Tönnies und die Folgen für Gütersloh: Weckruf für die Branche?

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Erst Westfleisch, dann Tönnies: Durch die Corona-Ausbrüche der vergangenen Wochen wird der Öffentlichkeit noch einmal unter dem Brennglas präsentiert, unter welch desaströsen Bedingungen in großen Fleischkonzernen Tiere verarbeitet werden.

Die Haltungsbedingungen im Bereich der kommerziellen Viehzucht stehen schon seit Langem immer wieder in der Kritik. Die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen der häufig osteuropäischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingegen werden selten so deutlich thematisiert wie dieser Tage.

Sowohl bei der Arbeit am Fließband als auch nach Feierabend in der Massenunterkunft ist es den Beschäftigten kaum möglich, sich an Abstandsregelungen zu halten – zumal viele von ihnen der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, all das zu begreifen, was von ihnen verlangt wird.

Änderungen in der Fleischbranche?

Dass der regionale Fleischbaron Tönnies es offenbar nicht für erforderlich hielt, seine Leute diesbezüglich hinreichend aufzuklären und zu schützen, wirft ein schlechtes Licht auf den Betrieb selbst, aber auch die gesamte Branche. Mit Westfleisch war erst vor kurzem ein namhafter Konkurrent von Tönnies mit ganz ähnlichen Arbeitsbedingungen aufgefallen, die ebenfalls einen größeren Ausbruch des Coronavirus begünstigt hatten.

Aber ändert sich nun etwas? Vielleicht. Denn im Gegensatz zu früheren Skandalen, die vor allem durch schaurige Bilder und negative Schlagzeilen von sich reden machten, werden im Kreis Gütersloh nun zigtausende Unbeteiligte in Mithaftung genommen. Am Vormittag erklärte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, man werde für den gesamten Kreis Gütersloh jene einschränkenden Maßnahmen wieder in Kraft setzen, wie sie im März in weiten Teilen der Republik gegolten hatten.

Gütersloh: Verständnis für den Lockdown, Wut auf den Fleischbaron

Danach bestehen strikte Kontaktbeschränkungen, Kulturstätten werden geschlossen, Sport in geschlossenen Räumen verboten und dergleichen mehr. Medienberichten ist zu entnehmen, dass die Stimmung in der Bevölkerung vor Ort entsprechend angespannt ist.

Einerseits gibt es Verständnis für die vorsorglichen und zeitlich begrenzten Maßnahmen, andererseits Wut und Unverständnis darüber, dass erst so spät gegenüber Tönnies eingeschritten wurde. Der Zorn richtet sich eindeutig auf den Fleischfabrikanten, weniger auf die nun resultierenden Folgen.

Diskussionen zwischen den Ländern?

Ein pikantes Detail könnte in den kommenden Tagen zudem noch für Diskussionsstoff sorgen, auch unter den verschiedenen Ländervertretern: So wurden Touristen aus dem Kreis Gütersloh unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern aufgefordert, die Insel Usedom wieder zu verlassen und abzureisen. Auch Bayern spricht von einem Beherbergungsverbot für seine Hotelbetriebe im Hinblick auf Gäste aus Regionen, die den Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen 7 Tagen überschreiten.

Laschet selbst tut sich unterdessen schwer mit einer eindeutigen Haltung. Er verweist einerseits darauf, dass kein Ausreiseverbot für Anwohner aus Gütersloh besteht, appelliert aber andererseits an die Bevölkerung, den Kreis vorerst nicht zu verlassen. Eine pauschale „Stigmatisierung“ von Personen aus der Region lehnt er grundsätzlich ab – dies könnte angesichts der heutigen Beschlüsse noch zu hitzigen Diskussionen führen mit seinem bayerischen Amtskollegen Markus Söder.