Themenschwerpunkt Flutkatastrophe: Überschwemmung hinterlässt gigantisches Funkloch

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Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat enorme Flächen verwüstet. In einer Schneise von Trier am südwestlichen Rand von Rheinland-Pfalz bis nach Hagen im Ruhrgebiet wurden zahlreiche Dörfer überschwemmt. Wesentliche Teile der Infrastruktur sind zusammengebrochen. Aufräumarbeiten und Wiederaufbau werden Monate, teilweise auch Jahre andauern.

Direkte Auswirkungen hat die Katastrophe nicht nur auf zigtausende Menschen vor Ort, sondern auch auf unterschiedlichste Wirtschaftszweige. In dieser Woche sollen daher die verschiedenen Bereiche und Konzerne im Fokus stehen, für die die verheerenden Wassermassen unmittelbar spürbare Folgen haben werden.

Schwerpunkt: Telekommunikation

Wenn irgendwo auf der Welt etwas immens Wichtiges geschieht, sind wir es mittlerweile gewohnt, dass uns das Smartphone darüber eigenständig informiert – vorausgesetzt, wir haben entsprechende Push-Meldungen von Nachrichten-, Wetter- oder sonstigen Warn-Apps aktiviert. Auch über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook verbreiten sich Nachrichten in Windeseile.

Doch die modernen Kommunikationsmittel haben empfindliche Schwachstellen. Ohne Verbindung zu Internet oder Mobilfunk bringt auch das teuerste Smartphone wenig – und selbst wenn noch Reste von schwachen Netzverbindungen vorhanden sind, wird die Lage schwierig, wenn irgendwann der Akku schlappmacht, nicht ausgewechselt werden kann und auch die Stromleitungen unterbrochen sind.

Zurückgeworfen in die 90er

Nun ist die Eifelregion ohnehin nicht unbedingt für flächendeckende 5G-Netzabdeckung bekannt. Jenseits der Großstädte haben Telekommunikationsanbieter seit Jahrzehnten verschlafen, die Bevölkerung mit zuverlässigen und schnellen Anbindungen zu versorgen. In manch ländlicher Region fühlt man sich noch heute zurückversetzt in die 1990er Jahre, als man minutenlang neben dem ratternden und blinkenden Modem ausharren musste, ehe man sich für horrende Minutenpreise im Internet umschauen durfte, während parallel niemand die Festnetztelefonleitung nutzen konnte.

Einen ähnlichen Flashback ins digitale Steinzeitalter erleiden derzeit auch zahlreiche Kommunen in den Hochwassergebieten im Westen Deutschlands. Zwar konnte die Stromversorgung, zumindest notdürftig, in vielen Orten inzwischen wiederhergestellt werden. Doch wer in den vergangenen Tagen via Handy geführte Interviews mit Menschen vor Ort gehört hat, kann erahnen, wie fragil die Verbindung zur Außenwelt nach wie vor ist – und wohl noch lange bleiben wird.

Ein Problem ist das nicht zuletzt auch für die Koordinierung der Rettungskräfte, die sich zum Teil weder untereinander, noch mit ihren Leitzentralen abstimmen können. Die Bergungsarbeiten werden dadurch erheblich erschwert und verzögert.

Flutregion wird zum gigantischen Funkloch

Die Netzanbieter, wie etwa die Deutsche Telekom, haben sich lange davor gescheut, in den Netzausbau in weniger dicht besiedelten Gebieten zu investieren, was aus reiner Kosten-Nutzen-Analyse her durchaus Sinn ergibt. Doch dürfen eine stabile Mobilfunkverbindung und eine zügige Internetanbindung im Jahr 2021 durchaus als Bestandteil der Daseinsfürsorge gelten, und für die ist immer noch der Staat zuständig.

Es liegt also an der Politik, den Netzausbau insgesamt voranzutreiben, sei es durch Anreize oder gesetzliche Vorgaben. Doch eine Stärkung der Netzanbindung im Zuge des Wiederaufbaus der von der Flut zerstörten Regionen reicht nicht aus.

Moderner Katastrophenschutz gehört auf die Tagesordnung

Das Abbauen der früher üblichen örtlichen Sirenen hat sich als Fehler erwiesen angesichts der immer häufigeren und immer stärkeren Naturkatastrophen und Wetterereignisse, vor denen es die Bevölkerung zu warnen gilt. Der bundesweite Sirenentest vor wenigen Monaten war ein Desaster, das erhebliche Schwachstellen im System aufgedeckt hat.

Nicht nur in den überschwemmten Regionen, sondern deutschlandweit muss jetzt der Katastrophenschutz auf den Prüfstand gestellt werden, von der Deichverstärkung bis zum Aufstellen moderner, stromnetzunabhängiger und vor allem lauter Sirenen sind erhebliche bundesweite Anstrengungen notwendig.

Braucht es den Wetterbericht zum Nachrichtenauftakt?

Und auch die Bevölkerung muss sensibilisiert werden. Sie muss die Sirenensignale kennen und einordnen können. Sie muss den Wetterbericht verfolgen – und die Medien ihrerseits müssen die eindringlichen Warnungen von Meteorologen prominenter ins Programm heben, um die Menschen zu warnen.

Nachweislich gab es bereits am Sonntag mehrere Wettermodelle, die sich in Details unterschieden, im Kern aber alle auf dasselbe Szenario hinausliefen: Extremen Dauerregen mit Flutgefahr in weiten Teilen Westdeutschlands. Diese Berechnungen waren dem Deutschen Wetterdienst und somit auch den zuständigen Behörden bekannt. Einschlägige Wetterkanäle haben entsprechende Warnungen frühzeitig im Netz verbreitet und Alarm geschlagen – nur wahrgenommen wurden diese Warnmeldungen eben kaum.

Häufig sind sie versteckt im obligatorischen Wetterbericht am Ende der Sendung, wo viele Zuschauer geistig oder physisch längst abgeschaltet haben. Im Falle signifikanter Unwetterlagen wäre daher zu überlegen, entsprechende Warnungen vorzuziehen – selbst wenn es noch keine Katastrophe gibt, über die zu berichten wäre.

„Tabula Rasa“ als Chance begreifen – Modernisierung statt Status quo ante

Der umfassende Wiederaufbau des Westens, zeitlich parallel zu einschneidenden politischen Veränderungen auf Bundesebene in wenigen Wochen, sollte dringend dazu genutzt werden, nicht nur den Status quo ante wiederherzustellen – sondern in wesentlichen Teilen erheblich zu verbessern.

Damit würden Katastrophenwarnungen womöglich besser wahrgenommen – und auch beim zu erhoffenden Ausbleiben entsprechender Ereignisse würden sich die Menschen sowie die Touristen sicherlich über eine bessere Mobilfunk- und Internetanbindung freuen.

Die Flut sorgt auf schmerzliche Weise für „Tabula Rasa“. Die Politik sowie die für Infrastruktur zuständigen Konzerne sollten diesen Neuanfang als Chance begreifen.