Value Investing: Wertorientierter Investmentstil

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Preiswert einkaufen und teuer verkaufen – das ist das Ziel an der Börse. Das Problem: Dieses Ziel verfolgen alle Marktteilnehmer. Die Lösung: Eine Strategie, mit der man weder ständig der Masse folgt noch ständig gegen sie wettet. Eine Strategie, die auf die fundamentale Analyse von Aktien setzt. Eine Strategie, die dabei hilft, Unternehmenswerte realistisch einzuschätzen und Kauf- und Verkaufsgelegenheiten an der Börse rechtzeitig zu erkennen.

Eine Strategie, die Ihnen einen praktikablen Leitfaden an die Hand gibt, damit Sie sich nicht vom hektischen Tagesgeschehen an der Börse wirr machen lassen, sondern langfristig handeln. Eine Strategie, die darauf baut, dass Sie sich gezielt wertvolle Aktien ins Depot legen. Diese Strategie nennt sich Value Investing.

Warum ist Value Investing so erfolgreich?

Das Besondere an dieser Strategie: Es geht hier nicht in erster Linie um eine ausgewogene Depotmischung. Sondern jedes Investment zählt. Jede Aktie soll im Idealfall gut ausgewählt und langfristig gewinnbringend sein. Dieses Prinzip klingt fast zu einfach, um wahr zu sein. Aber es funktioniert, wie einer der genialsten Investoren unserer Zeit seit Jahrzehnten beweist: Warren Buffet setzt mit seiner börsennotierten Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway Value Investing um.

Buffets Credo lautet: Suche solide unterbewertete Unternehmen, deren Gewinnaussichten aussichtsreich sind und deren Geschäftsmodell Du verstehst. Warte. Und wenn Du verkaufst, verkaufe teuer.

Kennzahlenkunde für Ihren Börsenerfolg

Wir geben Ihnen die Grundausstattung an Wissen an die Hand, mit der Sie als Value Investor starten können. Zu den benötigten Werkzeugen gehört nicht nur ein profundes Maß an Wissen über die Marktmechanismen, sondern auch über die wichtigsten Kennzahlen. Die verraten Ihnen, wie preiswert oder teuer eine Aktie wirklich ist.

Begriffe wie Ertragswachstum, Umsatzentwicklung, Gewinne und andere Bilanz-Parameter von börsennotierten Firmen werden Ihnen nähergebracht und ihre Bedeutung mit Leben gefüllt. Da sich der Wert eines Unternehmens nicht nur aus harten Faktoren wie Lagerbestand, Barmittel, Krediten und laufenden Kosten zusammensetzt, lernen Sie auch, weiche Faktoren wie Innovationsfreudigkeit und Qualität des Managements in die Bewertung einzubeziehen.

Fundamentalanalyse: Authentischer Value Stil

Anhänger des Value-Gedanken besinnen sich auf den Erfinder des Value Investings und heben sich mit dem authentischen Value Stil ab. Benjamin Graham gilt als Begründer der fundamentalen Wertpapieranalyse, auf dem der Value-Ansatz beruht.

Zusammen mit David Dodd publizierte er im Jahr 1934 das Buch „Security Analysis“ (deutsch: Wertpapieranalyse). Unter Value-Anhängern gilt es bis heute als heilige Schrift. Im Jahr 1949 veröffentlichte Graham das Buch „The Intelligent Investor“, welches Warren Buffet als das beste Buch bezeichnete, was je für Anleger geschrieben wurde.

Graham lehrte an der Columbia University in New York, wo unter anderem Warren Buffet zu seinen Studenten zählte. Benjamin Graham, David Dodd und die Columbia Business School gelten als Geburtsstätte des Value Investings. Anhänger von Graham/Dodd und der an der Columbia University vertretenen Sichtweise des Value Investing bezeichnen sich als authentische Value-Investoren.

Menschen nehmen die jüngere Vergangenheit als Schätzer für die Zukunft – ein Fehler

Der authentische Value-Stil zeichnet sich durch drei Merkmale aus. Das erste Kriterium ist der Unterschied zwischen Wert und Preis. Warren Buffet brachte dies auf die Formel „price ist what you pay, value is what you get“. Zu Deutsch: Der Preis ist dass, was man bezahlt, Value, ist das, was man bekommt. Value-Anleger suchen nach Aktien, deren aktueller Kurs unter ihrem realen Wert liegt. Dieser heißt innerer Wert. Dies scheint keine Neuerung gegenüber dem zu sein, was man mit der „normalen“ Fundamentalanalyse zu bezwecken versucht. Das Bestreben ist unterbewertete Aktien zu identifizieren.

Value-Investoren gehen bei der Ermittlung des inneren Wertes anders vor. Sie greifen auf verhaltenstheoretische Erkenntnisse zurück. Menschen neigen dazu, die jüngere Vergangenheit höher zu gewichten, als die weiter zurückliegende Historie. Die neuesten Entwicklungen werden in die Zukunft hochgerechnet.

Glamour als das wirkliche Gegenteil zu Growth

Unternehmen, die in den letzten ein oder zwei Jahren durch hohe Gewinnzuwächse aufgefallen sind, traut man in den folgenden Jahren überdurchschnittliche Steigerungsraten zu. Diese interessanten Perspektiven locken Investoren an. Dabei verzerrt man die Preisbildung dieser Aktien. Es besteht die Gefahr der Überbewertung. Diese Gruppe von Aktien bezeichnen Value-Investoren als Glamour-Aktien. Aus deren Sicht ist es das eigentliche Gegenteil zu Value, nicht Growth.

Abseits der Glamour-Aktien bildet sich eine Gruppe von weniger beachteten Unternehmen, die akut mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Das breite Anlegerpublikum beachtet sie nicht, so dass sich aus Sicht der Value-Investoren Möglichkeiten ergeben.

Das Glamour-Phänomen und die Überbewertung vollzogen sich zu Zeiten der Internetblase. Value-Investoren hielten sich bei diesen Titeln zurück und gerieten ins Hintertreffen, weil die Blase eine ausgedehnte Lebensdauer hatte. Umgekehrt findet die Hochrechnung der Vergangenheit auch in Schwächephasen statt. Man sieht Perspektiven in Krisenzeiten übertrieben skeptisch. Es entstehen Übertreibungen nach unten, die für Value-Investoren häufig die beste Gelegenheit darstellen.

Kennzahlen des Value Investings

Value-Anleger folgen bei der Ermittlung des inneren Wertes dem von Benjamin Graham geprägten Schema der Columbia University. Diese beginnt mit dem Buchwert, was aus der Sicht der Value-Anhänger der verlässlichste Faktor ihrer Bewertung ist. Diesen liest man nicht aus der Bilanz ab. Vielmehr prüft man jeden einzelnen Posten auf seine Werthaltigkeit hin. Auch den Wertansatz der Verbindlichkeiten untersuchen Value-Anleger. Zieht man vom so erhaltenen Vermögen die Verbindlichkeiten ab, erhält man den realen Wert des Eigenkapitals, was Value-Investoren als Buchwert bezeichnen.

Das Überprüfen der einzelnen Bilanzpositionen ist schnell dahingesagt, nimmt aber in der Praxis der Value-Analyse großen Raum ein. Im zweiten Schritt stellt man den Ertragswert des Unternehmens fest. Ohne Annahmen über das zukünftige Wachstum zu treffen, geht der Value-Investor der Frage nach, welchen Ertrag ein Unternehmen unter durchschnittlichen, zukünftigen Bedingungen erwirtschaftet. Man greift länger als bei anderen Stilen üblich auf die Daten der Vergangenheit zurück.

Ertragswert – Barwert des normalisierten Gewinns ohne Annahme von Wachstum

Die Ermittlung einer durchschnittlichen Ertragskraft steht im Mittelpunkt und unterscheidet sich von den herkömmlichen Ansätzen, die sich primär auf das Gewinnpotenzial des laufenden oder des Folgejahres konzentrieren. Aus dem normalisierten Ertrag errechnet sich der Ertragswert, in dem man durch die Kapitalkosten teilt.

Diese Formel ist eine alte Bekannte. Sie entspricht der einfachsten Variante des Dividendendiskontierungsmodells. Dritte Komponente der Wertfindung ist das Wachstum. Diese unsicherste von allen berücksichtigt man, wenn die Wachstumsannahmen strengen Kriterien Stand halten. Es geht um Markteintrittsbarrieren, die die Ertragskraft sichern.

„Don’t lose money“ – der Sicherheitsabschlag

Von dem so ermittelten inneren Wert nimmt der Value-Anleger einen Sicherheitsabschlag vor, die Margin of Safety. Sie soll gewährleisten, dass trotz sorgfältiger Analyse unvorhergesehen Änderungen des Umfeldes, die die Ertragskraft negativ beeinträchtigen, das potenzielle Investment nicht zu Verlusten führt. Die Vermeidung von Verlusten ist eines der zentralen Ziele des Value-Gedankens.

An Nummer 1 der Investmentregeln von Warren Buffet steht der Ausspruch „don’t lose money“. Diese Marge betrug bei Graham ursprünglich ca. 40 %. Letztlich entscheidet jeder Value-Investor selber über ihre Höhe. Sie liegt bei allen mindestens bei 20 %. Im Gegensatz dazu sprechen herkömmliche Analyseverfahren schon bei 15 % Unterbewertung von einer Kaufgelegenheit. Zudem konzentriert sich der Value-Ansatz auf die absolute Unterbewertung und nicht auf relative. Ein Engagement in Aktie, die 25 % günstiger bewertet wird als der Branchendurchschnitt muss kein lohnendes Investment sein, wenn man nicht ausschließen kann, dass der Sektor um 25 % überbewertet ist.

Zudem lehnen Value-Investoren das populäre DCF-Verfahren ab, weil die weit in der Zukunft liegenden Cash Flows, die mit extremer Unsicherheit behaftet sind, den mit Abstand größten Teil des mit dem Verfahren ermittelten fairen Werts beitragen.

Erweiterung des Value-Ansatzes um qualitative Faktoren

Diese ursprünglich von Graham ins Leben gerufene Ermittlungsweise erweiterte man in den letzten Jahrzehnten sukzessive um qualitative Faktoren. Sie basiert quantitativ auf Zahlen des Unternehmens. Warren Buffet gibt man als wichtiger Vertreter an. Qualitative Faktoren umfassen eine Analyse des Marktes, beispielsweise Markteintrittsbarrieren, Wettbewerbsvorteile bzw. Wettbewerbssituation, Kunden- und Lieferantenstrukturen, Preissetzungsmacht sowie Qualität der Produkte und des Managements. Die Value-Ideen kombiniert man mit anderen Ansätzen, sofern sie dem Value-Gedanken nicht widersprechen.

Warum sich der Stil trotz Erfolg in der Breite nicht durchsetzt

Die authentischen Value-Investoren preisen den von ihnen verfolgten Stil als den erfolgversprechendsten an und führen viele Untersuchungen an, die dies belegen. Dennoch ist diese Investorengruppe in der Gesamtheit aller Anleger sehr klein. Wie kann das sein, wo der Stil so erfolgreich sein soll?

Eine Erklärung ist die Fokussierung auf längere Anlagehorizonte. Haltedauern der Investments liegen nicht selten bei drei oder fünf Jahren. Wenn zu Beginn eines Engagements die Kursentwicklung nicht in die gewünschte Richtung verläuft, halten sie an der Aktie fest, sofern der ermittelte innere Wert noch Bestand hat. Vielen privaten Anlegern fehlt dieses Durchhaltevermögen. Es ist ein schneller Erfolg gewünscht. Bei anfänglichen Verlusten wird durch die Extrapolation der jüngeren Vergangenheit in die Zukunft die Chancen als unterdurchschnittlich angesehen und die Position verkauft.

Bei professionellen Anlegern steht die starke Fokussierung auf den 31.12. häufig dem Value-Ansatz im Weg. Die Leistung von Fondsmanagern wird an der Wertentwicklung eines Jahres beurteilt. Selten ist die Bereitschaft gegeben, einem Investment zwei, drei oder mehr Jahre Zeit zu geben, bis es Früchte trägt.

Value Investing als Inflationsschutz

Grundsätzlich haben alle Anleger dasselbe Ziel: Die Geldvermehrung. Oder zumindest den Werterhalt ihres Vermögens. Genauso haben alle Anleger denselben heimtückischen Gegner: Die Inflation.

Damit einhergehend den Wertverfall ihres Vermögens, gemessen an der Kaufkraft. Value Investoren schenken diesem Gegner Aufmerksamkeit. Ziel des Value Investings ist es, Werte ins Depot zu nehmen, die auch unter Berücksichtigung der Inflation langfristig und nachhaltig einen Wertzuwachs erzielen. Das ist leichter gesagt als getan.

Durchschnittliche europäische Inflationsrate: 2,7 Prozent

Dazu ein Rechenexempel: Die durchschnittliche Inflationsrate in der Europäischen Union lag in den vergangenen Jahren im niedrigen einstelligen Bereich. National gibt es natürlich Unterschiede. Irland gehörte mit über einem Prozent Inflation und teilweise mit deflationären Tendenzen in den vergangenen Jahren zu den Ländern mit den stabilsten Preisen.

Nehmen wir als Beispiel den Schnitt von europaweit 2,7 Prozent an. Das ist der Durchschnitt der Inflationsrate in der Eurozone für das Jahr 2011. Das klingt nicht nach viel und ist weit entfernt von den zweistelligen Inflationsraten, die man aus Ländern jenseits des Euro kennt.

Wer sparsam ist, vernichtet sein Kapital

Auch die moderaten Teuerungsraten in den Ländern zwischen Atlantik und Ägäis haben es in sich. 2,7% Inflation bedeuten, dass ein 30.000 Euro teures Auto in fünf Jahren mehr als 34.000 Euro kostet. Oder umgekehrt: 100.000 Euro von heute sind in 20 Jahren an vergleichbarer Kaufkraft nur 59.000 Euro wert. Grausam aber wahr: Wer sparsam ist und sein Vermögen nur unters Kopfkissen legt, vernichtet sein Kapital.

Auch wer auf Geldvermehrung setzt, kann Kaufkraft vernichten. Dazu reicht es, zum falschen Zeitpunkt festverzinsliche Wertpapiere zu kaufen. Zum Beispiel Bundesanleihen, die in diesem Beispiel eine Rendite von 3 Prozent bieten. Vor Steuern gleichen diese Papiere bei einer Laufzeit von 10 Jahren nicht die oben erwähnten 2,7 Prozent Inflation aus. Anleihen bieten keinen Zinszinseffekt. Die ausgeschütteten Zinsen müssten immer wieder neu investiert werden. Selbst dann wären die Papiere auf lange Sicht in diesem Beispiel ein schlechtes Geschäft.

Der Wert des Geldes schwindet im Laufe der Zeit

Der Grund für den allmählichen Wertverfall von Geld liegt darin begründet, dass die staatlichen Zentralbanken Geldscheine drucken, ohne die Menge des Geldes an reale Werte wie zum Beispiel Gold koppeln zu müssen. Der Vorteil dieser Entkoppelung ist verlockend: Läuft die Konjunktur nicht gut, kann die jeweilige Regierung ihr mit Hilfe der Druckerpresse einen Schub verpassen.

Ben Bernanke, der am 1. Februar 2006 die Nachfolge von Alan Greenspan als Chef der Federal Reserve (Fed) antrat, brachte die Idee auf den Punkt. Er schlug halb scherzhaft vor, „frisch gedruckte Dollarnoten aus dem Helikopter zu werfen“, falls es die konjunkturelle Lage erfordere. „Helikopter-Ben“, wie er seitdem genannt wird, klammerte in diesem Zusammenhang einen Schatten-Aspekt dieser Vorgehensweise bewusst aus: Steigt die Geldmenge, steigen irgendwann auch die Preise. Die Folge ist eine zunehmende Inflation.

Vorteil für die Regierung: Langfristige Kredite lassen sich in der Zukunft mit billigem Geld bezahlen. Nachteil für die Gläubiger: Sie bekommen ihr Geld zwar mit Zinsen zurück, im schlimmsten Fall frisst die Inflation die Gewinne aber auf.

Value Investing: Investieren statt sparen

Leider stellen sich viel zu wenige Anleger die Frage, wie sie dieser Art der Enteignung entgehen können. Sie parken ihr Geld in vermeintlich sicheren Anlagen. Auf deutschen Sparbüchern lagen Ende 2012 rund zwei Billionen Euro – verzinst mit 1% bis 2%. Das liegt unterhalb der Inflationsrate.

Mit anderen Worten: Viele Deutsche sparen sich arm, weil sie den aktuellen Wert ihres Geldes nicht ins richtige Verhältnis zu seinem Wert in der Zukunft setzen. Anlageprofis nennen das Ergebnis dieser Rechnung neudeutsch „Time value of Money“.

Drei fundamentale Erkenntnisse

  • Erstens: Das Geld von heute ist morgen weniger wert.
  • Zweitens: Kapital kann vermehrt werden durch Investitionen, die einen Ertrag erzielen. Dazu zählen Kursteigerungen, Dividenden, Mieteinnahmen oder ähnliches.
  • Drittens: Einnahmen in der Zukunft sind mit einem Risiko behaftet. Zahlungen können höher oder tiefer ausfallen. Kurse können sinken statt steigen oder eine Investition führt im schlechtesten Fall zu einem Totalverlust.

In der Regel gilt: Je geringer das Risiko, desto geringer sind die zu erwartenden Erträge. Die Kunst der richtigen – passenden – Anlage besteht darin, sein Geld so anzulegen, dass es möglichst deutlich mehr Rendite erwirtschaftet als die Inflationsrate real vernichten kann. Und das zu einem vertretbaren Risiko.

Value Investing setzen auf kleines Risiko

Her kommen Value-Aktien ins Spiel. Value Investoren scheuen das Risiko. Sie verlassen sich nicht allein auf Chartanalyse. Sie schauen nicht nur auf die Kursentwicklung von Aktien und hoffen auf entsprechende Kurssteigerungen. Sondern sie sehen sich das Marktumfeld und die Geschäftsentwicklung von Unternehmen an. Wenn Unternehmen solide Gewinne machen, werden die Dividenden und Aktienkursgewinne entsprechend ausfallen.

In den Firmen, die sich Value Investoren ansehen, müssen das Geschäftsmodell, die Gewinnentwicklung und die Rendite stimmen. Und das mit Blick auf die Inflation unter folgender Voraussetzung: Die Ausgaben und Einnahmen der Value Investing-Unternehmen sind im Idealfall inflationsneutral. Steigende Preise für Dienstleitungen und Grundstoffe, die das Unternehmen einkauft, muss es dadurch egalisieren, dass es die Preise für eigene Dienstleistungen oder Waren anhebt, ohne Marktanteile zu verlieren.

Inflation: Für manche Branchen gut, für manche schlecht

Je mehr Wettbewerb in einer Branche herrscht, desto schwerer ist es für die Unternehmen, höhere Erzeugerkosten an ihre Kunden weiterzugeben. Fazit: Inflationsdruck kann für stark kompetitive Branchen mit hohem Kostenanteil für Grundstoffe ein Problem bedeuten.

Umgekehrt bedeutet dies auch, dass Unternehmen, die eine Branche stark dominieren und Grundstoffe für ihre Produktion verwenden, weniger stark von Preisschwankungen betroffen sind. Sie profitieren gerade dann, wenn die Inflation anzieht.

Value Investing: Schulden eines Unternehmens

Mehrere Faktoren können eine steigende Inflation auslösen. Die Prozesse laufen nicht im Gleichklang. Im Wesentlichen gibt es zwei wichtige Inflationstreiber: Steigende Preise und steigende Zinsen. Beide Faktoren entwickeln sich in der Regel nicht im Gleichklang, sondern zeitversetzt. Inflation vernichtet zwar Kaufkraft, doch für Sparer hatten steigende Zinsen den Vorteil, dass sie mehr für ihre Anlagen bekamen. So fingen Sie eine Preis-Inflation ab.

Die alten Regeln sind im Moment etwas aufgeweicht. Und zwar zu Ungunsten aller Sparer und Konsumenten. In Zeiten der Finanzkrise seit dem Jahr 2008 haben sich Zinsen und Preise entgegengesetzt entwickelt: Während die Preisspirale sich schneller dreht, sinken die Zinsen. Für die meisten Zins-Sparer ist das eine fatale Entwicklung.

Preise steigen – Zinsen bleiben niedrig

Es bedeutet eine schleichende Enteignung, wenn die Preise für Konsum, Lebenshaltung, Güter und Wertanlagen steigen, das Geld aber nur niedrig verzinst unterhalb der Inflationsmarke angelegt werden kann.

Die Lösung des Problems: Value Investing. Investitionen in langfristig solide Unternehmen, die von diesem Szenario profitieren. Das sind Unternehmen, die keine hohen langfristigen Verbindlichkeiten zu ungünstigen Konditionen haben. Sondern, dass sie das aktuell niedrige Zinsniveau für neue gewinnbringende Investitionen und/oder eine allmähliche Ablösung älterer Verbindlichkeiten durch neuere, billigere Kredite nutzen.

Value Investing: Schulden können auch gut sein

Prinzipiell gilt: Wenn durch neue Schulden Investitionen angeschoben werden, die mehr Umsatz und einen höheren Gewinn generieren, sind Schulden gut. Wenn nach Abzug der durch die Kreditaufnahme höheren Zinskosten unter dem Strich mehr Gewinn übrigbleibt, dann erfüllen Schulden ihren Zweck. Je niedriger die Zinskosten sind, desto besser ist das.

Beispiel für Value Investing: Coca-Cola Aktien

Ein Parade-Beispiel für Value Investing sind Coca-Cola Aktien. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Warren Buffet, weltgrößter Value-Investor, auf Coca-Cola als Investment schwört. Seine Firma Berkshire Hathaway hält acht Prozent am weltgrößten und profitabelsten Brausehersteller der Welt.

Der Erfolg der Softdrink-Marke trägt ihren Teil zum Erfolg der Berkshire Hathaway-Aktie bei. Allein in den zurückliegenden 20 Jahren ist der Kurs der Coca-Cola-Aktie um rund 300 Prozent gestiegen. Dividenden sind nicht eingerechnet.

Entwicklung der Coca-Cola-Aktie der letzten vier Jahren

Die Entwicklung des Aktienkurses ist das Ergebnis solider Firmenpolitik und über Jahrzehnte hinweg hoher Umsatzrenditen. Zuletzt machte Coca-Cola pro umgesetzten US-Dollar 33 Cent Gewinn. Damit ist es das profitabelste Großunternehmen der Welt.

Coca Cola: Zwei wichtige Grundstoffe

Es gibt eine Menge Gründe dafür, warum Coca-Cola so profitabel arbeitet. Ein Grund: Die Kosten für den wichtigsten Grundstoff der Produkte, Wasser, hält Coca-Cola seit Jahrzehnten stabil – durch entsprechende Zugriffsrechte auf Wasserressourcen weltweit.

Das Thema Inflation spielt kaum eine Rolle. Auch die Preise für den zweitwichtigsten Grundstoff, Zucker, haben mit Inflation wenig zu tun. Der Zuckerpreis hat sich in den vergangenen 50 Jahren nur in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bewegt. Inflationsbereinigt kostet Zucker heute trotz der jüngsten Preissteigerungen weniger als vor 40 Jahren.

Sind neue Schulden zur Ankurbelung der eigenen Geschäftstätigkeit gut oder schlecht? Die Eigenkapitalquote liegt bei Coca-Cola Ende 2011 bei rund 40 Prozent, der Verschuldungsgrad bei 150 Prozent. Im Jahr 2006 lag der Verschuldungsgrad bei 77 Prozent. Coca-Cola hat die Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre genutzt und seine Schulden innerhalb von 5 Jahren verdoppelt, um zu investieren.

Gesamtkapitalrendite spielt neben Schulden auch eine Rolle

Der Erfolg: Coca-Cola verdoppelte von 2006 bis 2011 seine Umsatzerlöse. Das klingt zunächst gut. Doch Value Investoren lassen sich nicht blenden. Sie schauen sich auch andere Kennzahlen an. Zum Beispiel die Gesamtkapitalrendite. Der englische Fachbegriff dafür lautet Return on Investment (ROI). Die Gesamtkapitalrendite gibt Auskunft darüber, welche Rendite das eingesetzte Gesamtkapital erwirtschaftet hat – sowohl das Eigenkapital als auch das Fremdkapital.

Da zeigt sich in diesem Beispiel Erstaunliches: Die Gesamtkapitalrendite von Coca-Cola ist von 17,7 Prozent im Jahr 2006 auf 11,2 Prozent im Jahr 2011 zurückgegangen. In den Ohren von Value Investoren sind 11,2 Prozent Gesamtkapitalrendite üppig und kein Grund, die Aktie abzustoßen. Grundsätzlich sollten Anleger solche Kennzahlen im Auge behalten. Verfestigen sich solche Trends über einen längeren Zeitraum, können Schulden zum Problem werden. Spätestens dann, wenn die Zinsen steigen.

Darauf sollten Sie bei der Bewertung von Value Investing-Unternehmen achten:

  • Je niedriger der Verschuldungsgrad eines Unternehmens, umso besser
  • Steigt der Verschuldungsgrad, sollten Umsatzerlöse und Gesamtkapitalrendite mittelfristig spürbar steigen
  • Die Gewinnentwicklung eines Unternehmens sollte langfristig im Durchschnitt die Inflationsrate übertreffen
  • Je unabhängiger die Herstellungskosten für Produkte von inflationären Entwicklungen sind, umso besser
  • Das Branchen- und Konkurrenzumfeld sollte es zulassen, Preissteigerungen an Kunden weitergeben zu können

Investing vs. Growth-Investing

Value Investing ist eine überzeugende Herangehensweise. Aber nicht die einzig mögliche. Zum Vergleich sei beispielsweise das Growth-Investing genannt. Growth bedeutet Wachstum. Growth-Investoren setzen auf Aktien von Unternehmen, von denen sie in Zukunft erwarten, dass deren Umsätze und Gewinne stark steigen.

Growth-Manager achten darauf, ob und in welchem Umfang Umsätze oder Gewinne der von ihnen untersuchten Unternehmen steigen. Dabei nehmen sie die aktuelle Entwicklung zusammen mit den Zukunftsaussichten des jeweiligen Unternehmens als Bewertungsmaßstab für eine Prognose.

Value-Investoren hoffen darauf, dass der Markt die in der Vergangenheit entstandene Unterbewertung eines Unternehmens erkennt und der Kurs nachträglich auf den fairen Wert steigt. Growth-Manager setzen auf deutliche Steigerungen des Umsatzes und Gewinns. Und damit auch des Börsenwertes – in der Zukunft.

Verkürzt kann man sagen: Value-Manager betrachten bereits Erreichtes, Growth-Manager hoffen auf die Zukunft. Der Growth-Ansatz ist dabei spekulativer.

Wie wirken sich die Strategien auf die Wertentwicklung von Aktiendepots aus?

Growth-Portfolios sind größeren Schwankungen unterworfen als Value-Depots. Der Grund liegt darin, dass Wachstumsaktien im Verhältnis zu ihrem Gewinn erfahrungsgemäß zu höheren Preisen gehandelt werden als Substanztitel. Warum ist das so? Die Antwort darauf liegt im Bewertungshorizont der Growth-Anleger: Aktuelle Gewinne gewichten sie weniger wichtig. Es zählt mehr die Zukunft, die Perspektive. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) spielt deshalb bei der Bewertung für Growth-Investoren eine geringere Rolle. Sie nehmen geringe Unternehmensgewinne aussichtsreicher Unternehmen in Kauf und erwarten, dass deren Gewinn ansteigt.

Diese Annahmen sind oft spekulativer Natur, können aber Berechtigung haben: Steigt der Gewinn tatsächlich, sinkt das KGV unter Umständen deutlich. Das Unternehmen rückt auch für konservativere Anleger in den Fokus ihrer Anlageüberlegungen. Das kann den Kurs in der Folge schnell nach oben treiben. Auf eine solche Entwicklung spekulieren Growth-Investoren. Manchmal werden sie für ihren Mut zum Risiko überproportional belohnt.

Value-Investoren dagegen ist diese Art der Spekulation fremd. Sie setzen allein auf die Substanz eines Unternehmens.