Volkswagen verlangt Schadenersatz von Ex-Chef Winterkorn

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Paukenschlag in Wolfsburg: Die Dieselaffäre geht noch einmal in eine neue Runde.

Der Konzern will von seinem früheren Vorstandschef Martin Winterkorn sowie vom ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler Schadenersatz verlangen. Dies gab Volkswagen am Freitag nach einer Sitzung des Aufsichtsrats bekannt, in der mögliche Regressansprüche erörtert worden waren. Es geht unter anderem um „aktienrechtliche Sorgfaltspflichtverletzungen“. Über die Höhe möglicher Schadenersatzzahlungen war zunächst nichts Näheres bekannt.

Schwerwiegende Versäumnisse

Eine den Konzern beratende Kanzlei hat in dieser Woche ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass sich Winterkorn und Stadler im Vorfeld des Bekanntwerdens des Dieselskandals schuldhaft verhalten haben könnten. Auch Verdachtsmomente gegen einzelne andere ehemalige Top-Manager des Konzerns erhärteten sich nach Einschätzung der Juristen.

Die Vorwürfe wiegen schwer. So soll es Stadler im Jahr 2016 versäumt haben, Untersuchungen an von Audi entwickelten Dieselmotoren zu veranlassen, um etwaige Softwaremanipulationen – die sich später herausstellten – frühzeitig aufzudecken. Auch gegen weitere Ex-Manager der VW-Tochtermarken Audi und Porsche werden in diesem Zusammenhang rechtliche Schritte geprüft.

Winterkorn stürzt über Dieselaffäre

Noch düsterer sieht es aus für den einst glänzenden Vorstandschef Winterkorn, der noch kurz zuvor für seine Erfolge gefeiert worden war und fest im Sattel zu sitzen schien. Wenige Monate vor Bekanntwerden der Dieselaffäre hatte er sich in internen Auseinandersetzungen durchsetzen können und schien geradezu unangreifbar an der Vorstandsspitze.

Doch im September 2015 flogen die massiven Manipulationen von Abgaswerten auf. Jahrelang hatte Volkswagen bei seinen Fahrzeugen Dieselmotoren verbaut, die im Straßenverkehr ein Vielfaches der Schadstoffe ausstoßen, als auf dem Prüfstand nachgewiesen werden konnte. Die Ingenieure hatten ein System eingebaut, das die Prüfsituation erkennen und den Verbrauch entsprechend herunterdrosseln konnte.

Langwierige Folgen für VW-Konzern

Der Skandal flog Volkswagen ziemlich um die Ohren. Der Aktienkurs rauschte in den Keller, über Jahre hinweg stellte sich das Unternehmen kostspieligen juristischen Auseinandersetzungen, die vor allem in den USA zu hohen Geldbußen und Entschädigungszahlungen führten. Das Image von Volkswagen war angeknackst, das des Dieselmotors nachhaltig ramponiert.

Bei den jetzt möglicherweise eingeforderten Schadenersatzzahlungen gegen Winterkorn geht es um ein pikantes Detail im Zeitablauf: Demnach wusste der Vorstandschef bereits im Juli von den durch die US-Behörden erhobenen Vorwürfen – versäumte es jedoch, umgehend und umfassend für Aufklärung und Transparenz zu sorgen oder die illegalen Abschaltvorrichtungen zu stoppen.

Öffentlichkeit und Aktionäre erfuhren erst Wochen später von dem Skandal. Gelungenes Krisenmanagement sieht anders aus. Strafrechtlich wird sich Winterkorn ebenfalls vor Gericht verantworten müssen, unter anderem wird ihm bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Auch Stadler wurde bereits strafrechtlich belangt, der Prozess läuft noch.

VW Aktie nähert sich Höchstwerten an

Volkswagen selbst hatte die Dieselaffäre für sich inzwischen weitgehend abgehakt: Neuer Chef, neue Konzernstruktur, das Abräumen juristischer und finanzieller Altlasten durch die Dieselaffäre, insbesondere durch Vergleiche in den USA, und eine Verstärkung der Bemühungen um elektrisch betriebene Fahrzeuge sollten dabei helfen, die Wolfsburger wieder in ein besseres Licht zu rücken.

Die VW Aktie konnte sich inzwischen ebenfalls erholen und machte zuletzt Schlagzeilen, da das Unternehmen mit seiner neuen mittelfristigen Strategie offenbar ins Visier von US-Kleinanlegern geraten war, die dem Aktienkurs zu einem sprunghaften Anstieg verhalfen. Zuletzt wurde die im Dax gelistete Vorzugsaktie zu einem Kurs von 230 Euro gehandelt.

Damit nähert sie sich ihrem Allzeithoch allmählich wieder an – dieses hatte die Aktie im Frühjahr 2015 markiert, damals war der Kurs auf fast 260 Euro geklettert. Nur wenige Monate später wurde die Dieselaffäre publik, was die Aktie auf unter 100 Euro abrutschen ließ.