EZB-Zinsschritt: Das sind die Auswirkungen auf Sie
Na geht doch: Auf ihrer gestrigen Zinssitzung nahm die Europäische Zentralbank den größten Zinsschritt ihrer Geschichte (+0,75 % auf einmal) vor. Es handelt sich immerhin um den größten einzelnen Zinsschritt seit der Euro-Einführung als Buchgeld im Jahr 1999.
EZB bearbeitet ein selbst verursachtes Problem
Ursache sind die beunruhigend hohe Inflation in der Eurozone und der dramatische Verlust an Glaubwürdigkeit (Wertverfall EUR/USD mehr als -15 % binnen eines Jahres) infolge einer schlichtweg falschen Geldpolitik. Die Zentralbank versucht jetzt verlorenen Boden wiedergutzumachen, indem sie große Zinsanhebungen vornimmt. Ob das gelingt, werden wir sehen.
Immerhin versucht die Zentralbank ein Problem zu lösen, das sie uns allen erst selbst eingebrockt hat. Im Zuge der Coronakrise erhöhte sie die Geldmenge durch völlig aus dem Ruder gelaufenen Anleihenkäufe um das Achtfache, während die Güterproduktion nicht einmal um einen Bruchteil zunahm.
Jeder Volkswirtschafts-Student Erstsemester hätte erkennen müssen, dass dies zu einer dramatischen Inflation führt. Anfang 2021 hatte ich in einer Ausgabe meines Börsendienstes Voigts Global Profits meine Leser genau davor gewarnt. Und genauso kam es.
Nur die EZB-Größen sahen das lange Zeit anders und redeten sich die Inflation einfach schön. Die anschließend immer weiter aus dem Ruder lief. Es ist sicher längst an der Zeit, über die Neubesetzung dieser Posten und über die Eignung von Frau Lagarde als EZB-Chefin zu diskutieren. Ich fürchte nur, wir werden noch eine Weile mit dem gegenwärtigen Personal leben müssen. Ich hoffe, die Kehrtwende in der EZB-Politik kommt nicht zu spät. Sonst wird aus der starken Inflation womöglich noch eine Hyperinflation. Aber zurück zum Zinsentscheid:
EZB-Zinsschritt: Das sind die Auswirkungen auf Sie
Der Leitzins (Hauptrefinanzierungszins) ist seit gestern von 0,50 Prozent auf 1,25 Prozent festgesetzt. Der Einlagensatz für die Banken erhöhte sich von 0,00 Prozent auf 0,75 Prozentpunkte.
Das heißt: Sie sollten in absehbarer Zeit wieder ein paar mickrige Zinsen für Ihr Erspartes bekommen. Leider viel zu wenig als Inflationsausgleich, doch immerhin wird Sparen wieder belohnt. Wenn überhaupt noch Geld übrigbleibt zum Sparen. Auch die Kapitaldecke der Banken kann wieder wachsen, wenn diese Gelder bei der EZB parken. Ein stabiles Bankensystem ist enorm wichtig bei der Pleitewelle, die in Europa aufgrund einer katastrophalen Energiepolitik zu erwarten ist.
Ob sich an der dramatischen Inflationsrate in der Eurozone (im August bei 9,1 Prozent!) allein durch die Zinserhöhung etwas ändern wird, wage ich zu bezweifeln. Das gelingt nur, wenn sich der Euro nennenswert erholen kann, da sich dann unsere Importe verbilligen würden. Davon sehe ich bis jetzt keine Anzeichen, aber es ist noch zu früh für eine abschließende Bewertung.
EZB wird pessimistisch für Wachstum und Inflation
Die EZB ist ja selbst skeptisch: „Der Preisdruck hat in der gesamten Wirtschaft weiterhin an Stärke und Breite gewonnen. Auf kurze Sicht könnte die Inflation zudem weiter anziehen“, heißt es im Statement zum Zinsentscheid. Der EZB-Mitarbeiterstab hat seine Inflationsprognosen deutlich angehoben und rechnet nun mit Inflationsraten von 8,1 Prozent im Jahr 2022, 5,5 Prozent im Jahr 2023 und 2,3 Prozent im Jahr 2024. Diese Prognosen haben sich noch nie erfüllt. Sie könnten ebenso gut Inflationsraten würfeln.
Natürlich hat die (gleichwohl notwendige!) Zinserhöhung die Nebenwirkung, die Konjunktur zu belasten. Ich würde dies jedoch als das kleinere Übel ansehen. Die EZB zum wirtschaftlichen Ausblick: „Für den weiteren Jahresverlauf und das erste Quartal 2023 wird mit einer wirtschaftlichen Stagnation gerechnet.“ Und weiter: „Sehr hohe Energiepreise schmälern die Kaufkraft der Menschen. Zudem wird die Wirtschaftstätigkeit nach wie vor durch Lieferengpässe gebremst, obgleich sich diese verringern. Darüber hinaus belastet die ungünstige geopolitische Situation, vor allem der ungerechtfertigte Angriff Russlands auf die Ukraine, das Unternehmer- und das Verbrauchervertrauen.“
EZB mit großer Zinskeule, Märkte dennoch unbeeindruckt
Und die Märkte? Die Märkte (Aktien, Gold, EUR/USD) reagierten mit einer erhöhten Volatilität auf den Zinsentscheid, bewegten sich letztlich aber nicht von der Stelle. Heute Vormittag scheint alles steigen zu wollen. Ob sich diese positive Tendenz in der kommenden Woche fortsetzen wird, werden wir sehen. Die übergeordneten (Abwärts-)Trends sind intakt. Ich bezweifle, dass ein Zinsentscheid allein das ändern wird.