Anglo American-Aktie: Rohstoff-Desaster – eine Chance?
Schauen Sie sich einmal diesen Chart an (Stand: 13.12.2023):
Quelle: www.aktienscreener.com
Bei der Aktie handelt es sich um den Bergbaugiganten Anglo American, der zwischen Anfang 2023 und dem 13. Dezember rund 47 Prozent an Wert eingebüßt hat. Anglo war damit eine der am schlechtesten laufenden großen Minen-Aktien im Jahr 2023, das für viele Rohstoffkonzerne ohnehin schwierig war.
Doch zunächst ein paar Worte zur Einordnung. Anglo American ist einer der weltweit bedeutendsten Minenbetreiber. Mit seinen rund 105.000 Mitarbeitern (2022) ist der Konzern rund um den Globus engagiert. Er betreibt Minen unter anderem in Peru, Chile, Brasilien, Kanada, Namibia, Botswana, Simbabwe, Südafrika und Australien. Zum Portfolio gehören wichtige Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Diamanten, Eisenerz, metallurgische Kohle, Mangan, die Metalle der Platingruppe und Pflanzennährstoffe.
Anglo American: Gefallene Rohstoffpreise setzen Profit unter Druck
Das Problem: Die Marktpreise der meisten dieser Rohstoffe gerieten 2023 in die Bredouille. Darunter vor allem Kupfer, Nickel, Platin und Palladium. Es sind insbesondere die kriselnde Weltkonjunktur, die hohen Zinsen, die Angst vor einer flächendeckenden Rezession, die lahmende Elektromobilität (wichtig speziell für Nickel) und die Schwäche der Erneuerbaren Energien (u.a. Kupfer), die die Rohstoff-Baisse befeuerten.
Im ersten Halbjahr 2023 erzielte Anglo American einen operativen Gewinn (EBITDA) von 5,1 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Rückgang von satten 41 Prozent gegenüber dem (starken) Vorjahreszeitraum. Das Management begründete den Ergebnisschwund hauptsächlich mit den gefallenen Rohstoffpreisen, aber auch mit den höheren Produktionskosten. Dadurch ist die operative Gewinnmarge im Minengeschäft deutlich eingebrochen.
2024 und 2025: Management kündigt Produktionseinschnitte an
Im Rahmen der Zahlenpräsentation Ende Juli hatte der neue Konzernchef Duncan Wanblad immerhin betont, die Produktionsprognosen 2023 und 2024 erfüllen zu können. Doch das erweist sich inzwischen als Trugschluss. Am 8. Dezember hat das Management einräumen müssen, die Produktionsziele für das kommende Jahr nicht erreichen zu können. Demnach wird der Output 2024 um weitere 4 Prozent sinken, 2025 um weitere 3 Prozent. Die Börse reagierte geschockt: Wie Sie im Chart ganz rechts sehen können, ist der Titel daraufhin erneut massiv eingebrochen.
Wanblad führt die Produktionskürzungen vor allem auf logistische Probleme in den beiden wichtigsten Kupferminen in Chile und Peru zurück. In Los Bronces (Chile) etwa muss eine ältere Anlage früher als geplant ausgesetzt werden. In Quellaveco (Peru) meldete Anglo American geotechnische Probleme. Aber das ist noch nicht alles: Auch beim Eisenerzstandort Kumba in Südafrika gibt es offenbar operative und infrastrukturelle Herausforderungen – ebenso bei Minas-Rio (Brasilien).
Kostensenkungen schüren Hoffnung
Immerhin: Durch die Einschnitte beim Output kann Anglo den Kapitalaufwand senken. So sollen die Stückkosten 2024 konzernweit um 2 Prozent zurückgehen und die Investitionen um rund 800 Millionen Dollar. Das Management will damit seine Kostenstruktur optimieren und die Gewinneinbußen in Schach halten.
Viele Analysten sehen deshalb durchaus Hoffnung für die Anglo-Aktie. Wenngleich die meisten Experten ihre Kursziele kürzlich reduziert haben, bleibt der Konsens eher optimistisch. So liegt das durchschnittliche Kursziel von 18 Analysten fast 50 Prozent über dem US-Schlusskurs vom 12. Dezember (Daten via Marketscreener). Einige Experten sehen gar eine Verdopplungschance für den Titel.
Neben den Kosteneinsparungen liegt die Hoffnung vor allem auf einer spürbaren Erholung der Rohstoffpreise im kommenden Jahr – etwa beflügelt durch Zinssenkungen der wichtigen Notenbanken. Eine lockerere Geldpolitik würde prinzipiell Investitionen anregen und die Nachfrage nach den Grundstoffen unterstützen.
Ist Anglo American jetzt ein Übernahmekandidat?
Auf der anderen Seite resultiert die schwache Bewertung der Anglo-Aktie auch in Übernahmefantasien. Das heißt: Ein großer Investor aus der Rohstoffbranche oder der Finanzindustrie könnte sich die mögliche(!) Unterbewertung der Aktie zunutze machen. Laut den Analysten von Jefferies käme unter anderem Glencore als Käufer in Betracht.
Ob es am Ende so weit kommen wird, bleibt freilich abzuwarten. Das Management von Anglo American könnte sich gegen einen Übernahmeversuch zur Wehr setzen und das Comeback-Potenzial aus eigener Kraft betonen – beispielsweise durch die erwähnten Kostensenkungen oder den Verkauf von Assets.
Anglo American-Aktie: mein Fazit für Sie
Die Börse hat Anglo American gnadenlos abgestraft. Der Titel lief 2023 bis zum 13. Dezember wesentlich schwächer als die Konkurrenten wie BHP, Vale oder Rio Tinto. Es gibt meiner Meinung nach durchaus den einen oder anderen Hinweis, dass diese Abwertung übertrieben gewesen sein könnte.
Ich finde, langfristig gesehen bietet der Titel beachtliches Potenzial. Allein mit Kupfer (Erneuerbare Energien), Nickel (Elektromobilität), mettalurgischer Kohle (wichtig zur Herstellung von Stahl und damit wichtig z.B. für Windkraftanlagen) und Eisenerz (siehe Kohle) hat der Konzern ein solides Fundament für nachhaltiges Wachstum. Unterschätzen sollten Sie die Aktie jedenfalls nicht.
Update: Tatsächlich hat der Titel bereits am letzten Donnerstag und Freitag in eine Gegenbewegung nach oben gewechselt. Es wird sich zeigen, wie nachhaltig diese ist.