Netflix-Schock: Aktie verbrennt mehr als 2 Drittel Börsenwert

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Sind die goldenen Zeiten des weltweit größten Streaminganbieters vorbei? Die jüngsten Quartalszahlen halten wenig Positives bereit – vor allem der Ausblick hat die Anleger in der vergangenen Woche geschockt. Die Netflix Aktie vernichtete innerhalb kurzer Zeit rund ein Viertel des Börsenwerts des US-Unternehmens. Doch was genau ist passiert?

Netflix verliert Kunden – erstmals seit 10 Jahren

Die Antwort ist so banal wie alarmierend: Netflix musste einen Rückgang seiner Abonnentenzahlen vermelden – zum ersten Mal seit zehn Jahren. Dabei ist es nur ein schwacher Trost, dass dieser Rückgang auf einen Sondereffekt zurückzuführen ist: Weil mit dem Einmarsch russischer Soldaten in die Ukraine die Netflix-Konten der russischen Kunden abgeschaltet wurden, sank die Nutzerzahl schlagartig um 700.000 Konten. Ohne diesen Effekt hätte Netflix einen Zuwachs von rund einer halben Million Abonnenten verbuchen können – doch auch das liegt weit unter den Erwartungen, und zwar sowohl denen der Märkte als auch des Unternehmens selbst.

Netflix hatte als Zielmarke für das Auftaktquartal eigentlich ein Wachstum des Kundenstammes um 2,5 Millionen Konten angestrebt. Dieses Ziel wurde – auch ohne den Russland-Effekt – krachend verfehlt. Und es kommt noch schlimmer: Für das laufende Quartal rechnet Netflix nun selbst mit einem weiteren Rückgang um ganze 2 Millionen Nutzer, und das ohne die massenhaften kriegsbedingten Sonderkündigungen.

Netflix Aktie als Kapitalvernichter: Minus 60 Prozent seit November

Auch bei Umsatz und Gewinn gab es aus Anlegersicht schlechte Nachrichten. So ging der Überschuss im Zeitraum von Januar bis Ende März im Vergleich zum Vorjahresquartal um rund 6 Prozent zurück auf 1,6 Milliarden US-Dollar. Der Umsatz stieg zugleich zwar um rund 10 Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar, blieb damit aber hinter den durchschnittlichen Erwartungen der Analysten zurück.

Kein Wunder also, dass die Netflix Aktie zuletzt auf Tauchstation ging: Seit Beginn des Jahres hat das Papier bereits mehr als 60 Prozent verloren. Noch im November hatte die Aktie ihr Jahreshoch markiert und die Schwelle von 700 Dollar kurzzeitig geknackt. Zuletzt wurde das Papier für nur noch rund 215 Dollar gehandelt.

Analysten reduzieren Kursziele drastisch

Wer hier nun eine günstige Einstiegschance wittert, sollte sich jedoch zunächst mit den Einschätzungen der Analysten befassen. Die sind vom zurückliegenden Quartal wenig schockiert – doch der fehlende Optimismus beim Ausblick sorgt bei den Experten für trübe Stimmung. Mehrheitlich raten Analysten nach den Quartalszahlen zum Halten der Netflix Aktie, die Kursziele wurden zudem drastisch eingedampft.

So liegt das Kursziel für die Netflix Aktie laut Jefferies bei nur noch 280 US-Dollar nach zuvor 415 Dollar, die Empfehlung „hold“ wurde bestätigt. JP Morgan hingegen kassierte die Kaufempfehlung und stufte das Papier auf „neutral“ herab, zugleich wurde das Kursziel von den Experten der US-Investmentbank mehr als halbiert von vormals 605 auf nur noch 300 Dollar. Auch die Schweizer Großbank Credit Suisse reduzierte das Kursziel von 450 auf 350 Dollar, beließ die Einstufung aber bei „neutral“.

Schwaches erstes Halbjahr erwartet

Insgesamt, so das Fazit der Analysten, dürfte das erste Halbjahr wohl deutlich schwächer ausfallen als erhofft – selbst wenn ein Dämpfer von vielen bereits erwartet worden war. Immerhin war Netflix einer der großen Pandemiegewinner: Während der teils monatelangen Lockdown-Maßnahmen entschieden sich viele, ein Kundenkonto zu eröffnen und sich die Zeit daheim mit dem Streamen von Filmen und Serien zu versüßen.

Nun ergeben sich daraus gleich mehrere wachstumshemmende Effekte: einerseits eine hohe Marktsättigung – wer ein Netflix-Konto haben will, hat es sehr wahrscheinlich bereits während der vergangenen beiden Corona-Jahre abgeschlossen – und andererseits eine Kündigungswelle derjenigen Kunden, die nun wieder vermehrt das Sozialleben außerhalb der eigenen vier Wände genießen und sich das Streaming-Abo zurzeit nicht mehr leisten möchten.

Belastungen für Netflix: Hohe Inflation und steigender Konkurrenzdruck

Ein weiterer Faktor, der das Wachstum des Kundenstamms ausbremst, ist die Inflation und der damit verbundene Kaufkraftverlust: Da viele Haushalte nun stärker auf ihre Ausgaben achten müssen, um die Lebenshaltungskosten zu decken, wird an weniger grundlegenden Ausgaben gespart – zum Beispiel durch die Kündigung des Netflix-Abos. Das macht zwar monatlich nur eine vergleichsweise geringe Summe aus, doch wer auf jeden Dollar oder Euro achten muss, um die Heizkostenabrechnung zu begleichen, wird womöglich Abstriche beim Entertainment machen.

Hinzu kommt ein stärkerer Wettbewerb: Neben Amazon Prime Video ist auch Disney+ inzwischen zu einem stärkeren Konkurrenten für Netflix angewachsen. Kunden, die sich nur einen Streamingdienst leisten wollen, treffen hier eine Entscheidung, die offenbar häufiger zum Nachteil von Netflix ausfällt.

Dennoch ist der Streaminganbieter, der vor allem durch starke Eigenproduktionen Bestandskunden an sich bindet und neue Abonnenten umwirbt, weiterhin die Nummer eins am Markt: Auch nach dem jüngsten Rückgang der Nutzerzahlen hält Netflix noch immer einen Kundenstamm von mehr als 221 Millionen zum Ende des ersten Quartals. Zum Vergleich: Disney+ meldete zum Jahreswechsel knapp 130 Millionen Nutzerkonnten.