Bundesregierung beschließt Entlastungspaket: Wird Sprit wirklich günstiger?

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Seit der vergangenen Woche ist es beschlossene Sache: Der Bundestag hat das Entlastungspaket der Bundesregierung durchgewunken, das vielfältige finanzielle Entlastungen für die Bürger bringen soll. Neben Einmalzahlungen für Arbeitnehmer und Familien mit Kindern sind es vor allem zwei Maßnahmen, die dabei im Zentrum stehen: das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt.

Beides kostet die Staatskasse Milliarden, beides ist in der tatsächlich entlastenden Wirkung umstritten – und beides könnte in der Praxis zu neuen Problemen führen. Dabei ist nicht einmal der Ansturm auf Sylt gemeint, den viele Fans der Nordseeinsel in den Sommermonaten geradezu fürchten. Stattdessen dürfte sich das 9-Euro-Ticket auch andernorts als nur mäßig zielführend erweisen.

Pendler fürchten zusätzliches Gedränge

Beispiel Pendler: Sie sollten eigentlich speziell entlastet werden durch das günstige Ticket, das die deutschlandweite Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs für 9 Euro im Monat ermöglicht. Doch weil die Maßnahme nun ausgerechnet in die Monate Juni, Juli und August fällt – also gerade jene Zeit, in der die Sommerferien und damit die Haupturlaubszeit anstehen –, profitieren Berufspendler nur bedingt.

Tatsächlich dürften diejenigen, die ohnehin schon täglich mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren, sogar eher negative Auswirkungen zu spüren bekommen. Verkehrsbetriebe rechnen mit einem gigantischen Ansturm und entsprechend überfüllten Fahrzeugen, das dichte Gedränge, das viele aus dem täglichen Pendlerverkehr bereits kennen, dürfte sich verschärfen.

Abschreckende ÖPNV-Erfahrung?

Das wiederum wirkt zugleich abschreckend auf diejenigen, die den ÖPNV ansonsten meiden und ihm nun wegen des 9-Euro-Tickets eine Chance geben wollen: Eine ebenso überfüllte wie überforderte Bahn wirkt wenig attraktiv, viele dürften sich nach einmaligem Experiment wieder abwenden.

Jenseits von Sylt zumindest setzen Hoteliers und Gastwirte auf spürbare Effekte für den innerdeutschen Tourismus. Urlaub in Deutschland könnte durch das vergünstigte Ticket tatsächlich für viele eine Option werden, die den Sommerurlaub ansonsten beispielsweise an holländischen Küsten verbracht haben.

Fehlende Infrastruktur im ländlichen Raum

Kritik kommt aus den ländlichen Gebieten: Wo der Bus nur alle paar Stunden fährt, wird er auch durch günstigere Preise kaum an Relevanz gewinnen. Jenseits der Großstädte dürften also viele auch weiterhin aufs Auto setzen.

Und tatsächlich hat sich die Regierung ja auch für diese Zielgruppe etwas einfallen lassen – zumindest in der Theorie. Parallel zum subventionierten ÖPNV-Ticket soll an den Tankstellen der Spritpreis sinken. Weil der Staat vorübergehend auf entsprechende Steuern verzichtet, soll Diesel um rund 14 Cent pro Liter günstiger werden, Benzin sogar um knapp 30 Cent pro Liter.

Leere Zapfsäulen zum 1. Juni?

Die Sache hat allerdings ebenfalls einen Haken. Denn die Steuer wird nicht an den Tankstellen selbst erhoben, hier wird sie lediglich an die Endkunden weitergegeben. Fällig wird die Steuer für die Tankstellenbetreiber jedoch zuvor im Einkauf.

Beobachter rechnen deswegen damit, dass viele Tankstellen ihre Reserven bis zum Start am 1. Juni weitgehend leerlaufen lassen, um sie dann mit vergünstigten Spritlieferungen wieder aufzufüllen. Das bedeutet: Ausgerechnet rund um den Stichtag 1. Juni dürfte an vielen Tankstellen der Republik kaum Sprit verfügbar sein, während zugleich mit einem starken Ansturm der Kunden gerechnet wird.

Steigende Nachfrage bei sinkendem Angebot?

Hohe Nachfrage, niedriges Angebot – klingt nach steigenden Preisen. Tatsächlich könnten Tankstellenbetreiber in Versuchung geraten, die Spritpreise bis Ende Mai noch einmal in die Höhe zu schrauben, sodass selbst die 30 Cent Nachlass den Literpreis nur unwesentlich unter die Schwelle von 2 Euro sinken lassen. Fraglich ist zudem, ob die Steuererleichterung tatsächlich in vollem Umfang an die Kunden weitergereicht wird – die Regierung bittet darum, gezwungen sind die Konzerne dazu aber nicht.

Wer vom günstigeren Spritpreis profitieren will, sollte also möglichst nicht den Tank leerfahren und dann mit den letzten Tropfen am 1. Juni zur Zapfsäule rollen. Es empfiehlt sich vielmehr, die ersten paar Tage abzuwarten – und stets die Preise zu vergleichen. Nicht selten machen ein paar hundert Meter zur weiter entfernt gelegenen Tankstelle schon einen Preisunterschied von mehreren Cent pro Liter aus, übrigens auch ganz ohne staatliche Rabatt-Aktionen.

Verkehrswende braucht nachhaltige Investitionen in Infrastruktur

Wie nachhaltig die nun beschlossenen Maßnahmen sein werden, bleibt abzuwarten. Es ist gut und richtig, dass die Ampel-Koalition sich etwas einfallen lässt, um die Bürgerinnen und Bürger angesichts rekordverdächtiger Inflationsraten zu entlasten.

Das 9-Euro-Ticket könnte Begehrlichkeiten wecken und den Ruf nach einem dauerhaft günstigen ÖPNV-Angebot lauter werden lassen. Das wäre ganz im Sinne der Klimaschützer und der grünen Regierungspartei. Allerdings wäre für eine echte Verkehrswende weitaus mehr nötig als ein vergünstigtes Ticket. Stattdessen bräuchte es Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur, um das Angebot derart auszubauen, dass es auch jenseits der Sommermonate für die tägliche Nutzung attraktiver wird als bisher.

Versickern Steuermilliarden bei Ölkonzernen?

Wer in Berlin, Hamburg oder München wohnt, findet in Sachen ÖPNV bereits jetzt gute Bedingungen vor. In vielen anderen Städten ist die Situation eine andere, von ländlichen Regionen ganz zu schweigen.

Inwieweit die Steuerreduzierung bei den Spritpreisen tatsächlich bei den Verbrauchern ankommt, ist ebenfalls fraglich. Es bleibt zu hoffen, dass hier nicht Steuermilliarden aus dem Finanzministerium am Ende bei den Ölkonzernen versickern.