Europa, USA: Neue Zahlen zum transatlantischen Banken-Duell!

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Seit vielen Jahren stellen die US-Banken die Konkurrenz aus Europa regelmäßig in den Schatten. Bis dato war das eine ziemlich unerschütterliche Hackordnung. Doch 2022 hat sich das Gefälle zwischen den USA und Europa offenbar etwas geglättet, wie nun die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) berichtet.Warum der Gewinn der US-Banken 2022 eingebrochen ist

Demnach haben die großen US-Banken im letzten Jahr einen signifikanten Gewinnrückgang hinnehmen müssen. So fiel der kumulierte Nettogewinn der nach Bilanzsumme zehn größten US-Kredithäuser gegenüber dem Vorjahr um stattliche 24 Prozent.

EY führt das vor allem auf die Schwäche im Investment-Banking zurück. Hierüber helfen die Banken Unternehmen unter anderem bei Börsengängen, Übernahmen und Fusionen. Die US-Institute jedenfalls sind in diesem Geschäftsbereich wesentlich stärker vertreten als die europäischen Wettbewerber.

Doch der Markt ist im letzten Jahr eingebrochen. Schauen Sie: Allein das weltweite Geschäft mit Mergers & Acquisitions (Fusionen und Übernahmen, M&A) schrumpfte 2022 im Vergleich zu 2021 um 38 Prozent. Das war der stärkste jährliche Rückgang seit 2001.

Experten führen die Flaute vor allem auf die gestiegenen Zinsen, die konjunkturelle Verunsicherung und die geopolitischen Risiken zurück. Deshalb haben im letzten Jahr viele Firmen Investitionen in Fusionen oder Übernahmen gescheut. Aber auch der Markt für Börsengange war 2022 rückläufig.

Europas große Geldhäuser holen auf

Apropos Zinsen: Natürlich sind die höheren Leitzinsen für die Banken nicht nur ein Belastungsfaktor, sondern stärken vor allem das Kreditgeschäft. Und davon profitieren die europäischen Institute zumindest unterm Strich offenbar mehr – auch weil deren Abhängigkeit vom Investment-Bereich nicht so hoch ist.

Laut EY stieg der Gewinn von Europas zehn Top-Banken im letzten Jahr deshalb um 4 Prozent auf 72 Milliarden Euro. Der Profit-Abstand zwischen den USA und Europa hat sich 2022 also verringert – jedoch nur relativ minimal. Trotz des Gewinnrückgangs der großen US-Banken erzielten sie im vergangenen Jahr immer noch einen Überschuss von 140 Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie Europas Big Player.

Und auch bei der Profitabilität blieben die Amerikaner an der Spitze. So lag die Eigenkapitalrendite, also die Rendite aus dem eingesetzten Kapital, bei den US-Banken in 2022 bei 11,0 Prozent. Das ist zwar ein Rückgang von 4,3 Prozentpunkten. Die Europäer aber haben es trotz (leichtem) Anstieg nur auf 8,3 Prozent geschafft. Der Vorsprung der Amerikaner lag somit immer noch bei 2,7 Prozentpunkten.

Welche Bank verdiente am meisten?

An der Spitze aller untersuchten Banken thronte im letzten Jahr indes JPMorgan Chase. Dessen Konzernergebnis belief sich auf umgerechnet 35,3 Milliarden Euro. Klar: Das ist gigantisch – aber auch ein Rückgang um 22 Prozent.

Insgesamt schafften es laut EY sieben der zehn untersuchten US-Großbanken auf ein Konzernergebnis von mehr als zehn Milliarden Euro. Darunter: die Bank of America, Citi und Morgan Stanley. In Europa hingegen übertrafen nur zwei Institute die 10-Milliarden-Euro-Schwelle: die britische HSBC und die französische BNP Paribas.

Deutsche Bank mit starkem Nettogewinn

1] Bildquelle: Banking, Geldanlage und Beratung | Deutsche Bank (deutsche-bank.de)

Die einzige deutsche Bank in den europäischen Top 10 ist, Sie werden es schon ahnen, die Deutsche Bank[1]. Das Frankfurter Institut verdiente 2022 so viel wie seit 15 Jahren nicht mehr. Unterm Strich erzielte der Konzern einen Gewinn von mehr als fünf Milliarden Euro.

Der Deutschen Bank kam zugute, dass Konzernchef Christian Sewing das Investment-Banking in den letzten Jahren deutlich eingedampft hat. Entsprechend fiel der Ertragseinbruch bei Emissionen und Übernahmeberatungen nun weniger schwer ins Gewicht.

Gleichzeitig erwiesen sich die höheren Zinsen als vorteilhaft im Kreditgeschäft, aber auch im Handel mit Anleihen. Wenngleich die Frankfurter wegen der höheren Ausfallrisiken ihre Vorsorge im Kreditgeschäft deutlich nach oben schrauben mussten – um immerhin 138 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro.

So geht es laut EY weiter

Natürlich mussten auch die anderen Großbanken entsprechende Vorkehrungen treffen. Laut EY haben die Institute sowohl in den USA als auch in Europa Milliardensummen für die Risikovorsorge beiseitegelegt – in Erwartung einer möglicherweise tiefen Wirtschaftskrise.

Dennoch: „Aktuell zeichnet sich ab, dass sich die schlimmsten Befürchtungen in Bezug auf die konjunkturelle Entwicklung nicht bewahrheiten werden, so dass zwar mit einem Anstieg notleidender Kredite zu rechnen ist, der sich aber im Rahmen halten dürfte.“, betonte EY-Partner Thomas Griess laut Pressemitteilung.

Ohnehin erwartet die Beratungsgesellschaft, dass der Graben zwischen den USA und Europa wieder größer wird. So sei die schwache Gewinnentwicklung der US-Banken nur eine Momentaufnahme, konstatierte EY-Partner Robert Melnyk. „Wenn sich das Klima an den Kapitalmärkten bessert und das M&A- und IPO-Geschäft wieder in Schwung kommt, werden wir aller Voraussicht nach jenseits des Atlantiks wieder deutlich steigende Gewinne sehen.“

Mein Fazit für Sie

Nach Jahren der Durstrecke konnten die europäischen Großbanken die Kluft zu den US-Konkurrenten endlich verringern. Trotzdem bleibt der Vorsprung der Amerikaner gigantisch und könnte 2023 und darüber hinaus wieder größer werden.

Auf der anderen Seite sind Europas Top-10-Banken an der Börse zusammengerechnet mit 540 Milliarden Euro trotz kürzlich erfolgter Aufwärtsimpulse deutlich niedriger bewertet als die US-Wettbewerber, die kumuliert auf 1,3 Billionen Euro kommen (via EY).

Entsprechend sehen viele Analysten weiterhin Renditepotenzial für europäische Bank-Aktien. So liegt das durchschnittliche Kursziel zur Deutschen-Bank-Aktie rund 20 Prozent über dem Schlusskurs vom 8. März (via Marketscreener, Stand: 09.03.2023, 10:00 Uhr).

Interessant ist, dass gerade die großen US-Institute der Deutschen Bank teils erhebliche Kursgewinne zutrauen. So liegt das von Goldman Sachs publizierte Kursziel für die Dax-Aktie derzeit bei 19,40 Euro. Zum Vergleich: Am 8. März ging das Papier mit 11,64 Euro aus dem Handel.

Insbesondere die Deutsche Bank hat dank ihrer Umstrukturierung zuletzt sehr positive Zukunftssignale gesendet. Unterschätzen sollten Sie als Anleger die Europäer also nicht.