Autobauer nach Kartell-Urteil stärker unter Druck

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Kartellrechtlich beginnt in der Europäischen Union eine neue Ära. Mit dem Urteil der EU-Kommission gegen die „Big Five“ der deutschen Autobranche rücken erstmals Aspekte jenseits von Preisabsprachen und Gebietsaufteilungen in den Vordergrund des Interesses bei den Wettbewerbshütern.

Absprachen zu Emissionswerten: Nicht besser als zwingend nötig

Konkret ging es in dem Fall um interne Abstimmungen zwischen BMW, Daimler, Volkswagen, Audi und Porsche im Hinblick auf bestimmte, in den Fahrzeugen verbaute Vorrichtungen zur Emissionskontrolle. Diese sollten die gesetzlichen Vorgaben nicht toppen, darüber waren sich die Konzernvertreter einig – und zwar unabhängig davon, ob es technologisch möglich wäre oder nicht.

Damit wollten sich die Hersteller absichern, dass nicht plötzlich ein Konkurrent mit einem umweltverträglicheren Auto auf den Markt kommt und man allzu sehr unter Zugzwang gerät, technologisch nachzurüsten. Wenige Jahre nach dem Dieselskandal um manipulierte Abgaswerte hat eine solche Absprache mehr als nur einen schalen Beigeschmack.

Millionenbußgelder für BMW und Volkswagen

Fast 900 Millionen Euro müssen BMW und Volkswagen nun zahlen, Daimler kommt als Kronzeuge des Verfahrens straffrei davon. Man war an den Runden beteiligt, hatte sich dann aber selbst angezeigt. Audi und Porsche gehören bekanntlich zum Volkswagen-Konzern, dessen Strafzahlung auch erheblich höher ausfällt als die für BMW.

Die Münchener, die jegliches Fehlverhalten stets abgestritten hatten, haben das Bußgeld indes sofort akzeptiert, wohingegen die Wolfsburger rechtlich dagegen vorgehen wollen. Die juristische Auseinandersetzung ist dort inzwischen gut erprobt, seit 2015 toben Schlachten vor Gericht rund um Schadenersatzzahlungen, Täuschungsvorwürfe und Managerverantwortung. Auch der Verdacht der Marktmanipulation steht immer wieder im Raum, weil womöglich Informationspflichten verletzt wurden.

Umwälzungen erfordern weiterhin Kooperationen

Nun ist es nichts Neues, dass die Autokonzerne – Konkurrenz hin oder her – sich untereinander abstimmen und beispielsweise Kooperationsvereinbarungen schließen, gerade wenn es um die Entwicklung neuer Technologien geht. Bei fundamentalen Neuerungen, die die gesamte Branche gleichermaßen betreffen, lassen sich auf diese Weise erhebliche Kosten im Bereich Forschung und Entwicklung einsparen.

Diesen Umstand hat auch die EU-Kommission nicht in Frage gestellt. Ihr ging es vielmehr um die Zielvorgaben, die eher als Bremsklotz denn als Innovationsschub verstanden werden können. Die Autobranche steht indes gewaltig unter Druck: In den kommenden zehn Jahren soll die Elektrifizierung vorangetrieben werden, der Abschied vom Verbrenner hat in vielen Ländern und auch bei vielen Herstellern bereits ein konkretes Datum. Das autonome Fahren sowie die zunehmende Digitalisierung des Cockpits gelten als weitere große Herausforderungen, bei denen die etablierten deutschen Autokonzerne aufpassen müssen, nicht hinter der Konkurrenz zurückzufallen.

Tesla: Elektrokonkurrent direkt vor der Haustür

Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich der Elektroautopionier Tesla mit dem brandenburgischen Grünheide ausgerechnet einen deutschen Standort für seine erste Produktionsstätte in Europa ausgesucht hat. Hier, im Autoland Nummer eins, gilt die Branche als politisch besonders behütet – und es besteht ein erhebliches Know-how vom Bandarbeiter bis zum Top-Ingenieur, das bei Bedarf abgeworben werden kann.

Das Fabrikgelände in Grünheide ist eine Kampfansage in Richtung Wolfsburg, Stuttgart und München. Aus Brüssel steigt der Druck auf die gesamte Branche. Und auch in Berlin kommt man nicht mehr umhin, striktere Vorgaben im Sinne ambitionierter Klimaschutzziele zu verordnen.

Entscheidende Weichenstellungen im September

Wie es für die deutschen Autogrößen weitergeht, entscheidet sich nicht zuletzt im September: Die Zusammensetzung des künftigen Bundestages und insbesondere der nächsten Bundesregierung dürfte die zentralen Weichen stellen. Die Zeit der ewigen Samthandschuhe scheint vorerst vorbei zu sein.

Am Börsenparkett zählen Autowerte schon seit einigen Wochen zu den großen Verlierern. Auf Monatssicht ging es für die Aktien von BMW, Daimler und Volkswagen allesamt zwischenzeitlich zweistellig bergab. Analysten zeigten sich zuletzt jedoch optimistisch: Zumindest Volkswagen und Daimler erfahren viel Zustimmung, bei BMW sind die Einschätzungen zurückhaltender.