine allzu großen Sprünge.

Der Rüstungskonzern hatte in den ersten neun Monaten 2022 ein bereinigtes Betriebsergebnis (EBITDA) von 126 Millionen Euro erzielt und lag damit nicht viel höher als im Vorjahreszeitraum (110 Mio. €). Der auf die Aktionäre entfallende Gewinn, also der Nettogewinn, lag in den drei Quartalen derweil bei genau Null. Immerhin konnte das Unternehmen seinen Verschuldungsgrad zuletzt reduzieren.

Mein Fazit für Sie

Zunächst: Die Hensoldt-Aktie ist ein Profiteur des Ukraine-Kriegs. Denn der Zeitgeist spricht einfach für militärische Aufrüstung. Als Technologiespezialist kann das Unternehmen der Bundeswehr bei der dringend nötigen Modernisierung helfen.

Auf der anderen Seite steht die Konkretisierung von Scholz‘ „Zeitenwende“-Rede immer noch aus. Die mittel- bis langfristigen Folgen für Hensoldt lassen sich also noch nicht verlässlich abschätzen. Zwar hat der Konzern im Dezember neue Prognosen veröffentlicht. Diese sind aber noch mit Vorsicht zu genießen. Die Rüstungsindustrie jedenfalls hatte die Bundesregierung in den letzten Wochen immer wieder aufgefordert, konkrete Akzente zu setzen.

Schauen Sie: Bis Anfang Dezember hatten lediglich US-Firmen Aufträge im Rahmen des Sondervermögens fest zugesagt bekommen, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Entsprechend hatte die Börse gehofft, dass beim Scholz-Besuch in Ulm Hensoldt endlich mit einem konkreten neuen Auftrag betraut wird. Doch das ist offenbar nicht passiert.

Es gibt also noch viele Fragezeichen rund um die Hensoldt-Aktie. Ob diese unter dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius geklärt werden können, bleibt nun abzuwarten. Immerhin gilt Pistorius als erfahrener Polit-Manager und durchsetzungsstark. Das letzte Wort aber hat Olaf Scholz.

Überschätzen sollten Sie das Papier meiner Meinung nach also nicht – auch weil die Aufwertung der Aktie nahelegt, dass jede Menge Zukunftshoffnung bereits eingepreist ist.