Konjunkturentwicklung: Warten auf den Post-Pandemie-Boom

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Die Bundesregierung und führende Wirtschaftsexperten sind sich sicher: Deutschland steht ein Aufschwung bevor. Die Frage ist nur, wann dieser beginnt.

Für das Gesamtjahr wurde die Wachstumsprognose gerade erst nach oben korrigiert. Für 2021 rechnet die Regierung nun mit einem Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent. Im ersten Quartal allerdings ging es erst einmal abwärts, und zwar kräftig: Um 1,7 Prozent brach die hiesige Wirtschaftsleistung ein, in anderen wichtigen Volkswirtschaften der Eurozone fielen die Rückgänge moderater aus.

Deutlicher Rückgang in Q1

So verzeichnete Spanien ein Minus von 0,5 Prozent im Zeitraum von Januar bis Ende März, Frankreich schaffte sogar ein Plus von 0,4 Prozent. Im Schlussquartal 2020 hatte das deutsche Bruttoinlandsprodukt noch um 0,5 Prozentpunkte zugelegt, doch die dritte Welle der Covid-19-Pandemie hat Deutschland schwer getroffen und weite Teile der Gesellschaft zurück in einen monatelangen Lockdown versetzt.

Das traf auch Teile der Wirtschaft, wobei sich seit Beginn der Pandemie eine erhebliche Spaltung zeigt: Während auf der einen Seite Branchen im Dienstleistungssektor, im Tourismus- und Veranstaltungsbereich oder auch in der Gastronomie sowie etliche kleine Einzelhändler unter den Beschränkungen und deren Folgen ächzen, etliche kleine Betriebe in Existenznot geraten und mehr als eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz verloren hat, boomen auf der anderen Seite einzelne Industriezweige.

Nachfrage aus China und den USA stützt deutsche Exporteure

Insbesondere exportorientierte Großkonzerne, aber auch Handwerksbetriebe oder Baumärkte wissen kaum noch, wie sie die prall gefüllten Auftragsbücher abarbeiten sollen. Getrieben wird die starke Entwicklung der Exportindustrie vor allem durch die starke Nachfrage aus den USA und China, wo die Konjunktur bereits seit einigen Monaten wieder kräftig anzieht.

China hatte im vergangenen Jahr mit extrem strickten Lockdown-Maßnahmen die Pandemie vergleichsweise schnell hinter sich gelassen, die USA stützen den privaten Konsum durch umfangreiche Hilfsgelder und Konjunkturpakete. In Deutschland hingegen stecken Hilfszahlungen für die von Corona besonders stark betroffenen Branchen häufig monatelang im bürokratischen Verfahren fest, auch die Impfkampagne gewinnt erst allmählich an Fahrt und die Lockdown-Maßnahmen werden durch die Halbherzigkeit ihrer Umsetzung immer weiter verlängert.

Q2 schwächer als erwartet?

Da diese nun auch schon weit ins zweite Quartal hineinreichen, rechnen Wirtschaftsexperten damit, dass die Konjunkturentwicklung im Zeitraum von April bis Ende Juni hinter den Erwartungen zurückbleiben könnte und die spürbare Erholung erst in der zweiten Jahreshälfte einsetzt. Erschwerend hinzu kommen die Probleme in der für Deutschland so wichtigen Automobilbranche, ausgelöst durch einen weltweiten Mangel an dringend benötigten Chips. Landauf, landab stehen deswegen die Produktionsanlagen immer wieder still, was sich nach starken Auftaktquartalsbilanzen wohl in den Zahlen zum zweiten Quartal sichtbar niederschlagen wird.

Dennoch soll der Turnaround zur Jahresmitte hin erfolgen, schon im kommenden Jahr könnte in vielen Bereichen das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden. Die langfristigen Kollateralschäden aber dürften noch länger nachwirken: Anderthalb verlorene Schul- und Ausbildungsjahre, massenhafter Jobverlust, ein Anstieg bei der Zahl der Langzeitarbeitslosen, die mehr als 12 Monate erwerbslos bleiben sowie eine Pleitewelle bei vielen kleineren Betrieben werden ihre Spuren hinterlassen. Der Reformbedarf im Pflegebereich wie auch im Bildungswesen ist durch die Pandemie deutlich zutage getreten, die Digitalisierung muss deutlich beherzter als bisher angegangen werden.

Umfassende Infrastrukturprojekte voraus

Doch auch abseits der direkten Folgen der Pandemie stehen in den kommenden Jahren tiefgreifende Infrastrukturmaßnahmen auf der politischen Agenda. Gerade erst wurden sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene strengere Klimaschutzziele beschlossen, es soll nun schneller gehen als bislang geplant mit der Klimaneutralität und der Reduzierung der CO2-Bilanz.

Dafür aber braucht es eine Verkehrswende, mehr Bahn statt Flugzeug, mehr öffentlicher Personennahverkehr anstelle voller Autobahnen, mehr Elektro, weniger Verbrenner. In den vergangenen Jahren war davon wenig zu spüren. Das Schienennetz verfällt zusehends, das Flugticket ist immer noch in vielen Fällen günstiger als die Bahn auf gleicher Strecke, Radfahrer sind in den für Autos konzipierten Innenstädten häufig kaum vorgesehen und fahren entsprechend gefährlich. Hier wird es mittelfristig nicht nur ein gesellschaftliches Umdenken, sondern auch beherzte politische Investitionen brauchen – die immerhin dann den Aufschwung der beteiligten Branchen zusätzlich vorantreiben dürften.

Brexit-Folgen: Großbritanniens Wirtschaft hinkt hinterher

Nachdem sich China und die USA bereits wieder auf Wachstumskurs befinden und Europa langsam aber sicher ebenfalls in diese Richtung schwenkt, bleibt ein Land allerdings weitgehend außen vor: Großbritanniens Wirtschaft leidet neben der Pandemie auch unter den Folgen des EU-Austritts. Der Brexit wird neuen Umfragen zufolge von vielen Unternehmen als bedrohlicher eingestuft als Corona. Entgegen des Trends sackte die Wirtschaftsleistung der Briten zuletzt kräftig ab, allein der Außenhandel mit der EU brach um gut 40 Prozent ein.

Premier Boris Johnson sieht darin lediglich anfängliche Anlaufschwierigkeiten, Ökonomen befürchten allerdings eine Manifestierung struktureller und systemischer Probleme, die auch nach dem Abflauen der Pandemie und der Gewöhnung an den Post-Brexit-Alltag nicht abreißen und die britische Wirtschaftsleistung nachhaltig belasten könnten.