Orientierungslos
Zur Wochenmitte zeigt der DAX leichte Ermüdungserscheinungen und könnte unter seiner vielbeachtete 21-Tage-Linie zur Eröffnung rutschen – das erste Mal seit Mitte April. Damit entfernt sich der Index weiter von seinem letzten Rekordhoch bei 24.479 Punkten, das am vergangenen Donnerstag markiert wurde.
Nach einem rasanten Jahresstart mit zwischenzeitlich fast 23 % Plus scheint der deutsche Aktienmarkt nun eine Verschnaufpause einzulegen – und sucht nach einer neuen Richtung.
Auch Rückenwind aus den USA oder Asien bleibt heute früh aus. In Asien sorgten zwar Fortschritte im US-chinesischen Handelsdialog für gute Stimmung – die Kurse zogen dort teils an –, doch am deutschen Markt reicht das derzeit nicht, um neuen Schwung zu erzeugen. Die Anleger warten gespannt auf die US-Verbraucherpreisdaten, die am Nachmittag veröffentlicht werden und möglicherweise neue Hinweise auf die Zinspolitik der Fed liefern.
Unternehmensnachrichten & Einzelaktien – Zwischen Hoffnung und Realität
Apple steckt mitten im KI-Rampenlicht, doch statt Begeisterung gibt’s eher Stirnrunzeln. Die neue Siri-Version mit „Apple Intelligence“ lässt weiter auf sich warten. Zwar betont Apple, dass man keine halbgaren Produkte auf den Markt werfen wolle – aber die Konkurrenz schläft nicht. Analysten sehen die WWDC eher als Pflichtveranstaltung ohne echte Impulse. Immerhin: Die Apple-Aktie stabilisiert sich leicht um 0,6 %.
Tesla zeigt sich dagegen in bester Laune. +5,7 % am Vortag – die Anleger feiern das Comeback nach turbulentem Streit zwischen Elon Musk und Donald Trump.
Nike hüpft mit einem Plus von 3,2 % an die Spitze des Dow Jones. Grund: Positive Signale aus dem chinesischen Markt – zumindest ein Hauch von Hoffnung auf eine bessere Umsatzentwicklung. Von einer echten Trendwende will Analystin Sherman aber noch nicht sprechen.
Disney punktet mit Tradition: Konzernchef Bob Iger kündigt an, am klassischen TV-Geschäft festzuhalten. Eine klare Kante gegen den Streaming-Hype der Konkurrenz. Die Aktie legte daraufhin um 2,7 % zu.
T-Mobile US wird durch Wechselgerüchte um CEO Mike Sievert ein wenig ausgebremst, aber mit einem Minus von 0,4 % bleibt der Kurs erstaunlich gelassen.
Boeing lieferte im Mai 45 Jets aus – ein Zeichen von Stabilisierung? Der Markt reagiert mit einem Schulterzucken: –0,8 %.
Handelsgespräche, Zölle & Inflation im Fokus
In der Politik dreht sich alles um zwei große Themen: Handel und Inflation. In London verhandeln die USA und China über ein neues Rahmenabkommen – die Aussagen sind vielversprechend, doch handfeste Ergebnisse fehlen bisher. Trotzdem beflügelt allein der Optimismus die Märkte in Asien.
Chinas Börsen reagierten erfreut: Der CSI 300 legte um 1 % zu, der Hang Seng um 0,9 %. Hoffnung macht insbesondere eine mögliche Lockerung der US-Exportbeschränkungen für Chips – ein Riesenthema für Tech-Unternehmen in Asien.
Doch nicht alle sind in Partylaune: Ein US-Berufungsgericht hat entschieden, dass die Zölle aus Trumps Ära vorerst bestehen bleiben – das dämpft die Euphorie spürbar.
In den USA selbst richten sich heute alle Blicke auf die Verbraucherpreise. Steigen sie stärker als erwartet, könnte das die Fed zu einer restriktiveren Zinspolitik zwingen. Umgekehrt könnten moderate Werte neue Fantasie für Aktienkurse wecken – besonders für zinssensible Tech-Werte.
Fazit: Zwischen Abwarten und Aufbruch
Die Märkte stehen am Scheideweg: Auf der einen Seite gibt es Hoffnungen auf eine Entspannung zwischen den beiden Wirtschaftsriesen USA und China – auf der anderen Seite sorgen Zölle, Inflationsdaten und politische Unsicherheiten für Zurückhaltung.