Russisches Gas – wie lange wird noch geliefert?

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Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor rund 5 Wochen überschlagen sich die Ereignisse. Das betrifft aus deutscher Sicht ganz besonders den Energiemarkt, der bekanntlich stark abhängig ist von Rohstofflieferungen aus Russland.

Bundeswirtschaftsminister ruft erste Stufe von Notfallplan aus

In dieser Woche nun hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die erste Stufe eines Notfallplans ausgerufen, über dessen Existenz vorher wenig öffentlich bekannt war. Den Ernst der Lage unterstrich der gewählte Zeitpunkt dieses Schritts: Am frühen Mittwochmorgen lud der Minister kurzfristig in Berlin zur Bundespressekonferenz, um das Vorgehen zu erläutern.

Demnach gibt es bislang noch keine Engpässe – man bereitet sich aber darauf vor. Konkret wurde ein Krisenstab gegründet, der nun tagtäglich die Lage beobachtet und bewertet. Auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen hatten auf die Aktivierung des Notfallplans gedrängt, denn damit lässt sich womöglich besser abschätzen, in welcher Reihenfolge die Energiezufuhr im Ernstfall begrenzt oder komplett gekappt wird.

Dreht Putin den Gashahn zu?

Klar ist: Privathaushalte haben Priorität, ihnen wird die Heizung erst ganz zum Schluss abgedreht, vermutlich also gar nicht. Dennoch rief Habeck Bürger wie Unternehmen dringend dazu auf, Energie einzusparen, es zähle jede gesparte Kilowattstunde.

Der Gas-Notfallplan umfasst insgesamt 3 Stufen, auf der nun geltenden ersten Stufe ändert sich faktisch erst einmal nichts, außer dass die Alarmbereitschaft erhöht und Vorbereitungen getroffen werden. Denn theoretisch braucht es nicht einmal ein westliches Importembargo – Wladimir Putin könnte auch seinerseits einfach den Gashahn zudrehen.

Außenpolitische Machtspiele für innenpolitisches Publikum?

Damit kokettiert der Kreml-Chef ganz offen, wenn er auf seiner Forderung beharrt, Gaslieferungen dürften künftig nur noch in Rubel beglichen werden. Ein entsprechendes Dekret wurde in dieser Woche von Putin unterzeichnet, die westlichen Abnehmer pochen auf die bestehenden Lieferverträge, in denen die Bezahlung des Gases in Euro oder Dollar festgeschrieben ist.

Möglicherweise ist das öffentliche Muskelspiel Putins aber auch eher an sein innenpolitisches Publikum gerichtet: In einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte Putin, Europa könne die Lieferungen weiter in Euro begleichen.

Putins Dekret umgeht westliche Sanktionen

Laut dem Dekret, das er erlassen hat, sollen die Abnehmer allerdings verpflichtet werden, ein Rubelkonto bei der unternehmenseigenen Bank des russischen Staatskonzerns Gazprom zu eröffnen. Dort könnten dann die Rechnungen in Euro oder Dollar beglichen werden, während die Gazprom-Bank ihrerseits die Werte in Rubel umtauscht.

Damit würde Putin faktisch die westlichen Sanktionen umgehen, die unter anderem der russischen Zentralbank den Devisenhandel mit Euro und Dollar untersagen und den Rubel empfindlich abwerten. Gerade die Gazprom-Bank aber ist als eine von wenigen russischen Banken noch nicht vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen worden. Zwingt Putin nun die Gasabnehmer zur Zahlungsabwicklung über eben jene Bank, dürfte sie auch künftig vor härteren Sanktionen geschützt sein.

Bis Herbst sollen Lösungen gefunden werden

Unterdessen sucht Europa so überstürzt wie händeringend nach alternativen Lieferanten für Rohstoffe zur Energiegewinnung. Selbst bei den Scheichs auf der arabischen Halbinsel hat sich Habeck erst kürzlich persönlich für entsprechende Verträge eingesetzt, auch die USA wollen einspringen und mehr Flüssiggas nach Europa liefern.

Dennoch ist klar: Über Nacht wird sich das Problem nicht lösen lassen. Kurzfristig ist Europa abhängig vom russischen Gas, ob es will oder nicht. Immerhin steht das Ende der Heizperiode bevor, bis zum Herbst sollen die Speicher aufgefüllt und neue Verträge abgeschlossen werden.

Handelsbeziehungen durch Ukraine-Krieg nachhaltig beschädigt

Die Handelsbeziehungen zwischen Russland und Europa jedenfalls dürften nach der militärischen Eskalation in der Ukraine langfristig stark abkühlen, so viel steht schon jetzt fest. Putin selbst gibt sich gelassen: Dann werde er die Rohstoffe eben nach Asien verkaufen.

Ob diese Rechnung am Ende aufgeht oder der Einmarsch in die Ukraine den Anfang vom Ende der Ära Putin besiegelt, bleibt abzuwarten.