Telekom will Streit mit Kleinanlegern beilegen

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Als Privatanleger gehören Sie hierzulande zu einer mutigen Minderheit. Die Deutschen gelten – gerade in finanziellen Dingen – seit jeher als besonders risikoscheu. Selbst in Zeiten von hoher Inflation und niedrigen Zinsen halten viele noch an ihrem althergebrachten Sparbuch fest und nehmen dabei zähneknirschend hin, dass die mickrigen Erträge aufgefressen werden und sich ihr Kapital schleichend verringert statt vermehrt.

In den 1990er Jahren gab es einmal eine Gegenbewegung. Es war die Zeit, in der die Deutsche Bank ihr internationales Investmentbanking ausbaute und in den Jahren nach der Wende plötzlich alles irgendwie möglich schien. Mit großangelegten Werbekampagnen wurden die Deutschen zum Aktienkauf angeregt – und tatsächlich machte sich so etwas wie Aufbruchstimmung am Parkett breit.

Telekom 2000: Mit der Volksaktie in den Mega-Crash

Als Volksaktie schlechthin wurde damals die T-Aktie beworben, also Anteilsscheine der gerade erst privatisierten Deutschen Telekom – mit beachtlichem Erfolg, Kleinanleger rissen sich förmlich um das Papier. Telekommunikation, Mobilfunk und Internet waren gerade dabei, sich flächendeckend durchzusetzen. Aktien der Branche gingen weg wie warme Semmeln. Der Markt war schnell heiß gelaufen. Und dann kam die Jahrtausendwende und mit ihr das Platzen der Dotcom-Blase, das auch die T-Aktie mit in den Abgrund riss.

Für viele Kleinanleger damals ein Schock, sie zogen im Jahr 2001 in Frankfurt vor Gericht und klagten gegen die Deutsche Telekom, die Bundesrepublik Deutschland sowie die staatliche Förderbank KfW, die den dritten Börsengang der Telekom im Jahr 2000 begleitet hatte. Sie pochen auf Schadenersatz für die erlittenen Kursverluste, die sich auf rund 80 Millionen Euro summieren. Weil einige Aktionäre von damals mittlerweile verstorben sind, kämpfen nun zum Teil auch deren Erben um die Ansprüche, was das ganze Verfahren noch komplizierter macht.

Jahrzehntelanges Musterverfahren dank Vergleich vor Abschluss?

Immer wieder ging es hin und her, mal errang die Telekom einen Teilerfolg, dann wieder die Anleger. Schlussendlich stellte der Bundesgerichtshof fest, dass sehr wohl ein Anspruch auf Schadenersatz bestehe, weil das damalige Börsenprospekt fehlerhaft gewesen sei und nicht hinreichend auf die Risiken für Kleinanleger hingewiesen habe.

Das Musterverfahren, das seit nunmehr 20 Jahren läuft und etliche Aktenmeter füllt, könnte sich wohl noch weitere Jahre oder Jahrzehnte hinziehen, doch von Seiten der Telekom will man das leidige Kapitel nun wohl zu einem Abschluss bringen. Wie gestern bekannt wurde, hat das Unternehmen dem Gericht einen Vergleich vorgeschlagen.

Dieser sieht vor, Anleger nicht nur für ihre Kursverluste zu entschädigen, sondern auch deren Anwalts- und Verfahrenskosten zu tragen. Das klingt auf den ersten Blick sehr fair und tatsächlich signalisieren auch Teile der Klägerseite Interesse an dem Angebot, das nun geprüft wird. Die rund 16.000 Kläger haben nun bis Ende Juni 2022 Zeit, um sich dem Vergleich anzuschließen.

Vergleich mit Anlegern – Vorbild für Volkswagen?

Das Verfahren mit seiner Dauer und Komplexität steht sinnbildlich für die Schwächen des deutschen Rechtssystems, gerade wenn es um Prozesse von Privatpersonen gegen Konzerne geht. Ähnlich wie im Falle von Volkswagen und der Dieselaffäre war auch das gegen die Telekom laufende Musterverfahren eigens für diesen Fall geschaffen worden.

Beobachter schätzen, dass andere Unternehmen davon lernen könnten: Anstelle jahrzehntelang zu prozessieren, könnten sie auch zügig einen wirtschaftlichen Vergleich vorschlagen, um das Thema abzuräumen. Ein Appell, der sich derzeit vor allem in Richtung Wolfsburg richtet, wo ebenfalls Aktionäre gegen den VW Konzern im Rahmen einer Musterfeststellungsklage vorgehen und Ansprüche geltend machen wollen, die ihnen aus dem Kurssturz im Zuge des Auffliegens des Dieselskandals im September 2015 womöglich entstanden sind.

Anleger bevorzugen Ende mit Schrecken – Telekom Aktie steigt nach Vergleichsmeldung

Nicht nur ehemalige, sondern auch aktuelle Aktionäre bevorzugen durchaus ein Ende mit Schrecken statt Schrecken ohne Ende: Obwohl der Vergleich den Bonner Konzern einen dreistelligen Millionenbetrag kosten wird, reagierten Anleger erleichtert auf die Nachricht, dass das ewige Gezerre bald ein Ende haben könnte.

Nach wie vor haben sie aber nicht nur Freude an dem Papier: Seit Jahresbeginn konnte die Telekom Aktie zwar um gut 10 Prozentpunkte zulegen, doch mit rund 15 Euro dümpelt sie weiterhin auf dem Niveau, auf dem sie sich seit nunmehr 20 Jahren bewegt. Über einen Wert von 20 Euro ist der Kurs nie wieder großartig hinausgekommen. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt des Kaufrauschs im Jahr 2000 hatte die T-Aktie für einen kurzen Moment gar an der 100-Euro-Schwelle gekratzt.

Von diesem Schock haben sich viele Kleinaktionäre bis heute nicht erholt und seither einen weiten Bogen um die Börse gemacht. Ein Fehler, wenn man sich die Rally des vergangenen Jahrzehnts vor Augen führt, die – ein glückliches Händchen vorausgesetzt – so manchen Selfmade-Millionär hervorgebracht haben dürfte.