Boeings Albtraumstart ins neue Jahr

Inhaltsverzeichnis

Für die Luftfahrtbranche hat das Jahr 2024 alles andere als gut begonnen. Gleich zum Jahresauftakt sorgte eine Flugzeugkollision am Flughafen in Tokio für Schlagzeilen, fünf Insassen der kleineren Maschine kamen dabei ums Leben, während die Passagiere des beteiligten Airbus wie durch ein Wunder lebend aus der Flammenhölle entkommen konnten.

Nur wenige Tage später dann die nächste Schreckensmeldung: Eine Boeing-Maschine der Alaska Airlines verlor kurz nach dem Start ein Kabinenteil. Mit klaffendem Loch im Rumpf gelang die Notlandung ohne Todesopfer – doch die US-Luftaufsicht ist alarmiert. Denn es handelt sich bei der Unglücksmaschine um einen Jet der Baureihe 737 Max, die schon in der Vergangenheit für viel Furore gesorgt hat.

737 Max: Gerade erst auf Erholungskurs

Nach zwei Abstürzen war die gesamte Flotte mit einem weltweiten Flugverbot belegt worden, fast zwei Jahre lang durfte die 737 Max weder starten noch landen. Umfassende Nachbesserungen an der Software waren notwendig, ehe die Maschine wieder zugelassen wurde. In China darf Boeing erst seit wenigen Wochen wieder 737 Max ausliefern, fast fünf Jahre lang war der Export der Jets ins Reich der Mitte nach den Abstürzen und dem umfassenden Grounding durch die Regierung in Peking untersagt worden.

Umso härter wird der US-Konzern nun getroffen von den neuerlichen Zwischenfällen. Die US-Luftfahrtaufsichtsbehörde FAA reagierte umgehend mit einem Flugverbot innerhalb der USA für die rund 170 Flugzeuge des Typs und ordnete eine Überprüfung an. Und tatsächlich: Sowohl bei Alaska Airlines als auch bei United Airlines fanden sich weitere Mängel an dem fraglichen Bauteil in anderen Maschinen. Es handelt sich um die Abdeckplatte eines ungenutzten Notausgangs, etwa von der Größe einer normalen Flugzeugtür, die offenbar nicht richtig befestigt ist. Bei den Überprüfungen waren lose Schrauben und Bauteile aufgefallen, weitere Zwischenfälle wären demnach nicht ausgeschlossen.

Boeing-Chef räumt Fehler ein und verspricht Aufklärung

Sollten die Untersuchungen ergeben, dass es sich tatsächlich um einen Konstruktionsfehler handelt, wäre das für Boeing eine Katastrophe. Die 737 ist die beliebteste Baureihe des Konzerns und seit Jahrzehnten in der Luft, doch seit dem Update zur Max-Variante vor wenigen Jahren häufen sich die Probleme. Boeing-Chef Dave Calhoun äußerte sein Bestürzen über die jüngsten Vorfälle und versprach Transparenz bei der Aufklärung und in der Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden.

Dass bei dem Zwischenfall niemand zu Schaden kam, ist größtenteils Glückssache: Das Kabinenteil brach wenige Minuten nach dem Start in rund 5.000 Metern Höhe während des Steigflugs heraus. Zu diesem Zeitpunkt waren die Passagiere noch angeschnallt. Zudem saß niemand unmittelbar neben der betroffenen Stelle.

Alaska Airlines: Umsichtig oder fahrlässig?

Fragen müssen sich neben Boeing aber auch die Verantwortlichen von Alaska Airlines gefallen lassen: So hatte es bei der betroffenen Maschine bereits im Vorfeld bei mehreren Flügen Warnungen hinsichtlich des Kabinendrucks gegeben. Daraufhin beschloss die Airline, die Maschine nicht mehr für Strecken über dem offenen Meer einzusetzen, sondern nur noch über Land fliegen zu lassen.

Aus Sicht von Luftfahrtexperten eine routinemäßige Vorsichtsmaßnahme: Fällt der Kabinendruck während des Flugs ab, müssen Jets in geringerer Höhe fliegen. Hier ist der Luftwiderstand größer, es wird mehr Treibstoff verbraucht. Im schlimmsten Fall geht dem Flieger der Sprit aus, was über dem Pazifik – etwa auf der Route nach Hawaii – verheerende Folgen hätte. Durch den Einsatz über Land stellte die Airline sicher, dass eine Notlandung bei Bedarf möglich ist.

Hersteller, Zulassungsbehörde, Airline: Wo liegt welcher Fehler?

Einige Beobachter werfen jedoch auch die Frage auf, ob die Airline nun umsichtig oder vielmehr fahrlässig handelte: War die Maschine wirklich flugtüchtig? Oder liegt der Fehler noch weiter vorne in der Kette: Hätten die Behörden den Jet nicht zulassen dürfen? Wurde bei Boeing geschlampt?

All das ist nun Gegenstand weiterer Untersuchungen. Für Boeing und seine Anleger ist die Situation ein Albtraum: Zum Jahresende 2023 hatte sich die Boeing Aktie gerade wieder erholt, nun geht es erneut steil bergab. Allein in den ersten 10 Tagen des laufenden Jahres hat das Papier bereits mehr als 12 Prozent an Wert eingebüßt.

Sollten die Ermittlungen ergeben, dass die Probleme mit der 737 Max-Reihe erneut weitreichender sind, womöglich strukturelle Fehler in der gesamten Flotte aufgedeckt werden, dürfte der jüngste Sturzflug der Boeing Aktie nur der Anfang sein.