Ölkonzerne verbuchen in Q1 kräftige Gewinnsteigerungen

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Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten in die Höhe geschnellt. Angeheizt durch den Krieg, der seit dem Einmarsch russischer Truppen Ende Februar in der Ukraine tobt, erreichte das Barrel Notierungen teils weit jenseits der 100-Dollar-Marke – ein Wert, den Experten erst im späteren Verlauf des Jahres, wenn überhaupt, für realistisch gehalten hatten. Doch der Ukraine-Krieg wirbelt das Weltgeschehen durcheinander, wovon auch Wirtschaft, Aktien und Rohstoffmärkte nicht verschont bleiben.

Während Industriekonzerne und Verbraucher unter den steigenden Preisen ächzen, die die Inflation immer weiter antreiben, verdienen die Ölkonzerne prächtig. In den vergangenen Tagen haben im Zuge der Berichtsaison etliche von ihnen einen Einblick in ihre Geschäftsbilanzen für den Zeitraum von Januar bis Ende März gewährt – ein Überblick.

Exxon Mobil: Gewinnprognosen verfehlt, Umsatzerwartungen übertroffen

Der größte Ölkonzern der USA hat im Auftaktquartal die Gewinnerwartungen verfehlt, die Umsatzschätzungen der Analysten hingegen übertroffen. Exxon Mobil verdiente demnach unterm Strich rund 5,5 Milliarden Dollar und konnte damit das Ergebnis des Vorjahreszeitraums in etwa verdoppeln.

Der Umsatz legte um 53 Prozentpunkte zu auf 90,5 Milliarden Dollar. Experten hatten vorab lediglich mit einem Anstieg auf 82,84 Milliarden Dollar gerechnet. Der Gewinn je Aktie lag mit 2,07 Dollar deutlich über dem Vorjahreswert von 0,65 Dollar.

Belastet wurde die Bilanz durch den angekündigten Rückzug des Unternehmens aus dem Öl- und Gasgeschäft in Russland sowie den Ausstieg aus einem Joint Venture, an dem neben indischen und japanischen Partnern auch der russische Konzern Rosneft beteiligt ist. Zusammen führten diese Effekte zu Abschreibungen in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar.

Das laufende Aktienrückkaufprogramm wird dennoch verdreifacht: Bis Ende 2023 will Exxon Mobil Aktien im Wert von bis zu 30 Milliarden Dollar zurückkaufen.

Anleger reagierten kurzfristig verschnupft auf die Ergebnisse, dürfen sich aber insgesamt seit Jahresbeginn über einen satten Kursanstieg um rund 50 Prozent freuen. Zuletzt notierte die Exxon Mobil Aktie bei etwa 90 Dollar. Analysten der US-Großbank JP Morgan sowie der kanadischen RBC bescheinigen dem Papier ein Kursziel von 100 Dollar und raten zum Kauf.

Chevron kann Quartalsgewinn vervierfachen

Noch stärker als bei Exxon Mobil entwickelte sich das Geschäft im ersten Quartal für den Konkurrenten Chevron, dem zweitgrößten Ölkonzern der Vereinigten Staaten. Durch die gestiegenen Preise für Gas und Öl verbuchte das Unternehmen bis Ende März einen bereinigten Gewinn in Höhe von 6,5 Milliarden Dollar. Im Vorjahreszeitraum waren es gerade einmal 1,7 Milliarden Dollar gewesen. Der Umsatz legte ebenfalls kräftig zu um 70 Prozent auf 54,4 Milliarden Dollar.

Damit konnte Chevron die Erwartungen der Analysten sowohl mit Blick auf die Umsatz- als auch die Gewinnentwicklung klar übertreffen. Beim Umsatz hatten Experten dem Konzern lediglich einen Anstieg auf knapp 50 Milliarden Dollar zugetraut.

Auch die Chevron Aktie befindet sich im Aufwind. Gerade der russische Einmarsch in die Ukraine hat den Kurs in die Höhe katapultiert, zuletzt kratzte die Aktie immer wieder an ihrem Jahresbestwert von rund 175 Dollar.

Shell lockt mit höherer Dividende

Auch Europas größter Ölkonzern profitiert von den aktuellen Preisentwicklungen an den Rohstoffmärkten. Shell wies für das erste Quartal 2022 einen Gewinn von 7,1 Milliarden US-Dollar aus nach 5,7 Milliarden Dollar im Vergleichszeitraum des Vorjahres, was einer Steigerung um 26 Prozent entspricht. Der bereinigte Gewinn konnte sich binnen Jahresfrist nahezu verdreifachen von 3,23 auf nun 9,13 Milliarden Dollar.

Beim Umsatz verbucht Shell eine Steigerung von 55,7 auf 84,2 Milliarden Dollar. Der Ausstieg aus dem Russland-Geschäft schlägt mit Abschreibungen von 3,9 Milliarden Dollar zu Buche.

Anleger können sich neben dem steigenden Kurs der Shell Aktie auch über eine angekündigte Anhebung der Quartalsdividende um 4 Prozent auf 0,25 Dollar pro Anteilsschein freuen. Es ist die vierte Anhebung in Folge, nachdem Anfang 2020 erstmals seit 1945 die Dividende gekürzt worden war. Damals mussten Anleger eine Dividendenkürzung um zwei Drittel hinnehmen von 0,47 auf 0,16 Dollar im ersten Quartal. Die noch offenen 4,5 Milliarden des insgesamt 8,5 Milliarden Dollar umfassenden Aktienrückkaufprogramms sollen bis spätestens Ende Juli ausgegeben werden.

Die Shell Aktie verbucht seit Beginn des Jahres einen soliden Aufwärtstrend und legte seither um rund ein Drittel zu auf rund 23 britische Pfund. Analysten von JP Morgan halten 28,50 Pfund für realistisch, Experten der kanadischen RBC bestätigten zuletzt ihr Kursziel von 27,50 Pfund je Shell Aktie. Beide Geldhäuser raten weiterhin zum Kauf des Papiers.

BP mit zweistelligem Milliardenverlust – wegen Rückzug aus Russland

Der andere große britische Ölkonzern – BP – hat wie kein anderer unter dem Abschied aus Russland gelitten. Die Abschreibungen im Auftaktquartal belaufen sich auf satte 24 Milliarden US-Dollar. Unterm Strich stand damit ein Nettoverlust von 20,4 Milliarden Dollar. Im Vorjahresquartal hatte BP noch einen Nettogewinn von 4,7 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Das Unternehmen hielt bislang eine Beteiligung von 19,75 Prozent am russischen Ölkonzern Rosneft und war an zwei Joint Ventures mit russischen Firmen beteiligt. Doch ebenso wie zahlreiche andere westliche Unternehmen zog sich auch BP wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine aus dem Land zurück.

Ungeachtet der hohen Abschreibungen lief es für BP jedoch mehr als rund. Operativ lag das bereinigte Ergebnis bei 6,25 Milliarden Dollar nach 2,6 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Damit konnte der Konzern die Erwartungen der Analysten deutlich übertreffen, die im Schnitt lediglich von knapp 4,5 Milliarden Dollar ausgegangen waren. Der Umsatz kletterte zugleich um 40 Prozent auf 51 Milliarden Dollar. Die Quartalsdividende soll unverändert bei 5,46 US-Cent je Aktie liegen. Die Aktienrückkäufe sollen unterdessen von 1,25 auf 1,5 Milliarden Dollar pro Quartal ausgeweitet werden.

Anleger reagierten gelassen auf den gigantischen Quartalsverlust und griffen bei der BP Aktie zu. Seit Beginn des Jahres hat sich das Papier um rund ein Fünftel verteuert und kostete zuletzt rund 4,20 Pfund. Analysten bekräftigten nach der Bilanzpräsentation ihre Kaufempfehlungen und hoben zum Teil das Kursziel an. Experten der privaten Berenberg Bank sowie der US-Großbank JP Morgan trauen der BP Aktie einen Anstieg auf 5 Pfund zu, Goldman Sachs ist mit 5,90 Pfund noch etwas optimistischer. Ein Kursziel von 7 Pfund gibt die britische Barclays Bank aus.

Was bedeuten die Zahlen für Anleger?

Trotz hoher Belastungen durch den Rückzug aus den Russland-Geschäften haben die Ölkonzerne insgesamt einen starken Jahresauftakt hingelegt. Steigende Preise für Öl und Gas an den Rohstoffmärkten lassen die Konzernkassen sprudeln.

Für Anleger winken neben steigenden Aktienkursen und attraktiven Dividenden auch milliardenschwere Aktienrückkaufprogramme, die die Ölkonzerne aufgelegt haben. Experten gehen davon aus, dass sich hier kurzfristig gutes Geld verdienen lässt.

Langfristig aber dürfte die politisch gewollte Energiewende das Geschäft mit den fossilen Energieträgern zunichtemachen. Der künftige Erfolg der bisherigen Ölmultis wird dann davon abhängen, wie gut ihnen die Transformation auf nachhaltigere Wege zur Energiegewinnung gelingt. Das derzeitige Aufbäumen des totgeglaubten Ölsektors könnte also nur ein Strohfeuer von kurzer Dauer sein.