Falsche Freunde in der Charttechnik: Der steigende Keil

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Kommt Ihnen die Charttechnik wie ein Buch mit sieben Siegeln vor? Gehören Sie zu den Börsianern, die erst das Orakel befragen, wenn eine Aktienposition im Verlust ist? Die dann willkürlich Chartlinien zeichnen, um die Frage zu beantworten, ob der Verlust realisiert werden muss oder ob es noch eine Chance gibt, heil aus der Aktie herauszukommen?

„Geh ich jetzt raus und realisiere den Verlust?” fragen sich täglich und stündlich Tausende von Börsianern. Sie ärgern sich, wenn der Markt wenige Augenblicke nach der Liquidation doch in die richtige Richtung geht. Es wird unserem Investor, Börsianer oder Trader so vorkommen, als registriere eine Kamera all seine Aktionen und Reaktionen und üble Mächte trieben ihr grausames Spiel mit ihm.

Ich habe dieses Phänomen aufgearbeitet. Eines können Sie mir glauben: In den 27 Jahren meiner Tätigkeit als Broker und Vermögensverwalter habe ich vieles gesehen und die unterschiedlichsten Anlegertypen kennengelernt – erfolgreiche und weniger erfolgreiche.

Wird man aus dem Markt gedrängt und traut sich nicht mehr hinein, so ist das ein Phänomen, mit dem man fertigwerden muss oder auf das man mithilfe der Charttechnik eine Antwort finden kann, wenn man nicht weiter weiß. Ohne dass man sich richtig mit dem Regelwerk befasst, ist dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

Charttechnik: Vorsicht vor falschen Freunden

So kommt es vor, dass Börsianer die Charttechnik voreilig kritisch beurteilen. Sie haben vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht und übertragen diese auf den gesamten Komplex der Technischen Analyse, in dem zum einen das Charting nur eine Teildisziplin darstellt und in dem es zum anderen darum geht, den Markt verstehen zu lernen. Ich werde Ihnen einige solcher falschen Freunde präsentieren und aufzeigen, wie man damit richtig umgeht.

Beginnen wir mit der Keilformation. Die ist tricky, weil jeder Beginner glaubt, diese Formation intuitiv erfassen und handeln zu können. Sie suggeriert dem Anfänger, vor allem dem Börsianer, der auf einer Verlustposition sitzt, das falsche Bild eines weiter steigenden Marktes (beim Rising Wedge) oder in umgekehrter Richtung das falsche Bild einer Baisse (beim fallenden Keil oder dem Falling Wedge).

Der steigende Keil – ein Beispiel

Die Keilformation ist eine Umkehrformation. Ein steigender Keil (Rising Wedge) suggeriert die Bestätigung eines Aufwärtstrends mit steigenden Hochs und steigenden Tiefs. W was sich wirklich abspielt, ist eine Trendumkehr, die den ungeübten Trader in der Regel überrascht.

Keilformation am Beispiel von Anntaylor Stores Corp.

Quelle: Stockchart.com

Betrachten wir den Chart des Modeproduzenten Anntaylor aus dem Jahre 1999. Innerhalb des blauen steigenden Dreiecks sind die Medien voll des Lobes für die Aktie (die Aktie ist unterbewertet oder Analysten setzten das Kursziel herauf), was den Kurs nach oben treibt. Es entwickelt sich früh ein Warnsignal in Form zweier konvergierender Trendlinien, die sich zu einem (steigenden) Keil formieren. Der Bruch der unteren Trendlinie mit hohem Umsatz wird in der Praxis unterschätzt und das ist der Kardinalfehler.

Die anschließende Kurserholung bis an die rote Widerstandslinie führt beim ungeübten Börsianer zum Wunschdenken, dass sich seine Position aus dem Verlust bewegen könnte. Immerhin hat die Aktie von anerkannten Analysten großer Banken gute Noten für Bilanz und G&V bekommen.

Was war der Grund für die Trendwende? Meine Stammleser erkennen im untersten Chartbereich, dass sich der Chaikin Money Flow Indikator (CMF), der die großen umsatzgeprägten Transaktionen identifiziert, ins Minus bewegt hat. Fondsmanager haben Kasse gemacht und ihre Positionen (bei guten Unternehmensnachrichten) abgestoßen.

Fazit: Auch wenn das Bild eindeutig scheint, so haben Sie erkannt, dass der Markt nicht immer klare Bilder sendet. Es handelt sich um Warnsignale, die nicht gleich zum panikartigen Verlassen des Marktes auffordern, sondern wie beim Autofahren darauf hinweisen, die Geschwindigkeit der veränderten Wetter- oder Verkehrssituation anzupassen. Das machen gute Autofahrer auch, wenn keine Schilder zu sehen sind, und das nennt man den „sechsten Sinn” entwickeln. Technische Analysten stellen Schilder auf und schärfen das Bauchgefühl des Lesers, nicht mehr und nicht weniger.