Wirtschaftstheorien Teil 7: Nutzenvorstellungen in der Realität

Inhaltsverzeichnis

An dieser Stelle möchte ich mit unserer Wirtschaftstheorien-Reihe weiter verfahren. Wir haben uns mit den Gossenschen Gesetzen und der Auflösung des Wertparadoxons beschäftigt. Oder anders: Auf welche Art und Weise es Gossen schafft, mit Hilfe mathematischer Formeln, das Wertparadoxon aufzulösen.

So revolutionär war dieser Ansatz, dass Gossen als Vordenker der Neoklassischen Wirtschaftstheorien gelten darf, die bis heute unser modernes Verständnis von Wirtschaftstheorie prägen.

Dennoch bringt die Theorie von Nutzen und Grenznutzen, wenn wir diese in die Realität des Marktes übertragen wollen, ein paar Probleme mit sich. Wenn es darum gehen soll, diesen Nutzen zu messen.

Sie erinnern sich an die Beispiele, die ich vorgestellt habe, mit den fiktiven Grenznutzen von Diamanten, Wasser und Kuchen in Abhängigkeit vom Preis. Ich habe Zahlen genannt, damit das Ganze aufgeht und leichter nachvollziehbar ist. Im Grunde spiegeln diese Daten eine subjektive Nutzenvorstellung wider.

Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir alle unterschiedliche Vorlieben haben und obwohl es mit Sicherheit generelle Wertvorstellungen gibt, so ist der Wert, den wir einem Gut beimessen subjektiv. Eine allumfassende Wahrheit gibt es nicht – Sie werden zu jedem Thema, zu jeder Überlegung, zu jeder Vorstellung verschiedene Meinungen und differenzierte “Wahrheiten” finden.

Nutzenvorstellungen im Markt

Wenn wir davon ausgehen, dass es keine allumfassende objektive Wahrheit gibt, erklärt sich daraus das (bisweilen irrationale) Verhalten der Märkte. Denn hier sind eine Reihe an unterschiedlichen Vorstellungen am Werk. Am Ende gewinnt eine Vorstellung die Oberhand, wobei das einen neuen Anfang mit anderen Vorstellungen bedeutet.

Wir können die Nutzenvorstellungen eines Individuums messen, die gesamte Nutzenvorstellung eines zusammengefassten “Individuums” Markt lässt sich schwer nachvollziehen. Die einzige Möglichkeit um dies zu messen geschieht über den Preis. Um von der Preisentwicklung auf die Grenznutzenfunktion eines Individuums zu schließen, müssten wir jede kleinste Nachfrageänderung bei jeder kleinsten Preisänderung kennen.

Um von dem Beobachtbaren auf die Nutzenvorstellung eines Individuums zu schließen, müssten für alle Marktteilnehmer die gleichen Bedingungen und Voraussetzungen gelten.

Subjektive Wertlehre

Welche Bedingungen und Voraussetzungen müssten das sein?

    • Informationen

 

Alle Marktteilnehmer (Individuen) müssten die gleichen Informationen besitzen.

    • Objektiv rationales Handeln

 

Alle Individuen müssten gleichermaßen rational handeln. Wobei sich ein Problem ergibt. Rationales Handeln setzt eine objektive Rationalität voraus, was schwer ist, wenn man ausgeht, dass Individuen insbesondere subjektive Nutzenvorstellungen haben.

    • Freie Märkte

 

Theoretisch müssten für jegliche Güter Märkte existieren. Und diese müssten für jeden frei zugänglich sein.

    • Zusatzkosten vernachlässigbar

 

Was hier ebenfalls nicht berücksichtigt wird, sind mögliche Zusatzkosten die sich durch den Handel ergeben, wie zum Beispiel Transaktionskosten. Diese müssten im Grunde vernachlässigbar sein.

Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, könnte man objektiv den Nutzen messen und aus dem Marktverhalten filtern. Wenn diese Voraussetzungen nicht für jedes Individuum erfüllt sind, ist es schwer Nutzen objektiv zu messen bzw. unmöglich.

Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Nutzenmessung von öffentlichen Gütern. Schließlich kann ein Individuum solche Dinge wie eine saubere Umwelt oder Frieden nicht im Tausch über einen Markt erwerben. Natürlich ist hier die Wertzumessung äußerst subjektiv. Können wir davon ausgehen, dass sich Tausch- und Gebrauchswert nicht unterscheiden?

Natürlich gehen die Neoklassiker von einer subjektiven Wertlehre aus, im Gegensatz zur klassischen objektiven Wertlehre.Sie stellen ein universelles Individuum in den Mittelpunkt ihrer Analysen. Sämtliche Prozesse werden ausgehend von einem individuellen Verhalten beschrieben.

Doch darin liegt meiner Meinung nach ein Problem: wenn der Marktpreis eines Gutes vom Grenznutzen dieses Gutes bestimmt wird, kann dieser Grenznutzen ausgehend von einer individuellen Wertzumessung ermittelt werden. Hierzu müssten sich alle oben genannten Bedingungen und Voraussetzungen für das universelle Individuum erfüllen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Grenznutzen nicht gemessen werden. Zudem stellt sich die Frage, wer dieses repräsentative universelle Individuum ist?

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich möchte die wichtige Arbeit der Grenznutzenschule (Gossens und der Neoklassiker) nicht angreifen. Im Gegenteil: der Ansatz, ökonomische Verhaltensweisen aufgrund individueller Überlegungen nachzuvollziehen, erscheint mir richtig.

Ich möchte mit dem heutigen Beitrag lediglich aufzeigen, dass es nicht einfach und fehlerfrei ist (und sein kann), diesen Denkansatz in der Realität eines Marktes (der sich aus unzähligen verschiedenen subjektiven Wertvorstellungen zusammensetzt), allein aus dem Verhalten eines Gesamtmarktes heraus zu messen. Doch wenn es so einfach wäre, dann gäbe es keine Übertreibungen und Überraschungen mehr – dann wäre der Markt zu immerwährender Balance verdammt

So long liebe Leser…ich hoffe ich habe Sie mit dem heutigen Beitrag nicht gelangweilt, da wir uns eine geraume Zeit mit Herrn Gossens Gesetzen beschäftigt haben, wollte ich zum Abschluss der Gossenschen Regeln meinen persönlichen Senf dazu geben, oder anders gesagt, auf einige weitere Überlegungen aufmerksam machen….damit wollen wir die Gossenschen Gesetze hinter uns lassen und uns in der kommenden Woche den nachfolgenden Neoklassikern zuwenden.