EU-Kommission will Atomkraft als nachhaltig kennzeichnen

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Neues Jahr, neue Zeitrechnung: Zum Jahreswechsel sind in Deutschland mit Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C drei Atomkraftwerke vom Netz gegangen. Damit hat die Bundesrepublik die Schlussphase des 2011 beschlossenen Atomausstiegs begonnen. Zum nächsten Silvesterabend werden laut Plan die letzten drei verbliebenen Atommeiler in Deutschland vom Netz genommen, der Ausstieg aus dem Atomstrom wäre damit vollständig vollzogen – zumindest theoretisch.

Denn es ist kein Geheimnis, dass Strom auch international gehandelt wird – und die meisten Nachbarn in Europa sehr wohl weiterhin auf Atomstrom setzen.

Frankreich setzt proaktiv auf Atomstrom

Frankreich zum Beispiel denkt gar nicht daran, sich von der Technologie zu verabschieden. Ganz im Gegenteil: Deutschlands wichtigster Partner in Europa setzt sogar auf Forschungen für neue Atommeiler, um nach und nach die alten Anlagen zu ersetzen.

Es war dementsprechend insbesondere im Interesse Frankreichs, dass die EU-Kommission nun vorgeschlagen hat, die aus Atom- und Gaskraftanlagen gewonnene Energie als grün und nachhaltig zu kennzeichnen.

Im Hinblick auf die direkten Emissionen macht das durchaus Sinn: Durch die entsprechenden Anlagen wird weit weniger klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gepustet als etwa durch die in Deutschland nach wie vor betriebenen Kohlekraftwerke. Diese sollen nach dem Willen der neuen Bundesregierung möglichst bis zum Ende des Jahrzehnts abgeschaltet werden – wenn denn die Erneuerbaren bis dahin soweit sind, den Strombedarf tatsächlich abzudecken.

Grüne Bundesminister kritisieren Kommissionsentwurf

Die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, beide von den Grünen, kritisierten den Vorstoß der EU-Kommission scharf. Sie sprachen wörtlich von “Greenwashing” und betonten zudem, dass eine hochriskante Technologie wie die Kernenergie, die zudem radioaktive Abfälle erzeuge und damit Mensch und Umwelt auf lange Zeit hinaus belaste, nicht als nachhaltig eingestuft werden könne.

Noch ist der Kommissionsentwurf nicht final, in Beratungen kann das Papier in den kommenden Wochen noch angepasst werden. Doch in Sachen Atomstrom befindet sich Deutschland in Europa in einer Minderheitsposition. Insofern gilt es als recht wahrscheinlich, dass dieser Punkt auch gegen den Widerstand der sonst in Europa sehr mächtigen Bundesregierung bestehen bleibt.

Bei der EU-Taxonomie geht es in erster Linie darum, bestimmten Wirtschaftsaktivitäten das Label nachhaltig – und damit förderungswürdig – zu geben, nicht zuletzt, um Investoren anzulocken. Inwieweit die eine Zukunft in der Atomenergie sehen, bleibt abzuwarten.

Deutschlands Atomausstieg: Vorreiter oder Außenseiter?

Ob Deutschland sich mit seinem Ausstieg aus der Kernenergie in eine Vorreiter- oder eine Außenseiterposition begeben hat, werden wohl erst die kommenden Jahrzehnte zeigen. Mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Begrenzung der Erderwärmung hat sich die EU bereits auf die Fahnen geschrieben, in den kommenden 30 Jahren werden hierfür gewaltige Umwälzungen notwendig. Für die Gaskraftwerke etwa sieht der Kommissionsentwurf bis 2035 einen Übergang von fossilen Brennstoffen zu weniger klimaschädlichem Wasserstoff vor.