EUR/USD Analyse: Erholung in den letzten Zügen?

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Die anstehende Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag wirft bereits ihre Schatten voraus. Der Markt spekuliert darauf, dass die EZB weitere Hinweise auf eine baldige Normalisierung ihrer Geldpolitik liefern wird. Etwa durch ein Zurückfahren ihres Anleihenkaufprogramm und/ oder einen Abschied von den negativen Zinsen.

Die Commerzbank etwa ist davon überzeugt, dass die Notenbank am Donnerstag ein Signal für einen schrittweisen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik geben wird. In der Art, dass der Hinweis, die Anleihenkäufe bei Bedarf wieder auszuweiten, gestrichen wird.

Inflationsrate in der Eurozone erfordert noch keine straffe Geldpolitik

Der Haken an der Sache: Die hierfür relevante Inflationsrate in der Eurozone ist immer noch zu niedrig, wie die jüngsten Eurostat-Daten zeigen. So lagen die Verbraucherpreise im Juni nur um 1,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Im Mai hatte die Rate noch 1,4 Prozent betragen. Das ist deutlich unterhalb der Zielrate der EZB von 2 Prozent.

Auch die Kerninflation ohne die volatilen Bereiche Energie und Lebensmittel lag im Juni lediglich bei 1,1 Prozent. Ohne Inflationsdruck fehlen die Argumente für eine Straffung der Geldpolitik. Zumal das Wachstum in der Eurozone zwar stabil, jedoch nicht wirklich kräftig ist. Zudem könnte eine gestraffte Geldpolitik bedeuten, dass die immer noch sehr hoch verschuldeten Südländer der Eurozone unter der steigenden Zinslast zusammenbrechen.

Starke Longpositionierung könnte bald zum Problem werden

Die EZB könnte daher erneut zögern, sich auf eine Straffung ihrer Geldpolitik festzulegen und weiter vage bleiben. Dies wiederum könnte zahlreiche Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischen, die sich bereits auf einen weiter steigenden Euro „eingeschossen“ haben. Die starke Longpositionierung der Anleger im Euro hat inzwischen Extremwerte erreicht, die als Kontraindikation dienen können.

Der Euro-Optix (ein bewährter Stimmungsindikator) erreichte in der vergangenen Woche einen Wert von 70. Er liegt damit nur knapp unter dem Stand vom Frühjahr 2014 von in der Spitze 74, als der Euro-Absturz von 1,40 auf 1,05 begann. Damals hatte eine trotz Abwärtstrend einhellig auf einen steigenden Euro positionierte Masse den Absturz ausgelöst. Heute sind die gleichen Voraussetzungen wieder gegeben.

Mit einem Unterschied: Damals bereitete die US-Notenbank ihrerseits den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik im Dollar vor (Tapering) und sorgte so für eine Flucht in den Greenback, was den Kapitalabfluss aus der Eurozone noch verstärkte. Aktuell stehen die Zeichen in den USA aber eher auf eine Verlangsamung des geldpolitischen Straffungskurses, weil die jüngsten Wirtschaftsdaten nicht mit den gestiegenen Erwartungen mithalten konnten.

EUR/USD an der Oberkante einer mehrjährigen Handelsspanne

EUR/USD pendelt seit zwei Jahren in einer Spanne zwischen 1,05 und 1,15 – kurze Fehlausbrüche nach beiden Seiten inbegriffen. Aktuell notiert das Währungspaar an der Obergrenze dieser Spanne. Ausbruchsversuche sind – wie bei Seitwärtsbewegungen üblich – weiterhin mit höchster Vorsicht zu genießen. Zumal die Schmerzgrenze der EZB auf dem aktuellen Niveau erreicht sein dürfte. Auch dem DAX macht diese zunehmend zu schaffen. Eine Euro-Korrektur würde bei diesem vermutlich wie ein Befreiungsschlag wirken.

EUR/USD Wochenchart: Wie weit reicht die Kraft?

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Fazit: Möglicherweise steht den zuletzt gefährlich zahlreichen neuen Euro-Fans am Devisenmarkt in Kürze eine herbe Enttäuschung bevor, wenn die EZB am Donnerstag nicht wie erwartet ihre Geldpolitik weiter verbal strafft. Die Folge wäre ein kräftiger Rücksetzer im EZUR/USD-Wechselkurs-Verhältnis.

Eine so starke Abwärtsbewegung wie 2014/15 erwarte ich jedoch trotz der kontraindikativ extremen Longpositionierung des Marktes nicht mehr, weil der Euro gemessen an seiner Kaufkraft ohnehin noch immer leicht unterbewertet ist. Ein Kursrückgang in Richtung 1,05 über mehrere Monate ist jedoch vorstellbar, weil dort die Unterkante der aktuellen Handelsspanne verläuft.

Ein Ausbruch über den Widerstand um 1,15 ist hingegen mit Vorsicht zu genießen. Eben, weil die Masse genau darauf spekuliert. Jeder weitere Euro-Anstieg hätte nach der starken Aufwertung der letzten Monate schädliche Auswirkungen vor allem auf den exportorientierten deutschen Aktienmarkt.