Fachkräftemangel: Politik ignoriert 2 wichtige Stellschrauben

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Der demografische Wandel in Deutschland ist ein Problem. Das ist seit Jahrzehnten bekannt, doch erst jetzt scheint man sich der Thematik mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu widmen – zu einem Zeitpunkt, an dem es schon fast zu spät ist.

Politik und Wirtschaft streiten um demografischen Wandel

Die Babyboomer, die in den kommenden zehn Jahren in Rente gehen, werden eine massive Lücke im deutschen Arbeitsmarkt hinterlassen. Schon jetzt gibt es Gerangel um die älteren Fachkräfte mit ihrer langjährigen Erfahrung – wobei sich Wirtschaft und Politik gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.

So moniert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in steter Regelmäßigkeit die angeblich mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, Arbeitnehmer jenseits der 60 zu angemessenen Konditionen zu beschäftigen. Branchenverbände halten dagegen: Sie seien sehr wohl an der (Weiter)Beschäftigung ihrer erfahrenen Arbeitskräfte interessiert, aber die Politik habe zu starke Anreize für einen früheren Ruhestand gesetzt.

Wer soll wann in Rente dürfen?

Zankapfel ist dabei vor allem die abschlagsfreie Rente mit 63 für diejenigen Arbeitnehmer, die auf eine entsprechend lange Versicherungsdauer zurückblicken können. Eingeführt hatte das Instrument Heils Amtsvorgängerin und Parteifreundin Andrea Nahles vor einigen Jahren.

Fakt ist jedoch auch: Längst nicht in allen Berufen ist es den Beschäftigten überhaupt physisch möglich, mit über 60 noch tätig zu sein. Gerade körperlich belastende Berufe im Handwerk oder im Bereich Gesundheit und Pflege, in denen schon jetzt Personalnotstand herrscht, sind im höheren Alter kaum noch zu leisten.

Wo die Politik eigentlich ansetzen müsste

Viel wichtigere Stellschrauben als das politisch definierte Renteneintrittsalter oder die Personalpolitik der Unternehmen wären deswegen zwei andere Baustellen: das Rentensystem und die Zuwanderung.

Das umlagefinanzierte Rentensystem hat sich erkennbar längst überholt. Immer weniger Arbeitnehmer müssen für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen. Die Beiträge steigen, die Altersbezüge fallen hingegen immer schmaler aus – und auf eine eigene staatliche Rente brauchen heutige Berufseinsteiger kaum noch zu hoffen.

Es braucht eine grundlegende Rentenreform

Das System bedarf einer grundlegenden Reform, die sowohl Anreize als auch Möglichkeiten für alternative private Vorsorgekonzepte bereithält. Gerade die aktuelle Regierungskoalition wäre prädestiniert dafür, einen Mix aus sozialverträglicher, halbstaatlicher und halbprivater Altersvorsorge auf den Weg zu bringen. Das SPD-geführte Arbeitsministerium, der Finanzminister von der FDP und der grüne Wirtschaftsminister müssten hierfür eine gemeinsame, langfristig tragfähige Vision entwickeln, die aus mehr besteht als nur der Summe ihrer parteipolitisch gewünschten Einzelteile.

Ein Ansatz, der medial im vergangenen Jahr andiskutiert wurde, wäre ein Grunderbe in einer Größenordnung von etwa 20.000 Euro, die jedem Berufseinsteiger zur Verfügung gestellt werden. Damit würde das Sozialgefälle, das sich aus dem Vermögen der eigenen Familie ergibt, zumindest teilweise abgefedert. Alle hätten eine echte Chance, aus dem Startkapital ein kleines Vermögen für die eigene Alterssicherung aufzubauen.

Zuwanderer werden abgeschreckt

Von entsprechenden Ambitionen ist allerdings bislang aus Berlin wenig zu hören. Hier feilscht man lieber um ein paar Monate mehr Arbeit für Senioren, anstatt sich der potenziellen Innovationskraft an anderer Stelle zuzuwenden: junge, hochmotivierte Zuwanderer.

Die aktuelle wie auch die Vorgängerregierung sprechen viel von Fachkräfteeinwanderung, wollen Zuwanderung für entsprechend qualifizierte Menschen erleichtern – doch im Detail sieht es leider noch ganz anders aus. Denn die Hürden sind weiterhin hoch. Die Probleme reichen von den allgemeinen Hürden der deutschen Bürokratie über die an hohe Voraussetzungen geknüpfte Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bis hin zur Anforderung, erhebliche Barreserven auf dem Konto nachweisen zu müssen. Auch ein Jahresgehalt beim deutschen Arbeitgeber, das selbst deutsche Bürger mit akademischem Abschluss nicht ohne Weiteres erreichen, ist ein gern genommenes Kriterium, um ausländische Fachkräfte abzuschrecken statt einzuladen.

Bedarf besteht – auf beiden Seiten

Dabei besteht sowohl die Bereitschaft der Einwanderer als auch der Bedarf der Unternehmen, auch geringer qualifizierte Fachkräfte aufzunehmen oder die Anerkennungshürden der Realität anzupassen. Bislang aber zeichnet sich Deutschland vor allem dadurch aus, über Fachkräftemangel zu jammern und zugleich die Zuwanderung eben solcher Fachkräfte möglichst zu erschweren.

Bleibt das politische Berlin bei seiner bisherigen Abwehrhaltung, wird sich das Problem des demografischen Wandels nicht lösen lassen. Der Wohlstand des Landes ist damit auf lange Sicht in Gefahr.