Macht Mercedes in China den gleichen Fehler wie in Russland?

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Er werde alles dafür tun, dass das Unternehmen sein Engagement nicht bereue, hatte Wladimir Putin im April 2019 anlässlich einer Werkseröffnung des deutschen Autobauers Daimler im russischen Jessipowo zu Protokoll gegeben. An seiner Seite standen der damalige Konzernchef Dieter Zetsche und der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Für Daimler (inzwischen: Mercedes-Benz AG) erschien die Investition damals folgerichtig: Die Sternmarke hatte in den Jahren zuvor ihren Absatz in Russland deutlich gesteigert und galt gar als erfolgsreichste Premiummarke des Landes.

Mercedes zieht Schlussstrich in Russland

Heute klingen die Worte des russischen Präsidenten wie Hohn. Mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Putin auch Mercedes-Benz aus dem Land vertrieben. Bereits im März hatten die Stuttgarter den Export von Fahrzeugen nach Russland und die lokale Fertigung eingestellt.

Nun hat Mercedes Nägel mit Köpfen gemacht. Wie der Autobauer kürzlich bekannt gab, verkaufe man derzeit die noch in Russland verbliebenen Geschäftsanteile an einen dortigen Investor. Davon betroffen ist auch das PKW-Montagewerk Jessipowo mit seinen mehr als 1.000 Mitarbeitern. Käufer ist demnach der Investor Avtodom.

Wobei von einem Käufer zu sprechen, hier etwas übertrieben wäre. Denn: Mercedes musste einräumen, dass man keine Einnahmen aus dem Verkauf erzielen werden. Zuvor hatten bereits andere Autobauer ihre restlichen russischen Geschäfte für einen symbolischen Preis von einem Rubel bzw. einem Euro abgestoßen.

Immerhin: Weitere Abschreibungen sollen nicht anfallen. Im ersten Halbjahr hatte die Stilllegung des Russland-Geschäfts bei Mercedes bereits zu einem Zusatzaufwand von rund 700 Millionen Euro geführt.

Die 250 Millionen Euro teure Fabrik in Jessipowo soll nun unter anderer Flagge weiterbetrieben werden. Nach Angaben der russischen Industrie- und Handelskammer könne Avtodom andere Firmen anziehen, um die Produktion an dem Standort zu organisieren. Welche (russische) Marke dort künftig vom Band rollen wird, muss sich zeigen.

Ungute Parallelen zu China

Aber warum erzähle ich Ihnen das heute? Ganz einfach: Schon 2019 gab es wegen der Fabrikeröffnung in Russland erhebliche Kritik an Mercedes. Schließlich hatte Putin in den Jahren zuvor in der Ost-Ukraine bereits einen Teil seiner Maske fallen lassen, indem er die dortigen russlandnahen Milizen militärisch unterstützte – ganz zu schweigen von der Annexion der Krim im Jahr 2014.

Das Ganze offenbart ungute Parallelen zu einem anderen Markt, der für Mercedes noch viel wichtiger ist als Russland. Nämlich: China. Etwa jedes dritte Stern-Fahrzeug wird in der Volksrepublik verkauft. Zudem sind chinesische Investoren (BAIC und Geely) mit etwa 20 Prozent an dem Stuttgarter Konzern beteiligt.

Mercedes fährt in China auf dünnem Eis

Mercedes ist also massiv abhängig von der Volksrepublik, einem Land, das ausländische Akteure mit immer mehr Argwohn betrachtet. Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte auf dem Kongress der Kommunistischen Partei die nationalistischen Bestrebungen des Landes kürzlich ganz oben auf seine Agenda gesetzt – sowohl politisch als auch wirtschaftlich.

Vor allem der Taiwan-Konflikt gilt als Pulverfass, das in den nächsten Jahren explodieren könnte. In der Folge wäre der Westen wohl gezwungen noch härtere Sanktionen gegen China in die Wege zu leiten. Und auch Unternehmen wie Mercedes könnten dann ihr Engagement im Reich der Mitte – ähnlich wie es jetzt in Russland der Fall ist – kaum noch moralisch begründen.

Källenius pokert hoch

Besonders prekär: Mercedes-Chef Ola Källenius will das China-Geschäft trotz aller politischen Spannungen und Risiken weiter ausbauen. Das Wachstumspotenzial dort sei höchst attraktiv. Der Manager spielt damit auf den in China wachsenden Wohlstand an, dem man mit teuren Premium-Autos Rechnung zollen will.

Nach eigenen Angaben hat Källenius auch kaum eine andere Wahl. Sich in China zu begrenzen, würde Mercedes schwächer machen, so der Manager Anfang September. Das könne nicht die Strategie des Konzerns sein.

Rein betriebswirtschaftlich mag das zwar stimmen. Doch inzwischen ist die Geopolitik gerade für international aufgestellte Konzerne das Zünglein an der Waage. Källenius geht hier also eine riskante Wette ein.

Mein Fazit für Sie

Klar: Man sollte den Teufel nicht an die Wand malen. Auch weil China selbst ebenfalls von westlichen Akteuren abhängig ist. Sollte das Land etwa mit einem Angriff auf Taiwan die ökonomischen Beziehungen zum Westen zerstören, hätte das auch für die chinesische Volkswirtschaft erhebliche Konsequenzen.

Die Ereignisse der letzten Monate rund um Russland zeigen aber deutlich, dass Politik besonders in diesen Zeiten nicht immer von Vernunft geprägt ist – sondern mehr und mehr von Protektionismus, Nationalismus und Ideologie.

Als Anleger sollten Sie diesen enormen Risikofaktor unbedingt auf dem Schirm haben, wenn Sie sich für Aktien interessieren, die besonders abhängig von China sind.