Skandal um Wirecard: Müssen Aktionäre zittern?
Der Fall Wirecard ist noch längst nicht hinreichend aufgeklärt. Noch immer versucht ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, die genauen Hintergründe eines der größten deutschen Finanzskandale der jüngeren Geschichte offenzulegen.
Wirecard-Wirtschaftsprüfer: Die Buhmänner von EY
Wegen Luftbuchungen von insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die in der Bilanz zwar ausgewiesen wurden, tatsächlich aber nicht existierten, hatte der Zahlungsdienstleister vor rund einem Jahr Insolvenz anmelden müssen – nicht einmal zwei Jahre nach dem Aufstieg in die Dax-30.
Immer mehr Ungereimtheiten kommen ans Licht rund um politische Verwicklungen, handzahme Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer, die offenbar öfter mal Fünfe gerade sein ließen. Insbesondere auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, vormals Ernst & Young, wirft der Skandal ein äußerst schlechtes Licht. Jahrelang hatten die zuständigen Prüfer von EY die Wirecard-Bilanzen durchgewunken, offenbar ohne, dass ihnen die Fehlbeträge oder Kreislaufbuchungen aufgefallen wären.
War Wirecard schon viel früher pleite?
Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé machte zuletzt deutlich, dass möglicherweise bereits 2017 eine de facto Insolvenz bestand – also noch vor der Dax-Notierung, die erst im September 2018 erfolgte. Sollte sich diese Auffassung bestätigen, wären für die entsprechenden Zeiträume auch die Dividenden an Aktionäre zu Unrecht ausgezahlt worden.
Konkret geht es um eine mögliche Nichtigkeit der Jahresabschlüsse für 2017 und 2018. Dies wird nun gerichtlich geprüft. Nach Jaffés Lesart müssten ehemalige Aktionäre Dividenden in Höhe von insgesamt rund 47 Millionen Euro zurückzahlen. Auch umfassende Aktienrückkaufprogramme aus jener Zeit stehen auf dem Prüfstand, hier könnten sich weitere Rückforderungen ergeben.
Umgekehrt erheben allerdings auch ehemalige Anleger Schadenersatzansprüche wegen der Wirecard-Pleite. Mehr als 40.000 Forderungen von Gläubigern hat der Insolvenzverwalter mittlerweile auf dem Tisch. Herauszuarbeiten, wer welche Ansprüche letztlich wird geltend machen können, dürfte sich als jahrelange Mammutaufgabe erweisen.
Konsequenzen für Bafin und Dax
Konsequenzen hatte der Skandal jedoch bereits auf verschiedenen Ebenen: So hat die Bundesregierung anlässlich des Falls die Kompetenzen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin überarbeitet. Wirtschaftsprüfer sollen künftig stärker als bisher haftbar gemacht werden können, wenn sie fehlerhafte oder gar betrügerische Bilanzen absegnen.
Auch für den Dax hatte der Fall Wirecard tiefgreifende Folgen: Nachdem die Wirecard Aktie trotz der Insolvenz noch wochenlang mitgeschleift wurde, weil eine turnusmäßige Überprüfung der Indexzusammensetzung nur zweimal im Jahr vorgesehen war, gibt es hierfür nun Sonderregelungen.
Nachhaltige Schäden und langwierige Aufarbeitung
Insgesamt hat der Skandal nicht nur dem Ruf des Dax geschadet, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland beschädigt: Einerseits, weil Wirecard als digitaler Zahlungsdienstleister als zukunftsorientiertes Technologieunternehmen gefeiert wurde, andererseits, weil ein solch gigantischer Betrug jahrelang keiner Prüfinstanz aufgefallen war, und das ausgerechnet in Deutschland, wo den Behörden normalerweise besonders gründliche Pingeligkeit nachgesagt wird.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss wird seine Arbeit mit dem Ende der Legislaturperiode in Kürze abschließen. Für den Insolvenzverwalter hingegen bleibt noch eine Menge zu tun.