Europäische Zentralbank zögert bei Zinswende

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Neues Jahr, alte Zinspolitik: Auf ihrer ersten Sitzung 2019 haben die europäischen Notenbanker – wie erwartet – noch einmal bekräftigt, an der Nullzinspolitik vorläufig festhalten zu wollen.

Zwar hatte die Europäische Zentralbank rund um Notenbankchef Mario Draghi Ende 2018 eine beginnende Zinswende und somit schrittweise Normalisierung ihrer Geldpolitik angekündigt. Inzwischen jedoch ist klar: Das wird frühestens im Herbst geschehen, womöglich auch erst 2020 oder gar noch später.

Einen minimalen Schritt, nämlich eine geringfügige Abmilderung der Negativzinsen, die Banken derzeit zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB zwischenlagern, erwarten manche Beobachter für Oktober 2019, als gewissermaßen letzte Amtshandlung des dann scheidenden EZB-Präsidenten Draghi.

Die Kraftanstrengung einer tatsächlichen Zinswende wird jedoch aller Voraussicht nach seinem Nachfolger zufallen – und könnte sich noch eine ganze Weile hinziehen, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind alles andere als günstig.

Schlechte Rahmenbedingungen für Zinswende

So bewegte sich die Inflationsrate im Euroraum im November und Dezember wieder unterhalb der von der Notenbank angestrebten Marke von 2 Prozent, die über die Sommermonate erreicht werden konnte. Doch nicht nur die schwächelnde Inflation, sondern auch eine insgesamt nachlassende Wachstumsdynamik dürften das Interesse der Notenbanker an einer zeitnahen Zinswende dämpfen.

Für das deutsche Bruttoinlandsprodukt wurde die Prognose für das neue Jahr bereits nach unten korrigiert, auch im Euroraum insgesamt kühlt sich die Konjunktur merklich ab. Für diese Entwicklung verantwortlich sind verschiedene Faktoren, nicht zuletzt aber der nach wie vor andauernde Handelsstreit zwischen den USA und China, der dank globalisierter Handelsverflechtungen indirekt auch europäische Unternehmen trifft.

Der nahende Brexit mit immer noch unklarem Ausgang veranlasst zudem immer mehr Unternehmen dazu, die britischen Inseln zu verlassen, aufs Festland umzusiedeln und Notfallpläne auszuarbeiten für den nicht ausgeschlossenen Fall eines „harten“ Brexit ganz ohne Abkommen.

Risikofaktor Italien

Von einer Rezession ist die Euro-Zone zwar noch ein gutes Stück entfernt, doch sollten die Konjunktursorgen sich in den kommenden Monaten ausweiten, könnte das fatale Folgen haben – denn der wirtschaftspolitische Kurs in Italien wird in Brüssel nach wie vor mit großer Sorge gesehen.

Ein Abschwung würde die italienische Wirtschaft insgesamt, vor allem aber die ohnehin schon angeschlagene Bank- und Finanzindustrie hart treffen und könnte schlimmstenfalls die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone ins Wanken bringen.

Zwar befürworten immer mehr Ökonomen wie auch befragte Unternehmen eine allmähliche Normalisierung des Zinsniveaus, doch das Zögern der Notenbanker dürfte noch eine Weile andauern. Aus Anlegersicht bedeutet das: Bankeinlagen werfen nach wie vor kaum genug Zinsen ab, um die Inflation auszugleichen, Sparguthaben verlieren de facto an Wert.

Renditeträchtiger und somit attraktiver bleiben alternative Anlageformen wie Investitionen in Aktien oder Rohstoffe – allerdings sind diese mit den üblichen Ausfallrisiken verbunden.