Wie investieren in einer Rezession?

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Die Welt steht vor einer Rezession, falls einzelne Staaten nicht schon mitten drin sind. Sind Aktieninvestments momentan sinnvoll? Ja, aber in die „richtigen“ Werte.

Vor ziemlich genau zehn Monaten haben die Weltbörsen ihre rasante Rekordfahrt im Anschluss an den Corona-Crash beendet und den Rückwärtsgang eingelegt. Und seit März/April befinden sich die wichtigsten Aktienmärkte in einer Baisse – auch Bärenmarkt genannt. Sie haben also seit ihren  Kurshochs zumindest vorübergehend  mindestens 20 Prozent eingebüßt. Wie sollen sich Anleger in so einem Bärenmarkt bzw.in einem rezessiven wirtschaftlichen Umfeld verhalten? Was lehrt uns die Börsengeschichte?

Bärenmarkt-Rallyes oder Börsenwende?

Wann eine Baisse zu Ende ist, lässt sich in den meisten Fällen nur schwer voraussagen. Denn Bärenmärkte sind durch starke Kursschwankungen, kräftige und oft abrupte Richtungswechsel und große Spannbreiten – sprich Unsicherheiten –  der Wirtschafts- und Börseneinschätzungen gekennzeichnet. Manche Anleger können das Ende der Baisse kaum erwarten und stellen sich ihr individuelles Investment Portfolio, lange bevor die Märkte ihre Tiefpunkte erreicht haben, zusammen.

Das ist der Stoff, aus dem Bärenmarkt-Rallyes gemacht werden, also längere Erholungsphasen, wie wir sie in diesem Jahr mehrmals erlebt haben. Andere warten lieber ab, bis die Sicht auf die Entwicklung von Konjunktur, Geldpolitik, Geopolitik und Unternehmensgewinne klarer ist. Mit dieser Strategie aber sind sie oft viel zu spät dran. Denn wenn die Konjunktur für alle sichtbar nach oben dreht,  ist ein neuer Kursaufschwung häufig schon eine ganze Weile unterwegs.

Eines sollte man nämlich nie vergessen: Aktienmärkte eilen ihrer Zeit in der Regel um rund neun Monate voraus – mal etwas kürzer, mal etwas länger. Die Kurse reagieren weniger auf aktuelle als auf zukünftig erwartete Entwicklungen. Meistens springen die Börsen deswegen schon lange vor einer Konjunkturwende an, wie in der Finanzkrise 2008/2009, als der Bärenmarkt ab März 2009 einem ausgeprägten Bullenmarkt Platz machte. Und das, obwohl die Konjunktur 2009 tief in die Rezession rutschte und erst 2010 wieder drehte.

André´Kostolanys Erfahrung mit „Lügnern“

Zu lange mit dem Einstieg abzuwarten kann deshalb ebenso falsch sein wie zu früh auf eine Wende zu setzen. Den Tiefpunkt einer Baisse erwischen, so ein Bonmot von Börsenlegende André Kostolany, ohnehin nur Lügner.

Eine wichtige Grundregel in der Baisse lautet daher, nicht alles auf einmal investieren. Sicherer und langfristig meistens erfolgreicher ist es, das Anlagekapital in Tranchen aufzuspalten und es nach und nach – vor allem nach starken Kursrückschlägen oder gravierenden finanz- und geldpolitischen Änderungen – zu investieren.

Das richtige Timing zu finden ist in einer Baisse noch schwieriger als in normalen Börsenzeiten.  Wie viele Tranchen man bilden sollte, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Drei bis fünf sollten es aber mindestens sein, damit das Geld nicht ganz verbraten ist, wenn die Kurse weiter fallen. Damit können Anleger durchschnittliche Einstiegskurse erzielen, die sich langfristig auszahlen.

Breit streuen sorgt für mehr Sicherheit

Eine zweite Regel betrifft die Streuung. Sie sollte breit über verschiedene Branchen und Regionen ausfallen. Denn wer am besten und frühesten aus der Krise kommt, hängt von vielen, oft unwägbaren Faktoren ab. Wer breit aufgestellt aus der Krise kommt, profitiert zumindest mit einem Teil des Kapitals von einem Aufschwung.

Drittens sollten Anleger in einem Bärenmarkt Aktien von Unternehmen übergewichten, die auch in schlechten Konjunkturzeiten gut verdienen. Dazu zählen der Gesundheitssektor mit Schwerpunkt Pharmaindustrie sowie der Basiskonsum, also Dinge des täglichen Bedarfs, die auch in einer Rezession unverzichtbar sind wie Nahrungsmittel, Hygieneartikel oder Reinigungsmittel.

Viertens eignen sich Aktien mit relativ sicheren hohen Dividendenrenditen sehr gut  als Beimischung und Sicherheitsnetz. Hohe Ausschüttungen bieten einen gewissen Schutz vor enormen Kursverlusten und vor der Inflation und sorgen für einen Zufluss an neuem, anlagefähigem Kapital.

Gefallene Engel nicht vergessen

Nicht ganz außer Acht lassen sollten Anleger fünftens besonders tief gefallene Aktien – die „Fallen Angels“ –aus konjunkturabhängigen Sektoren, bei denen die Erträge im Abschwung besonders stark leiden. Das ist ein erheblicher Teil der „Old Economy“ wie Maschinebau, Elektro- oder Stahlindustrie, die in der Baisse in der Regel am heftigsten fallen, aber nach der Kurswende schnell und stark aufholen.

Ähnliches gilt für Technologiewerte, die wegen steigender Zinsen unter die Räder gekommen sind, aber nach der Zinswende große Erholungschancen haben. Für diese gefallenen Engel bietet sich die Tranchen-Strategie besonders an, insbesondere wenn der Bärenmarkt schon länger anhält.

Bärenmärkte dauern viel kürzer als Bullenmärkte

In der Vergangenheit haben Baissen in der Mehrzahl der Fälle ein bis eineinhalb Jahre gedauert, manche wie der Corona-Crash von 2020 aber einmal einen Monat, andere wie der Dot.com-Crash von 2000 dagegen volle drei Jahre. Aber fast jedes Mal folgte eine kraftvolle Hausse, die viel höhere Kursgewinne bescherte als die Baisse zuvor Verluste verursacht hatte. Kein Wunder, haben Bullenmärkte doch im Durchschnitt  vier- bis  fünfmal so lang gedauert wie Bärenmärkte. In der Baisse den Kopf in den Sand zu stecken hat sich deswegen meistens als falsche Strategie erwiesen. Denn im Bärenmarkt werden die Grundlagen für künftige Gewinne im Bullenmarkt gelegt.