Wie die EZB die Euro-Zinserhöhung wieder aushebelt
In meiner Analyse zum Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche erwähnte ich den erstaunlichen Umstand, dass die Zentralbank im Grunde ihr eigenes positives Inflations-Signal durch die Zinserhöhung bereits mit einer anderen Maßnahme wieder zunichte gemacht hat.
Was man auch am Wechselkurs EUR/USD eindrucksvoll sehen konnte. Der nach dem Zinsschritt eben nicht wie erwartet stieg, sondern fiel. Ein fallendes Wechselkursverhältnis EUR/USD heißt immer: der Euro wird weniger wert.
Wie die EZB die Euro-Zinserhöhung wieder aushebelt
Wieso dass denn nach einer EURO-Zinserhöhung? Ganz einfach: Weil es neben dem Zinsschritt noch eine andere Maßnahme gab, die die geldpolitische Straffung beim Euro komplett aushebeln könnte. Gas und Bremse gleichzeitig, würde man beim Autofahren sagen. Und das wäre zweifellos auch nicht gut für den Motor!
Im Detail sieht das so aus.
Die EZB stellte am Donnerstag ein neues Instrument vor, um ein zu starkes Auseinanderlaufen der Anleiherenditen in der Eurozone zu verhindern. Das Ding nennt sich (wie immer hochtrabend) “Instrument zur Absicherung der Transmission” der Geldpolitik (“Transmission Protection Instrument – TPI”).
Es dient dazu, eine Neuauflage der Eurokrise von 2012 zu verhindern. Auch damals liefen die Anleihenzinsen von hochverschuldeten Krisenstaaten wie Italien oder (damals auch) Griechenland aus dem Ruder.
Das Problem ist: wenn die Zinsen für diese Staaten zu hoch werden, können diese ihre Zinsen nicht mehr zahlen und es droht eine Staatspleite. Da die EZB massig Anleihen dieser Staaten in der Bilanz hat, hätte das die Euro-Pleite zur Folge. Was macht die EZB also jetzt?
EZB kauft jetzt wieder Anleihen – unbegrenzt!
Ganz einfach: Sie kauft munter weiterhin italienische, französische oder spanische Staatanaleihen, damit die Zinsen dort (trotz Leitzinsanhebung) im Rahmen bleiben. Und das, obwohl die Zentralbank gerade alle Anleihenkäufe beendet hate, um ein Vorgehen gegen die hohe Inflation zu simulieren.
Das Problem dabei ist: die geldpolitische Straffung durch die Leitzinserhöhung wird durch die gleichzeitige Ausweitung der Anleihenkäufe dieser Staaten wieder zunichte gemacht, da dies (Markt-)Zins-senkend wirkt.
Allerdings hat die EZB auch keine andere Wahl. Sobald eines der Südländer Probleme mit den Zinszahlungen bekäme, wäre das restliche bisschen Vertrauen in den Euro komplett im Eimer. Dann würde niemand mehr Staatsanleihen aus der EuroZone kaufen und die EZB und die Euro-Regierungen könnten mangels neuer Schulden sofort einpacken.
Die nächste Eurokrise wird aufgeschoben, aber nicht aufgehoben
Mit dem neuen TPI wird dieser Prozess zwar nicht aufgehoben, aber hinausgezögert. Der Euro wird noch weicher werden und die Zentralbank bekommt noch mehr Risiken (nämlich Schuldtitel der Südländer) in ihre Bilanz. Bis irgendwann trotzdem Feierabend ist.
Es scheint jedoch die Hoffnung zu existieren, dass das Spielchen wie seinerzeit in der letzten Eurokrise (damals stand der Euro immerhin um die 1,20 zum US-Dollar) noch ein paar Jährchen funktioniert und dass sich die Märkte erneut an der Nase herumführen lassen.
Nun, die Devisenmärkte tun dies nicht. Der Euro fiel sofort nach der TPI-Ankündigung. Bei den europäischen Aktienmärkten ist die Richtung noch nicht ganz klar. Auch der Goldpreis in Euro stieg deutlich – ein klarer Misstrauensbeweis gegen die gemeinschaftliche Weichwährung und ihre Hütchenspieler.