Nike und der Preis des strategischen Wandels

Detailansicht eines gelben Sneakers mit braunem Kunstfell und gesticktem Logo.
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Der Eindruck täuscht. Nike hat im 2. Quartal des Geschäftsjahres 2026 Ergebnisse vorgelegt, die auf den ersten Blick solide wirken. Bei näherer Betrachtung legen sie jedoch strukturelle Schwächen offen. Der Umsatz lag leicht über den Markterwartungen und zeigte ein geringes Wachstum gegenüber dem Vorjahr. Dieses Wachstum war jedoch nicht breit abgestützt, sondern konzentrierte sich vor allem auf den nordamerikanischen Markt.

Andere Regionen trugen kaum oder negativ zum Gesamtergebnis bei. Besonders auffällig blieb die anhaltende Schwäche in China, einem Markt, der für Nike über Jahre hinweg als zentraler Wachstumstreiber galt. Der bereinigte Gewinn je Aktie übertraf zwar die Schätzungen, gleichzeitig ging der absolute Nettogewinn deutlich zurück. Diese Divergenz signalisiert, dass operative Effizienz und nachhaltige Ertragskraft unter Druck stehen, auch wenn kurzfristige Erwartungen noch erfüllt werden.

Die Zahlen verdeutlichen, dass Nike sich weiterhin in einer Übergangsphase befindet. Das Unternehmen versucht, mehrere strategische Korrekturen gleichzeitig umzusetzen. Dazu zählen die Neuausrichtung des Direktvertriebs, die Anpassung der Preisstrategie sowie die Stabilisierung der globalen Lieferketten.

Diese Maßnahmen verursachen kurzfristig Kosten und belasten die Profitabilität, während ihre positiven Effekte erst zeitverzögert sichtbar werden. Die Quartalszahlen sind daher weniger als Momentaufnahme der Stärke zu lesen, sondern vielmehr als Indikator für die Spannungen, die mit einem tiefgreifenden Umbau eines globalen Konsumgüterkonzerns einhergehen.

Margendruck, Kostenstruktur und der Verlust operativer Hebel

Ein zentrales Problem des Quartals war der deutliche Rückgang der Bruttomarge. Sie sank spürbar gegenüber dem Vorjahr und lag klar unter dem Niveau, das Nike historisch gewohnt ist. Ursachen dafür sind vor allem gestiegene Produktions- und Logistikkosten sowie ein intensiverer Preisdruck im Markt. Handelskonflikte und Zölle wirken sich natürlich weiterhin negativ aus, insbesondere auf in Asien gefertigte Produkte für den US Markt. Hinzu kommen höhere Ausgaben für Marketing und Verkaufsförderung, die notwendig sind, um Lagerbestände abzubauen und Marktanteile zu verteidigen.

Besonders problematisch ist dabei die Entwicklung des Direktvertriebs. Nike hatte in den vergangenen Jahren massiv auf den Ausbau eigener digitaler Kanäle und eigener Stores gesetzt, um höhere Margen zu erzielen und die Kontrolle über die Kundenbeziehung zu stärken. Im aktuellen Quartal zeigte sich jedoch, dass dieser Ansatz an Grenzen stößt.

Die Umsätze im Direktgeschäft gingen zurück, während der klassische Großhandel wieder an Bedeutung gewann. Das bedeutet eine strukturelle Verschiebung hin zu niedrigeren Margen, da der Großhandel traditionell geringere Erträge pro Einheit liefert. Diese Entwicklung schwächt den operativen Hebel, den Nike lange als strategischen Vorteil betrachtet hat.

Zusätzlich belastete die Tochtermarke Converse das Ergebnis. Die Umsätze gingen deutlich zurück, was darauf hindeutet, dass auch etablierte Submarken unter veränderten Konsumgewohnheiten und zunehmendem Wettbewerb leiden. Insgesamt zeigt sich eine Kostenstruktur, die weniger flexibel ist als in der Vergangenheit, während gleichzeitig die Preissetzungsmacht nachlässt.

Regionale Schwächen und die Bedeutung des China Geschäfts

China ist für Nike nicht nur ein Absatzmarkt, sondern auch ein Symbol für internationales Wachstum und Skaleneffekte. Die anhaltende Schwäche in dieser Region wirkt sich daher überproportional auf die Wahrnehmung des Unternehmens aus. Solange es Nike nicht gelingt, in China wieder glaubwürdiges Wachstum zu erzielen, bleibt jede Erholung fragil. Das Management räumt ein, dass der laufende Turnaround noch nicht abgeschlossen ist und weitere Quartale mit erhöhter Volatilität zu erwarten sind.

Der Ausblick für das kommende Quartal bestätigt diese Einschätzung. Nike rechnet mit leicht rückläufigen Umsätzen und anhaltendem Margendruck. Damit wird deutlich, dass kurzfristige Entlastung nicht in Sicht ist. Die aktuelle Bewertung des Unternehmens hängt weniger von einzelnen Quartalsergebnissen ab als von der Frage, ob die strategische Neuausrichtung mittelfristig zu einer stabileren Ertragsbasis führen kann. Die Zahlen des zweiten Quartals 2026 liefern darauf noch keine überzeugende Antwort. Auf den Wunschzettel für Weihnachten kommt die Aktie somit nicht.