SAP Aktie: Experiment Doppelspitze beendet

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Es war ein denkbar kurzes Gastspiel: Nach nur sechs Monaten im Amt muss Jennifer Morgan ihren Posten als Co-Chefin des Softwaregiganten SAP schon wieder abgeben. Bereits zum 30. April wird sie ihren langjährigen Arbeitgeber verlassen, wie aus einer Mitteilung des Unternehmens vor wenigen Tagen hervorging.

Es ist mehr als eine Personalrochade. Morgan ist die erste Frau, die es an die Spitze eines Dax-Konzerns geschafft hat. Ihr schneller Rauswurf – so ist angesichts des vorgelegten Tempos jedenfalls anzunehmen, obwohl über die genauen Hintergründe nichts bekannt wurde – hat daher erheblichen Symbolcharakter.

Corona-Krise als Vorwand?

Offiziell heißt es, in der aktuellen Krisensituation sei eine klare Führungsstruktur erforderlich, um flexibel und schnell auf die neuen Herausforderungen reagieren zu können. Eine Doppelspitze, die noch im Oktober beim Amtsantritt von Morgan und Co-Chef Christian Klein als zukunftsweisendes Allheilmittel gepriesen wurde, hätte man aber ebenso gut begründen können.

Zudem läuft es für SAP trotz Corona-Krise nicht schlecht. Der überwiegende Teil der weltweiten Belegschaft kann problemlos im Home Office arbeiten, im ersten Quartal erzielte das Unternehmen Einnahmen in Höhe von 811 Millionen Euro.

Klein führt künftig allein

Ein wichtiges und an Bedeutung zunehmendes Standbein des Konzerns ist zudem das Cloudgeschäft, das das klassische Lizenzgeschäft immer mehr ablöst. In Sachen Cloud war Morgan ausgewiesene Expertin, gerade sie war es, die diesen Bereich erfolgreich vorangebracht und SAP damit fit für die Zukunft gemacht hat.

Nun aber soll Klein die Geschäfte wieder allein führen. SAP-Firmenmitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner setzt auf den 39-Jährigen, der bislang in der Doppelspitze für Europa zuständig war, während Morgan für den US-Teil des Unternehmens verantwortlich zeichnete.

Rauswurf mit Symbolcharakter

Die Doppelspitze wird nun nachträglich als vorübergehendes Provisorium dargestellt. Im Herbst war davon noch keine Rede gewesen. Damals war SAP deutschlandweit und auch international gefeiert worden für seine Innovationskraft und gerade auch den Schritt, einer Frau das höchste Amt zukommen zu lassen, das man zu vergeben hat.

Gerade in Zeiten, da über Geschlechtergerechtigkeit, Frauenquoten in Führungspositionen und Gender Pay Gap diskutiert wird, war das ein starkes Signal – und dann auch noch ausgerechnet bei einem IT-Konzern. Doch anstatt diesen Kurs weiterzuverfolgen, macht SAP nun die Rolle rückwärts und legt die wichtigsten Entscheidungen dahin, wo sie schon immer lagen: in Männerhände.

Analysten sehen die Entwicklung eher skeptisch, ebenso wie die Tatsache, dass es nun schon der zweite, sehr hastige Umbau an der Führungsspitze innerhalb kurzer Zeit ist. Auf Wochensicht liegt die SAP Aktie knapp 5 Prozent im Minus, kommt insgesamt aber noch recht gut durch die Corona-Krise: Auf Monatssicht verbucht das Papier einen Anstieg um mehr als 20 Prozent.