Wenn Daten Macht werden: Warum WiseTech E2open schluckt

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Es ist eine Übernahme, die es in sich hat – nicht, weil sie die größten Summen aufruft oder gleich die halbe Branche umkrempelt, sondern weil sie strategisch so schön auf dem Schachbrett der globalen Logistiksoftware platziert ist. Der australische Branchenriese WiseTech Global holt sich für 2,1 Milliarden Dollar den US-Konkurrenten E2open ins Haus. Ein Deal, der nicht nur die Produktpalette erweitert, sondern auch geografisch Türen öffnet. Und ein Fingerzeig an die Konkurrenz: Hier entsteht ein neuer Logistiksoftware-Gigant mit Ambitionen.

Zwei Softwarewelten, eine Lieferkette

Sowohl WiseTech als auch E2open bewegen sich im gleichen Kosmos: Softwarelösungen für globale Lieferketten. Doch während WiseTech sich über Jahre hinweg als unangefochtener Spezialist für Zollabwicklung, Frachtdokumentation und Transportmanagement einen Namen gemacht hat – insbesondere im Bereich Luft- und Seefracht – war E2open eher der Dirigent im Hintergrund. Die Amerikaner bieten Software an, mit der Konzerne ihre gesamte Lieferkette orchestrieren: vom Einkauf über Produktion, Lagerhaltung und Transport bis zur Nachfrageprognose.

Strategie mit Weitblick: Plattform statt Einzellösung

Für WiseTech-CEO Richard White ist der Deal kein bloßer Zukauf, sondern ein Baustein im langfristigen Plan, die umfassendste End-to-End-Logistikplattform der Welt zu schaffen. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen zahlreiche kleinere Firmen übernommen – stets mit dem Ziel, Funktionalität, geografische Reichweite und Branchen-Know-how zu bündeln. Mit E2open kommt nun erstmals ein echtes Schwergewicht ins Haus: 4.000 Mitarbeiter, rund 607 Millionen Dollar Jahresumsatz und zahllosen Kunden weltweit – darunter Branchengrößen wie Unilever, HP und Procter & Gamble.

Der Vorteil: E2open bringt nicht nur Kunden mit, sondern auch eine skalierbare Cloud-Plattform, die sich tief in bestehende ERP-Systeme einfügt. Für WiseTech, das bisher stark im operativen Tagesgeschäft der Logistik verankert war, ist das der Aufstieg in die Chefetage der Lieferkette – weg vom „Wie“, hin zum „Warum“.

Warum dieser Deal mehr ist als ein Übernahme-Roulette

Hinter der Kulisse geht es ums große Ganze: WiseTech will mit E2opens Netzwerk seinen „Data Moat“ – den schützenden Datenwall – ausbauen . Kombiniert man E2opens Echtzeit-Supply-Chain-Daten mit WiseTechs Logistik-Feuerkraft, entsteht ein Orwell’scher Wissensspeicher über den globalen Warenverkehr. Der Clou: Beide Firmen bedienen unterschiedliche Phasen der Lieferkette – WiseTech im Transport, E2open in Produktion und Vertrieb . Zusammen könnten sie erstmals eine durchgängige Plattform von der Fabrikhalle bis zur Haustür anbieten.

Deal-Details: Schnäppchen oder teure Liebesheirat?

Für 3,30 Dollar pro Aktie greift WiseTech zu – ein 68%-Aufschlag gegenüber dem Kurs vor den Gerüchten . Klingt üppig, doch der Preis ist clever kalkuliert: Bei 5.600 Neukunden und Zugang zu 90% der Top-Ozeanfrachter  könnte sich die Investition schnell amortisieren. Dabei ist das Objekt der Begierde hochprofitabel. Bei 87% wiederkehrenden Umsätzen erzielte E2open zuletzt eine EBITDA-Marge von 36%.

Zukunftsmusik: Wenn Algorithmen den Welthandel dirigieren

Der Deal könnte die Logistikbranche auf den Kopf stellen: Stellen Sie sich vor, ein Schokoladenhersteller in Belgien plant seine Kakaolieferungen aus Ghana anhand von Machine-Learning-Prognosen aus Texas, während ein Algorithmus in Sydney gleichzeitig die besten Frachtrouten errechnet – alles in Echtzeit und ohne menschliches Zutun. Klingt nach Science-Fiction? Mit der hohen Marktabdeckung nach der Fusion könnte dieses Szenario schneller Realität werden, als sich manch einer vorstellen kann.

Fazit: WiseTech zahlt 2,1 Milliarden Dollar nicht für Software, sondern für den Schlüssel zur Blackbox der globalen Lieferketten. Ob sich der Kaufpreis rechnet? Fragen Sie in fünf Jahren – wenn Ihr Paket aus China bereits weiß, dass Sie es zurückgeben wollen, bevor es überhaupt geliefert wird.