Infektionsgeschehen in China: Lieferketten erneut in Gefahr?

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Es war eines von vielen Problemfeldern, das die Unternehmen in den zurückliegenden zwei Jahren belastet hat: unterbrochene Lieferketten. Gerade für Konzerne, die mit just-in-time-Lieferungen arbeiten, wie etwa weite Teile der Automobilindustrie, bedeutete das nicht selten Produktionsausfälle. Reihum wurden Standorte wochenweise stillgelegt, tausende Fahrzeuge konnten nicht fertiggestellt und ausgeliefert werden, weil einzelne Bauteile fehlten.

Chinas Lockdowns begünstigten Lieferkettenprobleme

Zuletzt hat sich die Lage wieder etwas entspannt. Die Lieferketten liefen wieder besser an, Produktionsausfälle wurden seltener. Einer der Auslöser für die gestörten Lieferprozesse waren die wiederkehrenden Lockdown-Maßnahmen in China.

Das Reich der Mitte hat bis vor kurzem auf eine strikte Null-Covid-Politik gesetzt und schon bei einzelnen Coronafällen ganze Metropolen lahmgelegt. Wochenlange Ausgangssperren wurden engmaschig kontrolliert, für Schlagzeilen sorgte ein gut zweimonatiger Lockdown in der Wirtschaftsmetropole Shanghai im vergangenen Frühjahr.

Peking lässt Coronawelle durchrollen

Seit Anfang Dezember aber hat sich die Regierung in Peking zu einer 180-Grad-Wende durchgerungen – und praktisch alle Schutzmaßnahmen über Nacht aufgehoben. Die Folge ist ein Coronaausbruch ungekannten Ausmaßes, Millionen Chinesen sind erkrankt.

Das wiederum könnte sich erneut auf die empfindlichen Lieferketten auswirken, warnte zuletzt die Ökonomin Ulrike Malmendier, die seit einigen Monaten den sogenannten Wirtschaftsweisen angehört. Das Gremium berät die Bundesregierung in wirtschaftlichen Belangen und liefert als Sachverständigenrat ökonomische Expertise. Ihr Wort hat also durchaus Gewicht – umso ernstzunehmender sind wohl die nun geäußerten Befürchtungen mit Blick auf die Lieferketten.

Sind Lieferketten jetzt erneut bedroht?

Für deren Funktionalität ist es letztlich egal, ob ein Hafen oder ein Produktionsstandort wegen angeordneter Lockdown-Maßnahmen geschlossen werden muss oder aufgrund von krankheitsbedingten Personalausfällen. Diese treten zwar im Zweifelsfall punktueller auf, sind aber dementsprechend auch schwieriger vorherzusehen oder zu managen für die jeweils betroffenen Unternehmen. Zudem können sie eher zu individuellen Wettbewerbsnachteilen führen als ein flächendeckender Lockdown, der alle ansässigen Betriebsstätten gleichermaßen betrifft.

Wie sehr hohe Krankenstände die täglichen Abläufe stören können, wurde in den vergangenen Monaten auch in Deutschland immer wieder sichtbar. Ob im Pflegedienst oder im Krankenhaus, im öffentlichen Nahverkehr oder beim Flughafenpersonal: Wenn eine hohe Zahl an Mitarbeitern gleichzeitig erkrankt, kann das gesellschaftlich wie wirtschaftlich ernsthafte Konsequenzen haben.

Chinesen bald mit Zugriff auf westliche Vakzine?

Dass das Infektionsgeschehen in China zurzeit buchstäblich außer Kontrolle gerät, wird nicht zuletzt der Regierung angelastet. Ihre überstürzte Abkehr von der fast dreijährigen strengen Null-Covid-Politik kam für die Menschen und auch für das Gesundheitssystem unvorbereitet. Es wurden im Vorfeld keine Reservekapazitäten aufgebaut, keine zusätzlichen Betten, Medikamente oder Impfstoffe bereitgestellt.

Allerdings ist auch in Sachen Immunisierung ein allmähliches Umdenken in Peking erkennbar. Offenbar stehen immer mehr Einwohnern – zumindest in Hongkong – auch westliche Vakzine zur Verfügung. Zuletzt hieß es, dass Boosterimpfungen mit dem von der Mainzer Firma Biontech entwickelten mRNA-Impfstoff Comirnaty unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden sollen – sofern zuvor eine Impfung mit einem chinesischen Vakzin abgeschlossen wurde.

Ob all das aber noch hilft, die aktuelle Dynamik einzufangen und das Infektionsgeschehen wirkungsvoll einzudämmen, bleibt abzuwarten. Erneute Lieferkettenprobleme wären jedenfalls so ziemlich das letzte, was Unternehmen in Deutschland und Europa gebrauchen könnten. Mit dem Krieg in der Ukraine und den damit verknüpften Folgen wie hohen Energiekosten, historischen Inflationsraten und der Abkehr vom russischen Markt sind sie aktuell ohnehin schon gestraft. Eine Rezession in den kommenden Monaten halten die meisten Wirtschaftsforscher längst für unausweichlich.