Neuer Ölpreis-Schock wegen Nahost-Konflikt?

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Nach der Pandemie ist vor dem Krieg: Hatte man zum Jahresbeginn 2022 noch damit gerechnet, dass das Schlimmste nun überstanden und die Wirtschaft ready for Aufschwung sei, sah die Realität bekanntlich anders aus.

Ukraine und Nahost: Kriege mit wirtschaftlicher Wirkmacht

Mit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine Ende Februar 2022 und dem seither andauernden Stellungskrieg wurden nicht nur geopolitisch die Karten neu gemischt. Auch energiewirtschaftliche Entscheidungen und die zeitweise galoppierende Inflation stehen in direktem Zusammenhang mit den Geschehnissen im Südosten Europas.

Seit dem 7. Oktober gibt es nun einen weiteren heißen Krieg. Nach dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten erklärte die Regierung um Benjamin Netanyahu den Palästinensern den Krieg. Zigtausende sind seither den militärischen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen, darunter etliche Zivilisten auf beiden Seiten.

Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer häufen sich

Der seit Jahrzehnten schwelende und immer wieder hochkochende Nahost-Konflikt droht nun eine neue Dimension anzunehmen. Mehrere einflussreiche Player in der Region scheinen mindestens im Hintergrund mitzumischen. Zudem gab es in den vergangenen Wochen mehrfach Meldungen über Angriffe auf Handelsschiffe.

Richteten sich diese zunächst nur auf Frachter, die Israel als Ziel ansteuerten, sollen zuletzt auch gänzlich unbeteiligte zivile Frachtschiffe im Roten Meer attackiert worden sein. Konkret haben offenbar Huthi-Rebellen aus dem Jemen die Containerschiffe attackiert, die die wichtige Handelsroute durch das Rote Meer und den Suezkanal ansteuerten.

Suezkanal: Bedeutendes Nadelöhr im weltweiten Warenhandel

Wie wichtig dieses Nadelöhr der Weltmeere für die globalen Lieferketten ist, zeigte sich vor rund zweieinhalb Jahren: Im Frühjahr 2021 hatte sich der Frachter „Ever Given“ im Suezkanal festgefahren und quergestellt, die vielbefahrene Wasserstraße konnte tagelang nicht passiert werden, auf beiden Seiten bildeten sich lange Rückstaus von Containerschiffen.

Die dadurch entstehenden Lieferverzögerungen und Unterbrechungen von Lieferketten wirkten sich noch Monate danach teils kräftig spürbar aus. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer im Norden und das Rote Meer im Süden. Handelsschiffe, die den Nordatlantik und den Indischen Ozean passieren, um etwa Waren zwischen Asien und Europa zu transportieren, nutzen die Route, um nicht die deutlich längere und gefährlichere Umrundung des afrikanischen Kontinents in Kauf nehmen zu müssen.

Reedereien meiden Rotes Meer

Genau das könnte aber notwendig werden, sollten sich die Angriffe weiter fortsetzen. Bereits jetzt haben mehrere Reedereien die Reißleine gezogen und angekündigt, das Rote Meer vorerst nicht mehr anzusteuern. Die weltweit größte Containerschiff-Reederei MSC, die zweitgrößte Konkurrentin Maersk aus Dänemark sowie auch die deutsche Hapag-Lloyd meiden die Route durch den Suezkanal bis auf Weiteres. Auch der Ölkonzern BP will den Kanal nicht mehr nutzen, weitere ähnliche Meldungen könnten folgen.

Dadurch werden Handelsrouten, die nunmehr um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika gesteuert werden müssen, deutlich länger, aufwändiger und teurer. Das Nachsehen hat nicht zuletzt Ägypten: Der Staat macht gutes Geld mit den Durchfahrtsgebühren für den Suezkanal. Aus Verbrauchersicht ist jedoch nicht mit massiven Preissteigerungen zu rechnen – zumindest nicht wegen des Umwegs, den Containerschiffe nun fahren, um Afrika zu umrunden.

Neuer Ölpreis-Schock wegen Angriffen auf Frachtschiffe?

Deutlich schwerer ins Gewicht fallen dürfte der Umstand, dass Europa seine Rohstoffe – namentlich Flüssigerdgas und Öl aus den arabischen Golfstaaten – über eben jene Route durch das Rote Meer und den Suezkanal bezieht. Der europäische Energiemarkt ist ohnehin stark angespannt, seit die Importe aus Russland eingestampft wurden. Nun hängt die Öl- und Gasversorgung an der Nabelschnur, die durch die Krisenregion führt. Das könnte richtig teuer werden.

Experten befürchten bereits eine neuerliche Explosion bei den Öl- und Gaspreisen, was sich in einer Kettenreaktion letztlich auch auf die Verbraucherpreise niederschlagen könnte. Das gilt es aus europäischer Sicht um jeden Preis zu vermeiden. Wie genau das jedoch aussehen könnte, ist derzeit noch Gegenstand von Diskussionen. Fest steht: Das Kriegsgeschehen im Nahen Osten wird die globale Politik und Wirtschaft auch im neuen Jahr begleiten.