Charttechnische Formationen
Broadening-Bottom/Umgekehrtes Dreieck
Ein Broadening-Bottom sieht aus wie ein Megaphon und wird auch umgekehrtes Dreieck genannt. Bevor ein Broadening-Bottom entstehen kann, müssen sich die Kurse in einem Abwärtstrend befinden. Im Broadening-Bottom selbst verlaufen die Kurse seitwärts, unter hoher Volatilität. Die starke Schwankungsintensität ist Hauptgrund für das Auseinanderlaufen der Unterstützungs- und der Widerstandslinie. Diese beiden Linien können in beliebigem Winkel zueinander stehen.
Ist diese Chartformation bullish oder bearish einzustufen? Es gibt auf diese Frage nicht nur eine richtige Antwort. Es kommt darauf an, in welche Richtung die Kurse die Formation verlassen. Ein solcher Break-out gibt erste Hinweise auf die künftige Marktentwicklung. In Abbildung 3.1 sehen Sie einen Ein-Stunden-Chart des Monats September 2004 der Linde AG abgebildet. Wir wollen anhand dieses praktischen Beispiels den alltäglichen Gebrauch dieser Chart-Formation abhandeln.
Vor der Ausbildung der Formation herrschte eindeutig ein Abwärtstrend vor. Damit ist die Grundvoraussetzung für das Broadening-Bottom erfüllt. Es folgte ein Break-out der Kurse nach oben – die Aktie wurde zu 42,62 Euro pro Stück gekauft. Der Stopp-Loss wurde auf 41,68 Euro gelegt.
Die neu eröffnete Position war eine Stunde minimal im Gewinn, bevor der Kurs der Aktie leicht nachgab. Der Preis lief in das Broadening-Bottom zurück. Das interessante Phänomen an dieser Formation ist die50-Prozent-Unterstützung. Wenn Sie eine Linie auf halber Höhe der Formation einzeichnen, wird sich dieser Preisbereich als Unterstützung erweisen. In der Abbildung verläuft die Linie auf 42,00 Euro.
Die 50-Prozent-Unterstützung hat gehalten. Die Kurse liefen daraufhin – spät, aber – nach oben. Nun stellt sich die Frage, wann die Position geschlossen werden sollte. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist es hilfreich, das Konzept der Kurszielberechnung in den Trade mit einzubeziehen. Dazu messen wir die Distanz der Unterstützungs- und der Widerstandslinie des Broadening-Bottoms zueinander. Diese Distanz hat im Chart den Namen »X«. Sobald ein Break-out erfolgt, wird die absolute Strecke »X« zum Kursniveau des Break-outs addiert. Im Fall der Linde AG ist dies ein Preisniveau von 43,40 Euro.
Die Position wird nicht automatisch mit dem Erreichen der 43,40-Euro-Marke geschlossen. Wer sagt, dass die Kurse nicht höher steigen können? Würden Sie die Position hier schließen, ist es gut möglich, dass Sie sich Ihrer eigenen Gewinne berauben. Übersteigen die Kurse das Zielniveau, sollten Sie Ihre Finger am Abzug haben. Ergibt sich ein Verkaufssignal, ist es meist von Signifikanz.
Warten Sie bei einem Broadening-Bottom stets auf Bestätigung, besonders wenn sich der allgemeine Trend zu drehen scheint. Beziehen Sie keine Position, bevor die Kurse nicht das Broadening-Bottom verlassen haben.
Broadening-Top
Das Broadening-Top ist das Gegenstück zum Broadening-Bottom. Die Charaktereigenschaften beider Formationen sind mehr oder minder gleich, allerdings spiegelverkehrt. Der vorhergehende Trend eines Broadening-Tops muss aufwärts gerichtet gewesen sein. Beim Broadening-Top muss stets auf einen Ausbruch gewartet und ein Stopp-Loss gesetzt werden.
Abbildung 3.2 zeigt ein praktisches Beispiel eines Broadening-Tops. Als die Kurse die Formation verlassen hatten, wurde der Index leerverkauft. Die Short-Position konnte innerhalb von fünf Handelstagen drei Prozent ungehebelten Buchgewinn aufweisen. Erst mit dem Bruch des Abwärtstrends wurde die Position glattgestellt.
Sehen Sie hier weitere Infos über das Aufsteigende und das Absteigende Dreieck.
Kopf-Schulter-Formation
Die Kopf-Schulter-Formation ist eine der bekanntesten Formationen. Sie besteht aus drei Kursgipfeln, wovon der mittlere die größte Amplitude hat. Aufgrund dieser Eigenschaft sieht diese Formation wie ein Kopf aus, der von einer Schulter links und einer Schulter rechts eingekesselt ist. Zusätzlich weist jede Kopf-Schulter-Formation eine Nackenlinie auf. Diese Nackenlinie muss von den Kursen gebrochen werden. Schaffen es die Kurse nicht, die Nackenlinie zu überwinden, bleibt die Formation ungültig. Nehmen wir Abbildung 3.3 zur Hand, um das Prinzip der Kopf-Schulter-Formation an einem praktischen Beispiel zu erlernen.
Die Abbildung zeigt einen Tages-Chart der Allianz AG. In den Sommermonaten des Jahres 2004 befand sich die Aktie in einem gesunden Abwärtstrend. Es bildeten sich innerhalb dieses Abwärtstrends eine linke Schulter und ein Kopf aus. Bei der rechten Schulter war der Abwärtstrend gebrochen – ein Ideal-Szenario.
Anfang September wurde die Nackenlinie, die Schultern und Kopf miteinander verbindet, von den Kursen durchstoßen. Damit erhielt die Formation Gültigkeit und die Aktie generierte ein klares Kaufsignal. Legen Sie den Stopp-Loss knapp unter die jüngste Schulter, um Ihr Kapital bei einem Versagen der Formation zu schützen. In der Abbildung ist ein »Pullback« eingezeichnet. Wenn der Börsianer von einem Pullback spricht, geht er von einem erneuten Test der kürzlich gebrochenen Widerstandslinie von der anderen Seite aus. Diese Pullbacks treten häufig auf. Es empfiehlt sich, sofort nach dem Bruch der Nackenlinie aktiv zu agieren.
Aus der Kopf-Schulter-Formation lässt sich ein Kursziel berechnen. Dazu müssen Sie die Differenz zwischen der Spitze des Kopfes und der Nackenlinie messen. Diese Differenz addieren Sie zu der Stelle, an der die Nackenlinie gebrochen wurde. In Abbildung 3.3 wäre die Rechnung folgende: Die Differenz zwischen Nackenlinie und dem Höhepunkt des Kopfes beträgt knapp neun Euro. Die Aktie stand bei 82 Euro, als die Nackenlinie gebrochen wurde. Das Kursziel beträgt beinahe 91 Euro. Bitte beachten Sie, dass eine Kurszielberechnung nur einen Richtwert gibt. Es handelt sich um keine absolute Größe. Meist erreichen die Kurse dieses Ziel gar nicht oder schießen darüber hinaus.
In Abbildung 3.4 sehen Sie eine Kopf-Schulter-Gipfel Formation. Das bedeutet, dass es sich bei dieser Formation um ein Verkaufssignal handelt.
Hier herrschte ein klarer Aufwärtstrend, bevor das Chart-Bild entstand. Damit ist die erste Grundbedingung erfüllt: Der Kopf der S-KS brach den Aufwärtstrend (siehe kleiner Kreis). Damit ist die zweite Grundbedingung erfüllt: Ende März 2004 wurde die Nackenlinie gebrochen. Damit war Checkpoint Nummer 3 abgehakt.
Nun kam es zu einer Situation, die nicht dem Lehrbuch entsprach. Die Kurse verloren heftig und schnell und es setzte ein Pullback ein. Sie sehen, dass der Pullback leicht über die Nackenlinie hinausragte und knapp den Stopp über der rechten Schulter verfehlte. Glück gehabt, das Kursziel wurde in den folgenden vier Wochen ohne größere Probleme erreicht.
Abbildung 3.4 soll Ihnen verdeutlichen, dass nicht jede Formation nach unseren Vorstellungen verlaufen wird. Setzen Sie deshalb konsequent ein Stopp-Loss-Level vor der Eröffnung eines Trades fest.
Lesen Sie hier mehr Infos über die Schulter-Kopf-Schulter-Formation.
Doppel-Top/Bottom
Das Doppel-Top ist keine so komplexe Formation wie die Kopf-Schulter-Formation, aber mindestens genauso effektiv. Ein Doppel-Top besteht aus zwei ausgeprägten Kursspitzen, die durch den Faktor Zeit getrennt sind. Die Spitze beider Hügel liegt auf ungefähr demselben Preis-Level. Bei dieser Formation muss ein Aufwärtstrend vorhanden sein, der reversiert werden kann.
Bei einem Doppel-Top auf Tagesbasis gelten folgende wichtige Grundkriterien:
- Die Höchstkurse beider Gipfel sollten ungefähr auf demselben Niveau liegen (die Toleranz beträgt zwei bis vier Prozent, je nach Volatilität).
- Der Abstand zwischen beiden Hochs sollte mindestens sechs Wochen (30 Candles) betragen.
- Die Amplitude beider Spitzen sollte ausreichend sein, um »formschöne« Dreiecke zu bilden.
- Die Kurse müssen die Nackenlinie des Doppel-Tops unterschreiten, um ein regelkonformes Verkaufssignal zu generieren.
Abbildung 3.5 zeigt ein schönes Doppel-Top. Die beiden Gipfel verlaufen beinahe in einer perfekten Preis-Zeit-Symmetrie. Das steigert die Zuverlässigkeit dieser Formation und ist selten im realen Börsenleben anzutreffen.
Am 23. März 2004 wird die Unterstützungslinie des Doppel-Tops durchbrochen. Die Formationslehre besagt, dass sich dadurch ein astreines Verkaufssignal ergeben hat. Es wird eine Short-Position auf 131,71 Yen eröffnet.
Das Prinzip der Kurszielerrechnung basiert bei einem Doppel-Top auf derselben Annahme wie bei einer Kopf-Schulter- und/oder einer Broadening-Bottom-Formation. Die absolute Distanz zwischen der Nackenlinie und dem Höchstkurs wird gemessen und zu der Breakout-Stelle addiert. In diesem Fall erhalten wir ein Kursziel von 126.30 Yen.
Als dieses Kursziel erreicht wurde, wurde die Position aufgrund des Marktumfeldes glattgestellt. Es bildete sich ein Broadening-Bottom aus. Bei einem Ausbruch aus dieser Formation wäre eine Bodenbildung erfolgt und Sie hätten eine Long-Position beziehen sollen. Dieses Szenario ist eingetreten: Bei 131,34 Yen wurde eine Long-Position eröffnet. Sie sehen, dass das Eröffnungsniveau beinahe mit dem der Short-Position deckungsgleich ist. Dieser Umstand soll verdeutlichen, wie wichtig es ist, die eigene Meinung konstant zu ändern und seine Positionierungen umzuschichten.
Die obige Abbildung illustriert ein Doppel-Bottom der Volkswagen-Aktie auf einem einstündigen Intraday-Chart. Sehen wir uns diese Formation genauer an. Als Erstes muss ein Abwärtstrend vorherrschen, der gebrochen – und nach Möglichkeit umgedreht – werden kann. In den ersten zwei August-Wochen des Jahres 2004 wurde das erste Kriterium erfüllt.
Merkmal Nummer zwei wurde von diesem Doppel-Boden ausgebildet. Die Kursspitzen beider relativer Tiefs liegen auf ungefähr demselben Niveau. Der aufmerksame Investor und Trader sollte sich mental auf einen eventuellen Trade einstellen.
Der Abstand zwischen beiden Tiefs beträgt rund 40 Candles. Damit wurde die empfohlene Richtgröße von mindestens 30 Candles um knapp 31 Prozent übertroffen. Bei einem Ausbruch nach oben muss der gewinnorientierte Händler sofort handeln.
Am 23. August 2004 um 11:00 Uhr vormittags war es so weit: Die Kurse konnten die Widerstandslinie des Doppel-Bottoms durchbrechen. Eine Long-Position wurde zu 31,50 Euro je Aktie eröffnet. Am nächsten Tag wurde das Kursziel zu 32,45 Euro erreicht. Das entspricht einem ungehebelten Kursgewinn von ca. drei Prozent in einem Tag.
Dreifach-Top/Bottom
Ein Dreifach-Top zeigt prinzipiell die gleichen Grundcharaktereigenschaften wie ein Doppel-Top auf. Wie der Name verrät, gibt es einen kleinen Unterschied: Es handelt sich nicht um zwei ausgeprägte Spitzen, sondern um drei. Die Kriterien für ein regelkonformes Dreifach-Hoch sind:
- Die Höchstkurse der drei Gipfel sollten ungefähr auf demselben Niveau liegen (Toleranz zwei bis vier Prozent, je nach Volatilität).
- Der Abstand zwischen dem ersten und dem letzten Hoch sollte mindestens acht Wochen (40 Candles) betragen.
- Die Amplitude der Spitzen sollte ausreichend sein, um »formschöne« Dreiecke zu bilden.
- Die Kurse müssen die Unterstützungslinie des Dreifach-Tops durchbrechen, um ein regelkonformes Verkaufssignal zu generieren.
Abbildung 3.7 zeigt den Chart des Deutschen Aktien Index auf Tagesbasis. Hier herrschte ein Aufwärtstrend vor. Zu Beginn des Jahres 2004 begannen die Kurse ein Dreifach-Top auszubilden, das am 11. März 2004 nach unten verlassen wurde. Beachten Sie, dass dieses Dreifach-Hoch nicht horizontal verläuft. Die Spitzen der Swings liegen in einer 20-Punkte-Range innerhalb der akzeptablen Knautschzone. 20 Punkte sind zu diesem Zeitpunkt knapp 0,5 Prozent gewesen.
An der obigen Abbildung erkennen Sie, dass es nicht immer ratsam ist, exakt nach spezifischen Kurszielen zu handeln. Hätten Sie in Abbildung 3.7 ein Kursziel errechnet und nach diesem gehandelt, hätten Sie knapp mehr als 50 Prozent des möglichen Gewinns eingesteckt.
Steigende und fallende Keile
Die Keilformation ist interessant. Bei einem steigenden Keil laufen die Unterstützungs- und die Widerstandslinie im Laufe der Zeit enger zusammen. Die Kurse markieren höhere Hochs und höhere Tiefs in einem Aufwärtstrend, allerdings schwächt sich die Intensität des Trends kontinuierlich ab. Das ist ein erstes Anzeichen für Marktschwäche. Zu einem regelkonformen Verkaufssignal kommt es erst, wenn die Kurse die Unterstützungslinie des Keils nach unten hin durchbrechen.
Abbildung 3.8 zeigt eine steigende Keilformation in einem Ein-Stunden-Chart der Bayer Aktiengesellschaft. In den letzten zwei August-Wochen 2004 herrschte ein klarer Aufwärtstrend vor. Dieser Trend ist Voraussetzung für die Effektivität des Keils.
Innerhalb dieses Aufwärtstrends hat sich ein Keil ausgebildet. Obwohl höhere Tiefs und höhere Hochs erreicht werden, ist der abnehmende Kaufdruck ein akutes Warnsignal. Am 30. August 2004 kam das endgültige Verkaufssignal. Sowohl der Keil als auch der Aufwärtstrend wurden am 30. August nach unten hin gebrochen. Eine Short-Position wurde bei 21,44 Euro eröffnet. Der Stopp-Loss wurde auf die obere Linie des Keils gelegt – und betrug am ersten Tag 21,62 Euro.
Innerhalb eines Handelstages wurde das Kursziel von 20,72 Euro erreicht. Dieser Trade ergab einen effektiven und ungehebelten Buchgewinn von 0,72 Euro oder 3,4 Prozent.
In Abbildung 3.9 sehen wir einen Tages-Chart des TecDAX Performance Index. Dieser Chart wurde gewählt, um zu illustrieren, dass die Technische Analyse hervorragend die Polaritätswechsel des Marktumfeldes aufzeigen kann. Der Markt befand sich seit rund drei Jahren in einem steten und steilen Abwärtstrend. Wie heftig diese Kursverluste ausfielen, sehen Sie in der Abbildung.
Es bildete sich ein absteigender Keil aus. Sollte dieser nach oben durchbrochen werden, könnte dies das Ende des langjährigen Baisse-Marktes bedeuten. Zu diesem Zeitpunkt ahnten viele Techniker den bevorstehenden Umschwung.
Im März 2003 wurde der absteigende Keil nach oben hin durchbrochen. Ein erstes Kaufsignal. Zusätzlich bildete der Markt einen Boden aus, indem die Kurse dasselbe Niveau zweimal abtesteten. Dadurch entstand ein mutiertes Doppel-Bottom.
Zu diesem Zeitpunkt war der sekundäre Abwärtstrend nicht gebrochen. Erst als dies geschah (siehe zweiter Kreis), wurde eine Long-Position bei 353 Indexpunkten eröffnet. Der Initial-Stopp-Loss wurde knapp unter das Tief des mutierten Doppel-Tops gelegt. Dies entsprach einem Stopp-Loss-Level von 304 Indexpunkten.
Der Index konnte innerhalb von neun Monaten mehr als 85 Prozent Wertsteigerung verzeichnen. Das Faszinierende an der Sache ist, das mithilfe der Technischen Analyse diese Wertsteigerung prognostizierbar war.
Dreiecke
Das Dreieck ist in der Chartanalyse ein Chamäleon. Es tritt in rechteckiger oder in gleichschenkeliger Form auf. Es kann eine Fortsetzungsformation oder eine Gipfel- sowie eine Bodenformation darstellen. Unter Berücksichtigung der richtigen Techniken werden Sie die Dreiecke schnell zu differenzieren wissen. Wir werden die verschiedenen Dreiecke anhand praktischer Beispiele erlernen.
Abbildung 3.10 zeigt einen 15-Minuten-Chart des Xetra-DAX. Wir befinden uns auf dem heilig-mysteriösen Territorium der Day-Trader. In der Abbildung klettern die Kurse in einem langfristigen Aufwärtstrend stetig bergauf. Am 15. und am 16. August 2004 bildete sich ein symmetrisches Dreieck aus. Ein symmetrisches Dreieck zeichnet sich durch die im selben Winkel zulaufende Unterstützungs- und Widerstandslinie aus. Ob ein symmetrisches Dreieck ein Fortsetzungs- oder ein Umkehrchartmuster ist, hängt von der Richtung des Break-outs ab. Verlassen die Kurse das Dreieck in Richtung des übergeordneten Trends, handelt es sich um eine Fortsetzungsformation. Brechen die Kurse in die zum Trend entgegengesetzte Richtung aus, so handelt es sich um ein ernsthaftes Warnsignal für eine bevorstehende Trendwende.
In Abbildung 3.10 verließen die Kurse das Dreieck in Richtung des übergeordneten Trends. Der technisch versierte Händler geht von weiter steigenden Kursen aus. Er eröffnet bei dem Break-out entweder eine Long-Position oder stockt eine eventuell bestehende Position auf.
Nehmen wir das Intraday-Beispiel des DAX genauer unter die Lupe. Wenn Sie eine horizontale Linie durch die Spitze des liegenden Dreiecks ziehen, sehen Sie ein interessantes Phänomen: Diese Linie tendiert dazu – sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft –, als Unterstützungs- bzw. Widerstandslinie zu fungieren. Das Wissen um diesen Umstand ist ein nützliches Hilfsmittel für etwaige Positionsvergrößerungen.
Wenn Sie eine vertikale Linie von der Spitze des Dreiecks nach oben (bzw. unten) zeichnen, haben Sie Ihrem Wissenskontingent ein nützliches Werkzeug hinzugefügt. Diese Linie zeigt oft, aber nicht immer, die Extrempunkte einer Bewegung auf. In Abbildung 3.10 verfehlt diese Linie knapp den tatsächlichen absoluten Höchstpunkt der Bewegung.
Abbildung 3.11 zeigt einen Chart des TecDAX-Wertes T-Online. In der linken äußeren Hälfte des Charts sehen Sie einen enormen Kursanstieg. Beginnend mit dem Oktober des Jahres 2001 konnte sich der Wert von fünf Euro auf 15 Euro je Aktie verdreifachen. Und das innerhalb von fünf Wochen. Ein enormer Kursanstieg. Betrachten wir den weiteren Verlauf der Aktie. Im November 2001 lief die Aktie in ein symmetrisches Dreieck hinein. Ob dieses Dreieck als Fortsetzungsformation oder als Umkehrkonstellation Wirkung zeigen wird, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht definiert werden. Erst ein regelkonformer Ausbruch aus dem Dreieck würde Aufschluss über die künftige Marktentwicklung geben.
Dieser besagte Ausbruch fand im Mai 2002 statt – ein gutes halbes Jahr dauerte das Dreieck somit an. Im Mai 2002 wurde deutlich, dass es sich um eine Umkehrformation handelte. Es wurde eine Short-Position eröffnet.
Abbildung 3.11 zeigt ein exaktes Beispiel der vertikalen Hilfslinie für Extrempunkte einer Kursbewegung auf. Die Kurse erreichten den relativen Tiefpunkt von 7,00 Euro an dem Tag, an dem die Spitze des symmetrischen Dreiecks geformt wurde. Sie sehen diesen Umstand anhand der gestrichelten Linie im Chart illustriert. Die Short-Position wurde wenige Tage später mit einem Gewinn von 3,70 Euro je Aktie glattgestellt.
Dem Kursverfall war noch kein Ende gesetzt. Es bildete sich ein aufsteigender Keil aus. Mit dem regelkonformen Break-out wurde eine Short-Position eröffnet, die wenige Wochen später erneut profitabel geschlossen werden konnte.
Vergleichen Sie Abbildung 3.12 (unten stehend) mit Abbildung 3.9. Es ist unschwer zu erkennen, dass es sich um denselben Chart handelt. In Abbildung 3.12 wurde das Hauptaugenmerk nicht auf den absteigenden Keil, sondern auf das rechtwinkelige Dreieck dahinter gerichtet. Auch bei einem rechtwinkeligen Dreieck gilt dieselbe Grundregel: Warten Sie auf einen bestätigten Break-out. Handeln Sie in Richtung des Break-outs und positionieren Sie sich nicht vor einem Ausbruch aus dem Dreieck.
Abbildung 3.12 wurde eingefügt, um die erstaunliche Trefferquote bei der Kurszielermittlung aufzuzeigen. Hätten Sie nach diesem rechtwinkeligen Dreieck gehandelt, hätten Sie die gesamte Hausse des Jahres 2003 einstreichen können und zusätzlich am Hochpunkt verkauft. Punktgenau.
In Abbildung 3.13 werden wir die eben gelernten Techniken praktisch anwenden, um eventuelle zukünftige Positionen zu lokalisieren. Dazu zeigt Abbildung 3.13 einen Devisen-Chart, den des US Dollars, in Japanischen Yen berechnet. Übergeordnet sehen Sie einen Abwärtstrend, der sich innerhalb der zurückliegenden 20 Monate ausgebildet hat. Zusätzlich sehen Sie zwei mögliche Dreiecke, bei deren Bruch mit heftigen Kursanstiegen zu rechnen ist. Werden die beiden Dreiecke nach unten verlassen, ist mit weiteren heftigen Kursabschlägen und einer Fortsetzung des Abwärtstrends zu rechnen. Die beste Position in diesem Markt ist, zurzeit keine Position zu haben.
Sie sehen, die Technische Analyse hält nicht überall Signale bereit, die nur darauf warten, von Ihnen getradet zu werden. Timing und Geduld sind wichtige Faktoren, wenn Sie eine Chart-Formation sich ausbilden sehen. Diese Geduld kann sich bezahlt machen, Ungeduld wird Sie meist teuer zu stehen kommen.
Weiteres Wissen über Dreiecke erhalten Sie hier.
Rounding-Top/Bottom
Das Rounding-Bottom wird zu Deutsch gerne Tellerformation genannt. In dieser Tellerformation bilden die Kurse nach einem Abwärtstrend eine konvexe Kurve aus. Diese allmähliche Entwicklung der Kurse ist eine Bodenbildung, die in einen anschließenden Aufwärtstrend mündet.
Abbildung 3.15 zeigt eine Tellerformation anhand eines Intraday-Charts des DAX auf. Der Leitindex befand sich seit Anfang August 2004 in einem steilen Abwärtstrend. Die Tellerformation konnte den an Geschwindigkeit gewinnenden Downtrend allerdings verlangsamen.
Ein Rounding-Bottom hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Kopf-Schulter-Formation. Einziger Unterschied ist, dass die Schultern bei dieser Formation nicht ausgeprägt sind, sondern glatt verlaufen. Aufgrund gewisser Ähnlichkeiten zu der Kopf-Schulter-Formation lässt sich auf ähnliche Art und Weise ein Kursziel berechnen: Messen Sie die Tiefe des Tellers und addieren Sie die absolute Distanz zum Kursniveau des Break-outs der Formation hinzu.
Ein Rounding-Bottom ist nicht immer eine Umkehrformation. Hat ein Aufwärtstrend – anstatt eines Abwärtstrends – vorgeherrscht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um eine klassische Fortsetzungsformation handelt.
Abbildung 3.15 zeigt eine Fortsetzungsformation eines Tellers. Nach dem nach oben gerichteten Ausbruch aus einem Abwärtstrend herrschte ein neuer Up-Trend vor. In diesem Aufwärtstrend kam es zu einer Tellerformation – der Markt »holte Luft« für weitere Kursgewinne.
Um die Intensität der künftigen Kursgewinne abschätzen zu können, gibt es eine spezielle Technik der Kurszielberechnung. Messen Sie die Distanz des letzten Swings bis zum linken Tellerrand und addieren Sie diese absolute Größe zum rechten Tellerrand. In Abbildung 3.15 wurde dieses Kursziel formschön erreicht.
Abbildung 3.16 verdeutlicht den Umstand, dass Rounding-Tops und Rounding-Bottoms einander ohne Übergangszeit ablösen können. Verlassen Sie sich nicht auf einen garantierten Trend nach einer Rounding-Formation.
Measured-Move
Ein Measured-Move ist eine Chart-Formation, die ausschließlich aus Trendkanälen besteht. In einem bullishen Measured-Move laufen die Preise innerhalb eines Aufwärtstrends bergauf, korrigieren kurzfristig und beginnen einen neuen Aufwärtstrend. Das Interessante an diesem neuen Aufwärtstrend ist, dass er die Charaktereigenschaften des ersten meist 1:1 widerspiegelt. Betrachten wir ein reales Beispiel:
Abbildung 3.17 zeigt den Kursverlauf der Deutsche-Bank-Aktie. Im Februar 2003 hat sich ein Aufwärtstrend ausgebildet, der bis Mitte Juli desselben Jahres dauerte. Anschließend setzte eine halbjährliche Konsolidierungsphase ein, die keine Kursverluste bescherte. Mit Beginn des Jahres 2004 erhielten die Kurse durch einen neuen Up-Trend wiederholt starken Auftrieb.
Vergleichen Sie die beiden Aufwärtstrendphasen. Sie werden erkennen, dass sich die Trendphasen exakt gleichen. Man spricht in diesem Fall von einer Preis-Zeit-Symmetrie. Der schwarze Balken innerhalb beider Trendkanäle zeigt diesen Umstand exakt auf.
Bei einer Preis-Zeit-Symmetrie meint der versierte Investor, dass eine Symmetrie auf der Preisachse (y) und auf der Zeitachse (x) vorhanden ist. Diese Preis-Zeit-Symmetrie tritt nicht nur in Trendkanälen auf, sondern auch in einzelnen Trendlinien. Wie kann man das Konzept der Measured-Moves oder der Symmetrie praktisch in den Händleralltag integrieren? In Abbildung 3.18 sehen Sie einen Chart des Euro in US-Dollar berechnet. Der Euro befindet sich eindeutig in einem übergeordneten Bullenmarkt – so lange bis die Trendlinie gebrochen wird.
Das Prinzip der Symmetrie kann dazu eingesetzt werden, wann eine Korrektur beendet ist. Im Sommer des Jahres 2003 setzte eine solche Korrektur ein. Es entwickelte sich ein sekundärer Abwärtstrend (erster schwarzer Balken). Als sich mit Beginn des Jahres 2004 eine weitere Korrektur anbahnte, erkannte der kluge Investor im Vorfeld, was die Kurse machen würden. Legte man den schwarzen Balken an der Spitze des Swings von Ende 2003 an, und ging man von einer Preis-Zeit-Symmetrie aus, so kreuzten sich das untere Ende des Balkens und der Aufwärtstrend an einem einzigen Handelstag.
Mit dem Eintreffen der Preis-Zeit-Symmetrie wurde einen Long-Position eröffnet. Diese lief in dem Beispiel in die Gewinnzone, allerdings auch in ein symmetrisches Dreieck hinein. Erfolgt ein Break-out, ist mit einem Euro-Dollar-Kurs um die 1,39 zu rechnen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Werkzeuge der Preis-Zeit-Symmetrie und die der Measured-Moves hervorragend mit anderen Methoden der Technischen Analyse kombinieren lassen. Insbesondere können Sie diese Techniken für das Ertasten einer sekundären Trendwende benutzen.
Andrews Pitchforks
Diese Analysetechnik reicht bis in die 60er-Jahre zurück und hat bis heute nichts an praktischem Nutzen oder Wert verloren. Andrews Pitchforks ist eine Trendlinienmethode. Die Grundannahme ist, dass sich Kurse in Trends bewegen, diese aber nicht perfekt sind, also dass Preise nicht ohne korrektive Bewegungen verlaufen können.
Deshalb verwendet Andrews – der Erfinder dieser Methode – mit seiner Analysemethode eine herkömmliche Trendlinie und fügt zwei weitere hinzu. Diese fungieren als erweiterte Unterstützungs- und Widerstandslinien. Wenn man diese Technik im realen Leben angewandt sieht, versteht man schnell, warum sie nach einer Mistgabel benannt ist.
Abbildung 3.19 zeigt einen Ein-Stunden-Chart des US-amerikanischen Technologie-Index NASDAQ. Eine »Mistgabel« besteht aus einer Median-Linie, die als zentrale Trendlinie gilt. Diese Median-Linie verkörpert den allgemeinen Trend. Zu dieser Median-Line werden eine äußere Unterstützungs- und Widerstandslinie eingezeichnet. Diese werden von einem markanten Wendepunkt innerhalb des Trends eingezeichnet. Die Linien laufen parallel zur Median-Line.
Wie handelt man eine solche Mistgabel am besten? Zuerst ist es wichtig zu wissen, dass Sie immer in die Neigung der Mistgabel traden sollten. In anderen Worten: Stellen Sie sich nicht gegen den Trend. Solange die Kurse innerhalb einer Aufwärts-Pitchfork sind, sollten Sie in diesem Markt nur Long-Signale beachten.
Die gebräuchlichste Art und Weise, eine Mistgabel zu verwenden, ist, sie als Umkehrformation einzusetzen. In einer bullishen Pitchfork würden Sie mit einem Bruch der untersten Linie eine Short-Position eröffnen. Bei einer bearishen Mistgabel wird bei einem Bruch der obersten Linie eine Long-Position eingegangen.
Vereinzelt kommt es vor, dass Kurse in einer Bull-Pitchfork die Gabel nach oben hin verlassen und in einer Baisse-Mistgabel nach unten hin. Sollte dieser Fall eintreten, muss die Pitchfork neu eingezeichnet werden, da sich die Intensität des Trends neu geeicht hat.
Pitchforks können ideal mit anderen Formationen und Candlesticks kombiniert werden. Die Stärke der Mistgabel liegt in der guten Indikation künftiger Unterstützungs- und Widerstandsbereiche.
Fibonacci-Techniken
Die Fibonacci-Technik hat längst Einzug in die klassische Chartanalyse gehalten. Ursprünglich stammt sie aus der Elliott-Wellen-Theorie, eine leicht esoterische Analysemethode, die meint, dass sich Kurse in bestimmten Wellenmustern und Fraktalen bewegen.
Der Mathematiker Leonardo de Pisa, zwischen 1170 und 1180 geboren, veröffentlichte sein Buch Liber Albaci im Jahr 1202. Dieses Buch führte die arabischen Zahlen in Westeuropa ein. Seine Zahlenreihe ist als Fibonacci-Zahlenreihe bekannt. Fibonacci war übrigens der »Spitzname« dieses Mathematikers.
1–1–2–3–5–8–13–21–34–55–89–144–233.
Die Fibonacci-Zahlenreihe addiert die jeweils letzten beiden Zahlen miteinander. Diese Zahlenserie wird in kurzer Zeit immens groß. Das Beeindruckende an dieser Reihe ist nicht die Größe, sondern das Verhältnis der Zahlen zueinander.
Wenn eine beliebige Zahl der Fibonacci-Zahlenfolge mit der nachfolgenden dividiert wird, so ist das Ergebnis nah an ~0,618. Wird eine Zahl nicht durch die nächste, sondern die übernächste Zahl dividiert, nähert sich das Ergebnis immer näher an ~0,382. Zusätzlich spielt in der Fibonacci-Analysetechnik die 0,5 eine wichtige Rolle. Dies sind nur wenige von vielen Verhältnissen der Zahlen zueinander. Diese Fibonacci-Ratios werden in der Technischen Analyse verwendet. Sie weisen auf potenzielle Unterstützungs- bzw. Widerstandszonen hin.
Abbildung 3.20 zeigt den praktischen Einsatz dieser Fibonacci-Levels. Diese Levels sind einfach zu berechnen und einzuzeichnen. Sie messen die absolute Distanz eines Swings und zeichnen die prozentualen Unterstützungsniveaus bei 38,2, bei 50 und bei 61,8 Prozent. Diese Berechnungsarbeit nimmt Ihnen jede moderne Charting-Software ab. In dem obigen Fall wurde TradeSignal (www.tradesignal.com) verwendet.
Handeln Sie nie nur aufgrund von Fibonacci-Preis-Levels. Sehen Sie diese Technik als komplementär zu anderen Analysemethoden an.
Abbildung 3.21 zeigt anhand eines Wochen-Charts, dass Fibonacci-Levels – wie der Großteil aller anderen Analysemethoden – auf allen Zeitebenen anzuwenden sind. In dieser Abbildung sehen Sie einen Wochen-Chart der Allianz-Aktie. Wie magisch angezogen und abgestoßen wurden die Kurse von den Fibonacci-Levels. Dies sehen Sie anhand der kleinen Kreise illustriert.
Hätten die Kurse das letzte Fibonacci-Niveau von 70,82 Euro unterschritten, könnte man von einer vollzogenen Trendwende sprechen. Der Aufwärtstrend wäre bei Kursen unter 70 Euro zu stark korrigiert, und die Kurse wären in einen Abwärtstrend hineingefallen. Mit anderen Worten: Korrigieren die Kurse um mehr als 61,8 Prozent des Swings, ist der übergeordnete Trend wahrscheinlich beendet.
Die bis jetzt präsentierten Fibonacci-Abbildungen zeigten alle Retracements auf. Das sind potenzielle Unterstützungsniveaus im Falle einer korrektiven Bewegung. Die Fibonacci-Technik kann anhand der Extension-Methode auf die Kursziel-Prognose umgemünzt werden. Dazu werden die bekannten Fibonacci-Relationen von 38,2 und 61,8 Prozent mit 100 Prozent addiert. Die Zahlen 138,2 Prozent und 161,8 Prozent sind für die Kursprognose hervorragend geeignet.
Abbildung 3.22 zeigt einen Tages-Chart des deutschen Aktienleitindex. Die beiden Pfeile markieren die Swings, anhand derer die Fibonacci-Levels berechnet wurden. In beiden Fällen konnte mit dieser Technik eine Punktlandung erzielt werden. Die Extension-Levels von 138,2 und 161,8 Prozent prognostizierten punktgenau die Wendepunkte der DAX-Swings.
Abbildung 3.23 zeigt einen Fibonacci-Cluster-Ansatz, der auf den ersten Blick konfus wirkt. Sehen wir uns die Grafik genauer an. Sie erkennen von links oben einen langfristigen Abwärtstrend, der zurzeit (21. September 2004) von den Kursen getestet wird.
Des Weiteren sind drei Fibonacci-Levels auf Basis von drei verschiedenen Swings eingezeichnet. Um diese Swings besser differenzieren zu können, sind sie mit Pfeilen markiert. Es ist höchst interessant, dass wichtige Fibonacci-Levels aller drei Swings im Gebiet zwischen 3.990 und 4.015 aufeinander treffen. Hinzu kommt der Abwärtstrend, der noch nicht überwunden werden konnte.
Dieses Chart-Bild rät uns, schnellstmöglich eine Short-Position zu eröffnen, da es sich um einen »Cluster« an Widerständen handelt. Dieser Cluster ist mit einem Rechteck gekennzeichnet. Sollte der Cluster gebrochen werden, müsste sofort in eine Long-Position gewechselt werden, da der Markt eine Hürde wichtiger Widerstände in einem Zug durchbrechen konnte. Das ist die eher unwahrscheinlichere Variante.
Die Fibonacci-Extensions und Retracements sind nützliche Komplementär-Werkzeuge. Sehen Sie von einer isolierten Nutzung der Fibonacci-Techniken ohne jegliche Kombination mit anderen Analysemethoden in Ihrem eigenen Interesse ab. Die Fehlerquote und subjektive Wahrnehmung wären inakzeptabel und könnten Sie rasend schnell in die Verlustzone stürzen. Wenn sie die Fibonacci-Techniken gekonnt verwenden, wird mit Ihrem Konto wahrscheinlich das Gegenteil passieren.
Fibonacci-Zeitprojektionen
Die Technik der Fibonacci-Zeitprojektionen (Time-Cycles) verwendet die Fibonacci-Zahlenreihe und deren Ratios nicht auf der y-Achse, sondern auf der Zeitachse. Hier geht man davon aus, dass die Kurse sich in einem Zyklus bewegen, der mit den Fibo-Zahlen beschrieben werden kann.
Abbildung 3.24 zeigt ein einführendes Beispiel in diese Theorie. Die Abbildung zeigt erneut den DAX, um Ihnen zuzeigen, dass diese Zyklen nicht nur bei irgendwelchen dubiosen Nebenwerten aufzutreten scheinen. Um diese Fibonacci-Technik korrekt anzuwenden, setzen sie das Time- cycle-Tool mithilfe ihrer Chart-Software (in diesem Fall TradeSignal) an einem markanten Umkehrpunkt an. In Abbildung 3.24 wurde dies im Juni des Jahres 1999 gemacht.
Die ersten vier Linien des Timecycles sind zu knapp beieinander und können im Regelfall ignoriert werden. Ab der fünften Fibonacci-Linie wird die Sache aufschlussreicher. Die fünfte Linie zeigte – um nur eine Candle versetzt – den absoluten Tiefpunkt der Bewegung auf. Die sechste Linie zeigte beinahe exakt die Trendumkehr an. Selbiges geschah bei der siebten Linie.
Der absolute Knaller war Fibonacci-Zeitzyklus Nr. 8. Dieser Zyklus zeigte auf den Tag genau den Wendepunkt der Internetblase im Jahr 2000 an. Und das mit Daten aus dem Jahr 1999. Aber der Spuk war noch nicht zu Ende: Die neunte Linie zeigte exakt den Beginn einer ersten Gegenbewegung innerhalb des neuen Bärenmarktes an. Linie Nummer 10 konnte wieder eine taggenaue Landung im Dezember des Jahres 2002 platzieren. Die nächste Zykluswende in diesem Chart ist übrigens im September 2005.
Jede dieser Fibonacci-Zeitzykluslinien repräsentiert einen potenziellen Wendepunkt im Chart. Drehen die Kurse an diesem besagten Tag nicht, ist dies als Bestätigungssignal für den laufenden Trend zu werten. Man kann in diesem Fall von der Fortsetzung des jetzigen Trends bis zum nächsten Fibonacci-Zyklustages ausgehen.
Abbildung 3.25 zeigt einen Stunden-Chart des Xetra-DAX. Auch hier wurden die ersten, stark aneinander gereihten Linien ignoriert. Die anschließenden Wendepunkte waren fast alle Treffer ins Schwarze (siehe Kreise). Der 14. Juli des Jahres 2004 stellte eine Ausnahme dar (siehe Rechteck). Dem Markt wurde ein potenzieller Wendepunkt offeriert, doch die Kurse liefen durch diesen »hindurch«. Dies war ein klares Zeichen für einen sich fortsetzenden, wenn nicht gar beschleunigenden Abwärtstrend.
Dietmar Rübsamen fand in seinem Buch die besten Worte für den Fall, dass ein Markt durch seine potenziellen Wendetage hindurchrasselte. Diese werden wie folgt zitiert:
»[…] in diesem Fall muss im Umkehrschluss von einer sehr dynamischen Fortsetzung des laufenden Trends ausgegangen werden. Dies kann aus marktpsychologischer Sicht auch gar nicht anders sein: Befindet sich ein Index in einem Abwärtstrend und nutzt seine Umkehrmöglichkeit nicht, verhält er sich wie ein Patient, der auf positive Medikamente nicht reagiert. Dadurch wird die übergeordnete Schwäche noch einmal verdeutlicht, und die laufende Bewegung setzt sich sogar noch einmal beschleunigt fort. Für einen Aufwärtstrend gilt das Gesagte genau umgekehrt. Falls an bedeutsamen Fibonacci-Zyklus-Tagen ‚nichts geschieht’, ist dies für den Technischen Analysten ebenfalls eine wichtige Botschaft. Es können unter Umständen Positionen in Richtung des ‚alten’ Trends noch einmal aufgestockt werden […].«
Bei den Fibonacci-Zeitzyklen ist es ratsam, den Cluster-Ansatz (siehe Abbildung 3.23) zu verwenden. Sehen Sie bei den Zeitzyklen von einer isolierten Verwendung der Techniken ab. Wird diese Zykluslehre mit anderen Methoden der Technischen Analyse verknüpft, haben Sie gegenüber manch anderen Börsenakteuren einen gewaltigen Vorsprung.
Fibonacci-Fanlines
Die Fibonacci-Fanlines, Fächerlinien genannt, sind heutzutage in jedem modernen Chart-Programm integriert. Um einen Fibonacci-Fächer zu kreieren, müssen Sie eine normale Trendlinie in einem Chart einzuzeichnen. Diese sollte von einem Pivot- oder Wendepunkt ausgehen.
Diese »normale« Trendlinie ist in einem Fibonacci-Fächer die 100-Prozent-Linie. Anhand dieser werden Trendlinien in den üblichen Fibonacci-Ratios auf den Chart abgetragen. Diese sind 61,8, 50, 38,2 und 23,6 Prozent. Wird eine Fibonacci-Linie durchbrochen, ist es wahrscheinlich, dass die Kurse bis zur nächstliegenden Fibo-Trendlinie weiterlaufen, bevor sie erneut auf Widerstand bzw. Unterstützung stoßen.
Abbildung 3.26 zeigt einen realen Fibonacci-Fächer anhand des Technologie-Index NASDAQ. Sie erkennen an den kleinen Kreisen, dass die Fibonacci-Trendlinien magische Unterstützungs- und Widerstandszonen in einem Chart aufzeigen. Die Fächerlinien lassen sich mithilfe des Cluster-Ansatzes verbessern. Hierfür zeichnen Sie einen aufsteigenden und einen absteigenden Fibonacci-Fächer in den Chart ein. Abbildung 3.27 zeigt denselben Chart wie Abbildung 3.26 – allerdings über einen längeren Zeitraum. Sie sehen in Abbildung 3.27, dass der Aufwärtstrend weiter intakt ist und sich beschleunigen wird, sollte die nach unten gerichtete Fächerlinie durchbrochen werden. In diesem Fall wäre mit Nasdaq-Kursen um die 1900 zu rechnen.
Wolfe-Wave
Die Wolfe-Waves wurden erstmals in dem Buch »Top-Trading-Gewinne« präsentiert. Bei einer Wolfe-Wave handelt es sich um eine komplexe Umkehrformation, die besonders in volatilen Märkten funktioniert. Diese Analysemethode ist auf allen Zeitebenen – vom Monats- bis zum Tick-Chart – gültig und zuverlässig.
Betrachten wir zuerst die bearishe Wolfe-Wave-Formation:
- Punkt 1 bildet ein erstes relatives Hoch im Chart aus.
- Punkt 2 ist die erste Korrektur des relativen Hochs.
- Punkt 3 ist ein höheres Hoch als Punkt 1. Punkt 1 und Punkt 3 bilden die Basis für die obere Trendlinie.
- Punkt 4 muss unterhalb von Punkt 1 liegen, aber oberhalb von Punkt 2. Diese beiden Punkte bilden die Basis für die untere Trendlinie.
- Punkt 5 ist an der oberen Trendlinie und liegt deshalb über Punkt 1 und Punkt 3.
Abbildung 3.28 zeigt eine solche Wolfe-Wave. Sie sehen an dem praktischen Intraday-Beispiel, dass Punkt 4 nicht exakt mit der Definition aus dem Lehrbuch übereinstimmt. Da es sich bei Punkt 4 um einen Morgenstern aus der Kerzentechnik handelt, kann der versierte Investor trotzdem von einem legitimen Kaufsignal ausgehen.
Auch Punkt 5 entspricht nicht dem Idealszenario. Die Kurse laufen ein Stückchen die Trendlinie entlang, bevor sie kollabieren. Warten Sie stets auf ein legitimes Verkaufssignal, das Sie in den Trade triggert und verkaufen Sie nicht »blind«, sobald die Kurse die Trendlinie berühren.
Wie sieht das Ganze bei einer bullishen Wolfe-Wave-Formation aus?
- Punkt 1 schwächt den laufenden Abwärtstrend erstmals ab, es setzt eine Korrektur ein.
- Punkt 2 ist das Hoch dieser Korrektur.
- Punkt 3 liegt unterhalb von Punkt 1. Beide Punkte werden mit einer Trendlinie verbunden.
- Punkt 4 liegt oberhalb von Punkt 1, aber unterhalb von Punkt 2. Punkt 4 und Punkt 1 werden mit einer Trendlinie verbunden.
- Punkt 5 liegt an der unteren Trendlinie. Hier erfolgt bei einem entsprechenden Signal die Eröffnung einer Long-Position.
Abbildung 3.30 zeigt ein Beispiel wie aus dem Bilderbuch einer Wolfe-Wave. Die Wave entspricht den Kriterien und erfüllt das volle Kurspotenzial. Wolfe-Waves sind in einem Chart nicht leicht zu finden und zu erkennen. Der Aufwand lohnt sich aber. Diese Chartformation ist eine der lukrativsten und unbekanntesten Formationen.