Wirtschaft lehnt Testpflicht für Beschäftigte ab

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Die Wirtschaft hat sich durchgesetzt – zumindest beim ressortverantwortlichen Minister. Peter Altmaier schaltete sich in dieser Woche mit führenden Wirtschaftsvertretern zusammen und die machten vor allem zwei Punkte deutlich: Sie lehnen eine generelle Testpflicht ab – und sie fordern Öffnungsperspektiven.

Keine nachhaltige Öffnungsperspektive in Sicht

Beides ist nicht wirklich neu. Allerdings stehen die Signale zurzeit wieder eher auf Schließungen denn auf Öffnungen, immerhin ziehen die Infektionsraten zuletzt wieder deutlich an. Zumindest kann auch beim Impftempo ein deutliches Plus verbucht werden, nachdem nunmehr auch Hausarztpraxen in die Impfkampagne einbezogen werden und ab Ende des Monats voraussichtlich deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen soll.

Bis zu einer nennenswerten Herdenimmunität, die wirkliche und vor allem nachhaltige Öffnungsperspektiven erlauben würde, die nicht nach zwei Wochen wieder zurückgenommen werden müssen, wird es allerdings wohl noch Monate dauern. Solange wird sich die Wirtschaft wie auch der Rest des Landes in Geduld üben müssen.

Mangelt es an Tests oder am Testwillen?

Heikler ist das Thema mit den Schnell- und Selbsttests. Kostenlose Schnelltests stehen seit einigen Wochen jedem Bundesbürger einmal wöchentlich zu, auch Selbsttests sind inzwischen in Drogeriemärkten und an Supermarktkassen zu haben. Insgesamt aber, so beklagen es die Wirtschaftsvertreter, gebe es immer noch zu wenig Tests.

Zumindest wenn man – wie eigentlich politisch angedacht – zwei Tests pro Woche für Beschäftigte verpflichtend einführen will. Bislang hat man sich mit den Wirtschaftsverbänden auf eine freiwillige Selbstverpflichtung verständigt und somit ein Instrument gewählt, das schon in früheren Streitfragen häufig an der Praxis gescheitert ist. Den guten Willen zu äußern ist eben etwas anderes, als ihn dann auch umzusetzen, das weiß man in der Politik so gut wie in der Wirtschaft.

Verpflichtende Auflagen werden kaum kontrolliert

Bislang jedenfalls bieten jüngsten Erhebungen zufolge gerade einmal zwei Drittel der Unternehmen ihren Beschäftigten regelmäßige Testungen an. Das ist zu wenig, moniert die Bundesregierung, die gerne mehr als 90 Prozent der Arbeitgeber ins Boot holen würde. Eine gesetzliche Verpflichtung halten die Unternehmer dennoch für obsolet, man bemühe sich ja schon nach Kräften und außerdem sei eine solch verpflichtende Regelung in der Praxis kaum zu kontrollieren.

Hier trifft man durchaus einen wunden Punkt, schließlich werden auch etliche andere Maßnahmen, die längst verbindlich beschlossen wurden, nur halbherzig umgesetzt und ihre Nichtbefolgung nur im Ausnahmefall sanktioniert, Stichwort Großdemonstrationen am Osterwochenende, Stichwort Notbremse bei 100er-Inzidenz.

Mehr Kompetenzen für den Bund?

Da sich die Bundesländer auch nach 13 Monaten der Pandemie nicht auf einheitliche Linien zu verständigen imstande sind, denkt die Bundeskanzlerin längst laut über eine Kompetenzverschiebung zugunsten des Bundes nach und findet dafür immer mehr Befürworter sowohl im Parlament wie auch in einzelnen Landesregierungen. So hat sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der gemeinsam mit Merkel eine überwiegend strenge Corona-Politik verfolgt hat, in Sachen Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes an die Seite der Kanzlerin gestellt.

Um eine solche Kompetenzbündelung zugunsten bundeseinheitlicher Regelungen voranzutreiben, wurde nun die eigentlich für kommenden Montag angesetzte Verhandlungsrunde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin ersatzlos gestrichen. Tatsächlich hat sich seit der letzten Schaltkonferenz die Gemengelage nicht wirklich verändert, sodass fraglich bliebe, was hätte beschlossen werden sollen und ob dies nun umgesetzt werden würde oder nicht.

Merkel hat nichts mehr zu verlieren

Kommt es zu bundesweiten Regelungen, könnten allerdings auch verpflichtende Tests für Unternehmen oder eine Verschärfung der Vorgaben im Hinblick auf Homeoffice-Angebote wieder auf die Agenda rücken. Altmaier allein wird das kaum verhindern können. Und die Kanzlerin hat wenige Monate vor dem Ende ihrer Amtszeit nichts mehr zu verlieren. Sie kann ihren Überzeugungen als promovierte Wissenschaftlerin folgen, wenn sie nur die Macht dazu hätte, die ihr das föderale System bis dato nicht zugesteht.

Ob sich an den Kräfteverhältnissen zwischen Berlin und den 16 Landesregierungen etwas ändern wird, könnte sich bereits in der kommenden Woche entscheiden.