Deutsche Unternehmen fürchten Energie-Engpässe

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Die Inflation ist hoch, die Wirtschaft geschwächt und die Stimmung im Keller: So lässt sich dieser Tage die Gemengelage an den Märkten zusammenfassen.

Es ist vor allem die Angst vor einem möglichen kompletten Stopp der Gaslieferungen aus Russland, die deutsche Politiker und Unternehmer umtreibt. Gleich mehrere Studien belegten in den vergangenen Tagen und Wochen die pessimistischen Aussichten mit Blick auf die Konjunkturentwicklung der kommenden Monate.

ZEW-Studie: Europa und Deutschland besonders stark von Energiekrise betroffen

So kommt eine Studie des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen zu dem Ergebnis, dass Europa deutlich stärker von den Preissteigerungen im Energiesektor betroffen ist als etwa die USA, Kanada oder Japan. Innerhalb Europas sind demnach die Niederlande und Deutschland besonders abhängig von russischem Gas und dementsprechend stark anfällig für Preissteigerungen oder Rohstoffknappheit.

Die ZEW-Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährdet ist. Vor allem für Unternehmen aus energieintensiven Branchen verliert Deutschland durch hohe Energiekosten an Attraktivität. Besonders betroffen wären laut der Studie des ZEW die Bereiche Metallverarbeitung, Chemie und Papier. Dies wiederum könnte aufgrund fehlender Vorprodukte weitere Branchen in Mitleidenschaft ziehen.

Bayerische Wirtschaft warnt vor zweistelligem Wirtschaftseinbruch

Eine weitere Analyse im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hat sich mit den möglichen Folgen eines abrupten Gaslieferstopps aus Russland beschäftigt. Sollten die Gaslieferungen im zweiten Halbjahr, also ab Juli, komplett ausbleiben, drohe ein Absturz der deutschen Wirtschaftsleistung um 12,7 Prozent, so die Berechnungen. Auch diese Studie sieht die Chemie-, Glas- und Stahlindustrie als besonders gefährdet an, mit entsprechenden Folgeerscheinungen für weitere Wirtschaftszweige. Unter anderem die für Deutschlands Bruttoinlandsprodukt so wichtige Automobilindustrie würde in einem solchen Szenario wohl mit in den Abgrund gerissen.

Damit schlägt die bayerische Wirtschaft deutlich stärker Alarm als andere Wirtschaftsforscher. Verschiedene Schätzungen hatten den Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts im Falle ausbleibender russischer Gaslieferungen wesentlich moderater eingeschätzt und mit 0,2 bis 8 Prozent beziffert. Allein diese weite Spanne verdeutlicht die Uneinigkeit der Ökonomen und somit die Verunsicherung bei Unternehmen und Anlegern – zumal russische Gaslieferungen nur eine unter vielen Variablen sind, die erheblichen Einfluss auf Deutschlands Wirtschaftsleistung nehmen können.

Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt stärker als erwartet

Angesichts drohender Energieengpässe zeigt man sich auch in den Managementetagen deutscher Unternehmen zunehmend besorgt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der im April und Mai noch angestiegen war, brach im Juni ein. Zwar hatten Experten einen Rückgang erwartet, dieser fiel aber drastischer aus als gedacht: Anstelle der prognostizierten 92,9 Punkte lag der Index nur noch bei 92,3 Zählern nach 93,0 Punkten im Vormonat.

Zur Berechnung des Barometers befragt das Münchener Ifo-Institut monatlich rund 9.000 Manager über ihre Einschätzung der aktuellen sowie künftigen Lage ihrer Unternehmen, wobei in der Regel die kommenden 6 Monate in den Blick genommen werden. Zudem haben die Wirtschaftsforscher ihre Wachstumsprognose nochmals nach unten korrigiert: Anstelle eines Wirtschaftswachstums von 3,1 Prozent rechnet das Ifo-Institut nur noch mit einem Plus von 2,5 Prozent im laufenden Jahr und einer Erholung auf 3,7 Prozent im kommenden Jahr.

Allerdings stehen auch diese Prognosen unter Vorbehalt – denn alles steht und fällt mit den russischen Gaslieferungen. Sollten diese ausbleiben oder dauerhaft rationiert werden, rechnen die meisten Ökonomen mit einem Abrutschen in eine tiefe Rezession in den Wintermonaten.