Zwischen KI-Euphorie und Realitätscheck

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Nach der jüngsten Rekordrally an der Wall Street war am Dienstag ein bisschen die Luft raus. Zwar knackten Nasdaq und S&P 500 im frühen Handel neue Höchstmarken – doch am Ende überwog Katerstimmung: Der Nasdaq 100 fiel um 0,55 %, der S&P 500 gab 0,38 % nach, und selbst der Dow Jones musste mit einem Minus von 0,2 % klein beigeben.

Nach wochenlangem Höhenflug dank der KI-Euphorie scheint der Markt nun eine Verschnaufpause einzulegen. Händler berichten von einer gewissen Ermüdung – befeuert durch neue US-Zölle und den weiter andauernden Regierungsstillstand in Washington.

Auch in Asien war die Stimmung am Mittwoch gedämpft. Der Hang Seng Index in Hongkong verlor rund 1 %, belastet von deutlichen Kursrückgängen bei Tech-Größen wie BaiduAlibaba und JD.com. Selbst Branchenprimus Tencent musste Federn lassen. Der Grund: Frische Zweifel an den Margen im Cloud-Geschäft von Oracle ließen die Hoffnung auf ungebremste KI-Gewinne etwas erkalten.

In Japan kühlt sich die jüngste Rally ebenfalls ab. Der Nikkei 225 trat auf der Stelle – die Märkte sind zwar erleichtert über die neue Premierministerin Sanae Takaichi, doch bleibt unklar, wie sie ihre großzügigen Ausgabenpläne finanzieren will. Der Yen fiel, die Inflation steigt, und die Bank of Japan steht vor einem klassischen Dilemma: Zinsen anheben oder Konjunktur stützen?

Unternehmensnachrichten & Einzelaktien: Gewinner, Verlierer und Brandherde

Die Tech-Schwergewichte bleiben die heimlichen Taktgeber an der Wall Street:

  • IBM legte um 1,5 % zu – der Traditionskonzern will gemeinsam mit Anthropic KI-Module für Unternehmenssoftware entwickeln.
  • Dell sorgte für Begeisterung: Nach einer Verdopplung der Umsatz- und Gewinnprognosen schoss die Aktie um 3,5 % nach oben. KI-Hardware bleibt also gefragt.
  • Constellation Brands, bekannt für Biermarken wie Corona, überzeugte mit starken Quartalszahlen und stieg um 1 %.

Weniger erfreulich lief es bei Oracle (–2,5 %): Schwache Margen im Cloud-Geschäft mit Nvidia-Chips sorgten für Druck – und rissen prompt auch Nvidia selbst leicht ins Minus.

Richtig hart traf es Ford: Nach einem Brand bei einem Aluminium-Zulieferer drohen dem Autobauer monatelange Produktionsstörungen. Die Aktie rauschte über 6 % in die Tiefe.

In Asien glänzte derweil BYD mit einem Plus von 2 % – Tesla hatte mit neuen Low-Cost-Modellen enttäuscht und prompt 5 % verloren. In Australien sorgte James Hardie Industries für ein Highlight: Der Baustoffhersteller sprang nach starken Quartalszahlen um 10 % nach oben.

Politischer Einfluss: Stillstand, Spannung und Projektionen

Die Märkte blicken derzeit gebannt auf die Politik – in den USA und Europa gleichermaßen.

In Washington zieht sich der Government Shutdown in die zweite Woche, während die US-Notenbank Fed mit den Nachwehen ihrer jüngsten Zinssenkung beschäftigt ist. Das Fed-Protokoll wird heute Abend veröffentlicht – besonders spannend: Erstmals nahm der neue, Trump-nahe Fed-Direktor Stephen Miran teil und plädierte gleich für eine doppelt so starke Zinssenkung wie beschlossen. Das dürfte Zündstoff für die Märkte bieten.

In Deutschland richtet sich der Blick auf die Herbstprojektion der Bundesregierung: Wirtschaftsministerin Katharina Reiche erwartet ein Miniwachstum von 0,2 % für 2025 – doch ab 2026 soll die Konjunktur wieder an Fahrt aufnehmen. Auch wenn die Industrieproduktion zuletzt wohl leicht rückläufig war, bleibt das DAX-Rekordhoch bei 24.639 Punkten in Reichweite. Der Index schloss gestern nahezu unverändert bei 24.385 Punkten.

Politisch wird’s heute Abend spannend: Im Koalitionsausschuss treffen sich SPD, CDU und CSU, um über Bürgergeld, das Verbrenner-Aus 2035 und andere Dauerbrenner zu verhandeln.

Fazit:

Die Börsen scheinen nach Wochen der KI-getriebenen Euphorie etwas Realitätssinn zurückzugewinnen. Politische Unsicherheiten, Handelsstreitigkeiten und ein Hauch von Zinsdrama sorgen für Nervosität – aber auch für neue Chancen. Anleger sollten in dieser Gemengelage nicht in Panik verfallen, sondern gelassen bleiben: Nach jeder Rally folgt eine Pause – und manchmal ist genau das der Anfang der nächsten Aufwärtsbewegung.