Lieferketten-Überprüfung: Wirtschaftsbosse laufen Sturm

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Die Gesetze und Reformpakete der aktuellen Bundesregierung werden offensichtlich von PR-Beratern benannt – vom Gute-Kita-Gesetz bis hin zum Starke-Familien-Gesetz war schon einiges dabei.

Einerseits ist das ganz schön, um die häufig umständlichen und ausufernden rechtlich korrekten eigentlichen Bezeichnungen zu umgehen, andererseits sieht sich die Bundesregierung immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, durch offiziell genutzte, positiv konnotierte Abkürzungen geradezu manipulative Interpretationsvorgaben zu liefern, die in der medialen Berichterstattung aufgegriffen wird.

Sei’s drum, aktuell jedenfalls wird öffentlich gestritten um ein Gesetzesvorhaben, das sich in Regierungsmanier wohl als Faire-Lieferketten-Gesetz umschreiben ließe: Angedacht ist, deutsche Unternehmen in Mithaftung dafür zu nehmen, welche Umweltstandards und Arbeitsbedingungen die Firmen umsetzen (oder eben nicht umsetzen), von denen sie sich beliefern lassen.

Wirtschaftsvertreter laufen Sturm

Schon geht ein Aufschrei durch die deutschen Chefetagen – verständlich, angesichts der weltumspannenden, zahlreiche Firmen und Subfirmen umfassenden Lieferketten. Nicht selten sind hier zehn, zwanzig oder mehr Firmen beteiligt, und nur weil eine davon Mist baut, sollen hierzulande Konzerne in die Pflicht genommen werden?

Die Wirtschaftsbosse verweisen auf die ohnehin schon schwierige Lage angesichts der Corona-Pandemie und den damit verbundenen konjunkturellen Einbrüchen. Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite allerdings ist das Ansinnen verständlich: Für Nachhaltigkeitsstandards im eigenen Hause haben viele hiesige Unternehmen längst gesorgt, kaum ein Konzern traut sich heutzutage noch, auf Frauenförderung, Familienfreundlichkeit oder Umweltrichtlinien zu verzichten. Anderswo in der Welt sieht das allerdings ganz anders aus.

Konzerne in der Verantwortung

Bedingt durch ihre enorme Marktmacht haben gerade große Unternehmen hier auch eine besondere Verantwortung. Sie sollten zumindest versuchen, auf entsprechende Standards auch bei ihren Zulieferern hinzuwirken, anstatt die Augen davor zu verschließen, wenn die Fertigung ihrer Produkte nur auf Kosten der Schwächsten oder des Planeten funktioniert.

Wenn drei Ecken weiter innerhalb der Lieferkette Kinder auf Kakaoplantagen ausgebeutet werden, Näherinnen unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten oder Fließbandarbeiter regelmäßig 16-Stunden-Schichten ohne nennenswerte Pausen durcharbeiten müssen, kann das nicht im Interesse deutscher Firmenbosse sein.

Nachhaltigkeit geht nur gemeinsam

Sicherlich lassen sich europäische Standards nicht mal eben 1:1 auf jedes andere Land übertragen und kleinere Verfehlungen wird es überall immer wieder geben. Doch systematische eklatante Verstöße gegen Umweltauflagen oder menschenunwürdige Arbeitsbedingungen sind ein Thema, auf das auch deutsche Konzernchefs ein Auge haben müssen, gerade innerhalb ihrer Lieferketten.

Europa hat sich für die kommenden Jahrzehnte den Wandel auf die Fahnen geschrieben und will gerade in puncto Umwelt- und Klimaschutz eine neue Vorreiterrolle einnehmen. Gelingen kann das nur, wenn auch die Unternehmen mit ins Boot geholt werden. Ein kritischer Blick auf die Lieferketten ist dabei grundsätzlich nicht schlecht – und doch nur ein Schritt von vielen.