Netflix am Scheideweg: Darauf kommt es jetzt an!

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Ein Satz mit X, das war wohl nix: So oder so ähnlich lassen sich die neusten Zahlen des US-Streaminganbieters Netflix zusammenfassen. Zwar lief das erste Quartal 2023 gar nicht so schlecht – doch viele Analysten hatten mehr erwartet.

So lief es für Netflix in Q1 2023

Vor allem bei der für den Markt so wichtigen Abonnentenanzahl enttäuschte der Streamingprimus. So konnte Netflix in Q1 zwar 1,75 Millionen zahlende Kunden hinzugewinnen und hatte Ende März damit 232,5 Millionen Nutzeraccounts in seinen Büchern stehen. Die Experten hatten dem Konzern aber ein deutlich stärkeres Nutzerwachstum zugetraut.

Beim Umsatz blieb Netflix in etwa auf dem Niveau der Analystenerwartungen: Die Erlöse stiegen um nur knapp vier Prozent auf 8,16 Milliarden US-Dollar. Und beim Profit gab es wie erwartet deutliche Rückschritte. So krachte der Gewinn unterm Strich um satte 18 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar ein. Netflix hat offenbar trotz der Preiserhöhungen für seine Abos die höheren Kosten nicht gänzlich abfangen können.

Kaum Hoffnung auf Q2

Besonders bitter aber ist der Ausblick auf das zweite Quartal. Netflix musste einräumen, dass es in Q2 wohl keine wirklichen Fortschritte geben werde. Das heißt: Sowohl Umsatz als auch Nettoergebnis dürften stagnieren.

An der Börse gingen deswegen zunächst die Alarmglocken an und die Aktie musste am Mittwochvormittag im deutschen Tradegate-Handel Verluste hinnehmen. Diese blieben aber mit -1,3 Prozent zunächst recht überschaubar (Stand: 19.04.2023, 10:00 Uhr).

Wie Netflix im zweiten Halbjahr die Kehrtwende schaffen will

Dass die Abwertung nicht höher ausfiel, liegt wohl daran, dass der US-Konzern zumindest für das zweite Halbjahr 2023 Besserung gelobt. Netflix fußt diese Annahme auf zwei konkrete Faktoren, die das Geschäft beleben sollen.

Erstens: Der Konzern will alsbald eine Zusatzgebühr für das Teilen von Nutzerkonten einführen. Viele Kunden teilen ihre Netflix-Accounts mit Freunden oder Bekannten aus anderen Haushalten und legen dann oftmals die Kosten zusammen.

Bislang hatte Netflix das Account-Sharing mehr oder weniger toleriert. Nun will der Konzern diesem geschäftsschädigenden Treiben einen Riegel vorschieben. Das Kalkül: Durch die Einführung einer Gebühr hofft Netflix auch darauf, dass sich Zweit- oder Drittnutzer einen eigenen Account erstellen, was die Abo-Zahlen insgesamt nach oben treiben würde.

Zweitens: Netflix forciert weiterhin einen Ausbau seiner werbefinanzierten Abos. Noch im April will der Konzern eine aufgewertete Version dieses Abo-Modells auf den Markt bringen. Damit sollen Filme und Serien unter anderem in Full-HD-Auflösungen abgespielt werden könne.

Bislang hatte es das Werbe-Abo nur in geringerer Auflösung gegeben. Netflix will mit dem günstigeren, werbebasierten Angebot preisbewusste Kunden ansprechen – gerade in Zeiten hoher Inflation und hoher Lebenshaltungskosten.

Weniger Quantität, mehr Qualität

Die wohl größte Aufmerksamkeit dürfte die Börse jedoch auf die Entwicklung des Profits legen. Hier hatte Netflix zuletzt wie erwähnt deutliche Einschnitte hinnehmen müssen.

Kein Wunder also, dass Netflix alle Hebel in Bewegung setzt, um dem Profitschwund entgegenzuwirken. Hierfür forciert der Konzern derzeit eine Strategieänderung beim Content. Hintergrund: Netflix hatte jahrelang praktisch zügellos in neue Eigenproduktionen investiert – um Wachstum und Marktanteile zu verbessern. Nun will der Streaming-Primus offenbar weniger Geld in eigene Filme und Serien investieren.

Das neue Credo lautet: weniger Quantität, mehr Qualität. Demnach will sich der Konzern verstärkt auf aussichtsreichere Produktionen konzentrieren, anstatt massenweise Content auf den Markt zu werfen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg sollen hierfür die Abteilungen, die sich auf Produktionen mit niedrigem (bis 30 Mio. Dollar) und mittlerem Budget (bis 80 Mio. Dollar) konzentriert hatten, zusammengelegt werden.

Netflix-Aktie: mein Fazit für Sie

Klar: Die Q1-Zahlen lagen weitestgehend unter den Erwartungen des Marktes. Und auch für Q2 darf die Börse keine Wunder erwarten. Ein Mega-Desaster ist das Ganze aber nicht. Noch immer ist Netflix der Streaming-Marktführer schlechthin und hat etliche populäre Serien und Filmreihen in seinem Portfolio – auch wenn die Konkurrenz freilich nicht schläft.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der Konzern im zweiten Halbjahr tatsächlich die Kehrtwende hin zu mehr Wachstum und Profit schaffen kann. Immerhin: Die Netflix-Aktie notierte am Mittwoch immer noch deutlich unter vergangenen Rekordwerten, wie Sie im Chart sehen können (Stand: 19.04.2023, 10:00 Uhr, Börse Stuttgart):

Quelle: www.aktienscreener.com

Entsprechend könnte eine neue Fantasie hinsichtlich des zweiten Halbjahrs 2023 frische Kursimpulse nach oben ermöglichen. Die Schweizer Großbank UBS etwa hat ihr Kursziel für die Netflix-Aktie nach den Zahlen von 350 auf 390 Dollar angehoben. Das wäre ein Plus von immerhin rund 17 Prozent gegenüber dem US-Schlusskurs vom Dienstag.

Allerdings, und das sollten Sie als Anleger nicht vergessen. Ein Selbstläufer ist die Netflix-Aktie schon lange nicht mehr. Vor allem die neue Content-Strategie könnte sich meiner Meinung nach als Bumerang erweisen. Schauen Sie: Um die Kosten im Griff zu halten, cancelt Netflix  aktuell auch viele laufende Serien, die sich offenbar als weniger lukrativ erweisen.

Und das sorgt für Verärgerung bei den Nutzern, da einige Serien somit vor ihrem eigentlichen inhaltlichen Ende plötzlich aus dem Programm gestrichen werden. Die Kunden wissen also nicht, ob eine neue Serie bei Netflix überhaupt zu Ende geführt wird. Das belastet das Vertrauen und könnte im schlimmsten Falle zu einer messbaren Abwanderung führen.