Ölpreise haben Aufwärtspotenzial
Die Ölpreise starteten freundlich in die neue Woche, nachdem die OPEC+ erklärt hatte ihre Förderkürzungen weiter beizubehalten. Dabei findet der stetige Abbau der globalen Ölvorräte in diesem Jahr in den Ölpreisen noch immer keine Beachtung, ist aber brisant, da es kein nennenswertes Wachstum der weltweiten Versorgung mit flüssigen Brennstoffen gab. Der Abbau der Lagerbestände kann aktuell die Versorgungsengpässe eine Zeit lang ausgleichen, doch rückläufige Vorräte bei zugleich niedrigen Preisen sind in Rohstoffmärkten keine gute Kombination, wenn es darum geht künftige Defizite zu vermeiden.
US-Energieministerium: Aus leeren Lagerbeständen sollen plötzlich volle werden
Quelle: EIA; US-Energieministerium
Das EIA (US-Energieministerium) prognostiziert für das kommende Jahr eine Flut von neuen Angebotszuwächsen, die das anhaltende Nachfragewachstum decken und das derzeitige Angebotsdefizit in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres in einen Angebotsüberschuss verwandeln sollen. Dies ist das Hauptargument, das für das rückläufige Ölpreisszenario spricht. Sollte dieses Szenario nicht eintreten und das Angebotsdefizit bis 2025 bestehen bleiben, wird der Ölpreis mit hoher Wahrscheinlichkeit und dann sprunghaft in die Höhe schnellen.
Nun ist die Frage wie es weitergeht: Das Szenario der EIA impliziert, dass eine aggressivere Förderung der Einführung von Elektrofahrzeugen, die Verwendung von Flüssiggas im Schwerlastverkehr anstelle von Diesel usw. geschehen muss. Alternativ würde die EIA-Prognose auch eine deutliche Reduktion der Nachfrage implizieren, die dann aller-dings auf einen massiven Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums hindeuten würde. Mit anderen Worten: Die EIA sieht entweder rabenschwarz für die globale (und da-mit auch für die US-) Konjunktur, oder sie prognostiziert einen extremen Anstieg der Investitionen in Elektrofahrzeuge (in den USA). Ansonsten lässt sich nicht rechtfertigen, weshalb sich die diesjährige Angebotsverknappung mit dem aktuellen Abbau der Ölvorräte urplötzlich in eine Angebotsschwemme in 2025 verwandeln soll.
Aktuelles Angebotsdefizit im Ölmarkt
Die einzige Tatsache, über die sich alle drei wichtigen Institutionen im Ölmarkt (EIA, IEA und OPEC+) einig sind, ist, dass wir im laufenden Jahr ein Angebotsdefizit haben. Denn dieses IST eine Tatsache.
Die niedrigste Prognose für die Angebotslücke ist derzeit die der IEA, die von weniger als 1 mb/d ausgeht. Es bedürfte allerdings auch hier der optimistischsten Schätzungen des Angebotswachstums sowie eines stagnierenden Nachfragewachstums im nächsten Jahr, um diese Lücke in 2025 zu schließen.
Fazit: Ölpreis hat Aufwärtspotenzial
Obwohl sich alle drei Institutionen einig sind, dass wir aktuell ein Angebotsdefizit im Ölmarkt haben, sind die Rohölpreise ungeachtet der Uneinigkeit über das tatsächliche Ausmaß im bisherigen Jahresverlauf um über 18 % gesunken.
Der Markt scheint sich also nur auf die Prognosen für das nächste Jahr zu konzentrieren und dabei vor allem auf die pessimistischeren Varianten. Allerdings täte Mr. Market gut daran, die wachsende Kluft zwischen den drei Institutionen sowie einige fragwürdige Details nicht zu ignorieren. Denn irgendwann muss man die harten Fakten einpreisen, ungeachtet dessen, was Institutionen prognostizieren – und dann müsste es zu einem deutlichen Ölpreisanstieg kommen.