Was bedeutet das Afghanistan-Desaster für die Aktienmärkte?

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Nach 20 Jahren im Schatten der westlichen Streitkräfte haben die Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernommen. Die Ereignisse haben sich in den letzten Tagen so überstürzt, dass dies Fragen nach der Stabilität des Mittleren Ostens und potenziellen Verwerfungen der Aktienmärkte aufwirft. Die Frage ist auch deshalb brisant, da die wichtigsten US-Indizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq Composite nahe ihren Höchstständen notieren.

Bullenmarkt der US-Börsen nicht in Gefahr

„Für die Amerikaner, die dort noch ausharren, ist das eine furchtbare Situation“, sagt J. J. Kinahan Chef-Analyst des US-Brokers TD Ameritrade. Das gilt natürlich nicht nur für die Amerikaner. „Was die Aktienmärkte anbelangt, müssen wir die längerfristigen Auswirkungen noch abwarten.“ Eine kurzfristige Reaktion ist aber schon jetzt zu sehen. Anleger nutzen die aufkommende Unsicherheit, um Gewinne mitzunehmen. Die wichtigsten US-Indizes geben etwas nach, der trotz der Viruspandemie intakte Bullenmarkt ist aber nicht in Gefahr.

2,26 Billionen US$ hat der Afghanistan-Konflikt gekostet

Biden vollzieht zwar nur den Rückzug aus Afghanistan, den Trump zuvor angekündigt hatte – doch dies geschah gegen den ausdrücklichen Rat von Bidens Top-Militär-Kommandeuren. Offenbar hat man einen derart schnellen Kollaps des mühsam aufgebauten Afghanistans nicht erwartet oder die Gefahr schlicht in Kauf genommen. Das Watson Institute der Brown University in der Nähe von New York schätzt die Kosten des langen Afghanistan-Konflikts auf über 2,26 Billionen US$. Als direkte Folge des Kriegs starben über 241.000 Menschen.

Keine blutige Bilanz für Langfristanleger

Für Langfristanleger ist die Bilanz aber weder teuer noch blutig, im Gegenteil. Seit Anfang 2002 ist der Dow Jones um rund 250% gestiegen, der S&P 500 hat 280% zugelegt und der Nasdaq Composite ist sogar um mehr als 600% nach oben geklettert. Damit bestätigt sich eine Tendenz: Historisch gesehen, beeinträchtigt ein militärischer Konflikt nicht immer und nicht automatisch den Aktienmarkt. Vielmehr wird deutlich, dass der jeweilige gesellschaftliche Kontext und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen größeren Effekt auf die Aktienmärkte haben.

USA schon vor den Anschlägen 2001 in der Rezession

So befanden sich die USA zum Zeitpunkt der Anschläge vom 11. September 2001 bereits in einer Rezession, nach den Anschlägen brach der amerikanische Aktienmarkt massiv ein. Derzeit versuchen sich die Aktienmärkte auf die zunehmende Ausbreitung der Delta-Variante, die steigende Inflation sowie eine mögliche Reaktion der US-Notenbank (Zinserhöhung? Wenn ja, wann und wie viel?) einzustellen.

Letztendlich kommt es auf die Gewinne der Unternehmen an

Bei zunehmenden militärischen Spannungen rücken natürlich Rüstungs-Aktien reflexartig in den Fokus der Wall Street. Letztendlich kommt es an der Börse aber auf die Gewinnsituation der einzelnen Unternehmen an: Können die Analysten-Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden? Schon kleine negative Abweichungen können zu teilweise heftigen Korrekturen führen. Chef-Analyst Kinahan von TD Ameritrade sagt, dass „wir einen Anstieg der Volatilität und vielleicht einige Käufe festverzinslicher Wertpapiere sehen werden, da ein Element der Unsicherheit für den Markt hinzukommt“.

Märkte verhalten sich häufig anders als man erwartet

Der Portfoliomanager Ben Carlson von Ritholtz Wealth Management LLC weist aber noch auf einen ganz anderen Punkt hin: „Seien Sie nicht überrascht, wenn die Märkte als Reaktion auf mögliche militärische Spannungen sogar kontraintuitiv reagieren. Märkte verhalten sich bei geopolitischen Ereignissen nicht immer so, wie man denkt.“

Fazit: Auf jeden Fall ist es durch die zunehmende Unsicherheit nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sinnvoll, Ihre Cashquote erhöhen, um im Fall einer heftigen Korrektur gezielt neu einzusteigen oder nachzukaufen.