Scholz kann Basta: Beendet das die Zerreißprobe der Ampelkoalition?

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Hoppla, er kanns ja doch: Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Streit um den Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke ein Machtwort gesprochen.

Bundeskanzler spricht Machtwort

Weil sich die Bundesminister Robert Habeck (Wirtschaft) und Christian Lindner (Finanzen) nicht einigen konnten, hat nunmehr der Kanzler eine Entscheidung getroffen und damit von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, so zumindest die Lesart der meisten Beobachter. Zwar bezieht sich diese Richtlinienkompetenz eigentlich eher auf die grundlegende Ausrichtung einer Regierung, doch in diesem Fall hat der Kanzler in einem konkreten Sachverhalt durchgegriffen.

Nach seiner Vorstellung sollen nunmehr alle drei noch am Netz befindlichen Atommeiler als Reserve weiterlaufen, befristet bis April 2023. Damit bekommen nun beide streitenden Koalitionspartner ein Zugeständnis und müssen zugleich beide eine Kröte schlucken: Die Grünen müssen einen Weiterbetrieb von drei statt zwei Kraftwerken hinnehmen, die FDP eine enge zeitliche Befristung akzeptieren.

Gesicht wahren in ideologisch aufgeladener Atomdebatte

Beide Minister können dabei nun auf den Kanzler zeigen und vermeiden damit einen Gesichtsverlust. Die Debatte war zuvor massiv ideologisch aufgeladen, beide Seiten hatten auf ihren jeweiligen Standpunkten beharrt, ein Kompromiss schien kaum mehr möglich. Erschwert wurde das Ganze durch die jüngste Landtagswahl in Niedersachsen, wo die FDP an der 5-Prozent-Hürde scheiterte. Was die einen als Scheitern der liberalen Politikansätze deuteten, veranlasste Parteichef Christian Lindner dazu, seine bisherigen Ideen nun noch stärker in den Vordergrund rücken zu wollen.

Auf der anderen Seite hatten sich die Grünen erst am vergangenen Wochenende bei ihrem Parteitag darauf festgelegt, lediglich zwei Atommeiler über den Jahreswechsel hinaus weiterlaufen lassen zu wollen. Ob die Bundestagsfraktion nun ihrem Parteitagsbeschluss oder dem Wunsch des Kanzlers folgen wird, bleibt abzuwarten.

Schwieriges Dreierbündnis verlangt allen Koalitionären viel ab

So oder so zeigt sich einmal mehr, dass die Kompromissfindung in der ersten Drei-Parteien-Koalition auf Bundesebene immer wieder vor Herausforderungen steht. Gerade die oftmals gegensätzlichen Ideen von FDP und Grünen sind nur schwer unter einen Hut zu bringen, zumal die SPD selbst häufig keine klare Richtung erkennen lässt.

Dennoch wissen alle drei Parteien, dass sie auf Gedeih und Verderb in der Koalition verbleiben müssen. Selbst im Falle vorgezogener Neuwahlen sind keine grundlegend anderen Mehrheitsverhältnisse erkennbar, zudem wäre ein Scheitern der Regierung in der aktuellen Krisensituation verheerend.

Dauerkrisenmanagement statt Aufbruchstimmung

Schon jetzt aber sind weder Liberale noch Grüne wirklich glücklich in dem, was sie an Kompromissen hinnehmen müssen. Beide besinnen sich zwar immer wieder auf ihre staatspolitische Verantwortung, doch beiden fällt es erkennbar schwer, das Regierungshandeln bei Parteibasis und Wählerschaft zu vertreten.

Kein Wunder, immerhin war man vor rund einem Jahr mit echter Aufbruchstimmung in die Koalition gestartet – und muss spätestens seit Beginn des Krieges in der Ukraine Ende Februar nur noch Krisen managen und versuchen, das Schlimmste abzuwenden.