Amazon: Wer ist der Neue an der Spitze?

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Die Meldung kam überraschend – und doch auch wieder nicht: Jeff Bezos wird im 3. Quartal als Vorstandsvorsitzender seines Unternehmens Amazon zurücktreten.

Dennoch bleibt der zweitreichste Mann der Welt seinem Konzern auch nach fast drei Jahrzehnten weiterhin treu. Bezos wird künftig als Vorsitzender des Verwaltungsrats, der dem Vorstand noch übergeordnet ist, im Hintergrund Einfluss nehmen. Zudem will er sich stärker auf Nebenprojekte konzentrieren.

Wer ist Andy Jassy?

Sein Nachfolger als CEO steht auch schon fest: Andy Jassy soll das Ruder übernehmen. Der 53-Jährige gilt schon länger als Kronprinz, immerhin verantwortet er mit Amazon Web Services (AWS) den inzwischen gewinnstärksten Bereich des Konzerns. Mehr als die Hälfte des operativen Jahresgewinns kommt aus der Sparte, die Jassy im Auftrag von Bezos ab 2003 aus dem Boden gestampft hat.

Ursprünglich wollte Amazon lediglich ungenutzte Serverkapazitäten untervermieten und damit ein bisschen Zusatzgewinn machen. Auf Interesse stieß das seinerzeit vor allem bei Start-ups, so nutzten beispielsweise Instagram oder Pinterest die Dienste von AWS in ihren Anfangstagen.

Damals war es für größere Unternehmen gang und gäbe, eigene Rechenzentren zu unterhalten. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: Dank AWS konnten etliche Großkonzerne massenhaft Daten auslagern und dadurch Kosten, etwa für Hardware, Wartung und Personal, im eigenen Rechenzentrum einsparen. Bei Amazon zahlen sie eine Gebühr und erhalten dafür ein Rundum-Sorglos-Paket. Unter anderem zählt Netflix heute zu den Großkunden von AWS, der Streamingdienst hat seine gesamte Filmbibliothek auf Amazon-Servern gespeichert.

Jassy machte AWS vom Nischenprodukt zum Weltmarktführer

Das Cloudgeschäft gilt als wachstumsträchtiges Zukunftssegment. Nach Einschätzung von Jassy steht der Bereich noch ganz am Anfang und wird in den kommenden Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen. Derzeit ist AWS mit Abstand weltmarktführend in diesem Geschäftsfeld, Konkurrenten wie Google oder Microsoft liegen weit abgeschlagen dahinter zurück.

Kein Wunder also, dass Bezos sein Lebenswerk in Jassys Hände legt. Beide haben über Jahrzehnte erfolgreich zusammengearbeitet und gelten als enge Vertraute. Bezos liegt mit seinem Rückzug im Trend, auch bei anderen großen Tech-Konzernen haben sich zuletzt die Gründer aus dem operativen Geschäft verabschiedet, beispielsweise Larry Page und Sergej Brin, die Gründer von Google.

Amazon Aktie: Rekordquartal versüßt Abschiedsmeldung

Den Anlegern versüßte Bezos die Nachricht seines Abschieds mit rekordverdächtigen Quartalszahlen. Erstmals konnte Amazon im Schlussquartal die Umsatzmarke von 100 Milliarden US-Dollar binnen drei Monaten knacken.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen die Erlöse um 44 Prozent auf gut 125 Milliarden Dollar, während sich der Nettogewinn mehr als verdoppeln konnte auf 7,2 Milliarden Dollar. Damit bleiben unterm Strich für 2020 insgesamt 21,3 Milliarden Dollar als Gewinn stehen, was einem Plus von 84 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht und einen neuen Bestwert markiert.

Profitieren konnte Amazon vor allem durch die globale Corona-Pandemie, und das in gleich mehrfacher Hinsicht: Die Kombination aus Homeoffice, Kontakt- und Reisebeschränkungen sowie zeitweise geschlossenem Einzelhandel war das Beste, was Amazon passieren konnte.

Corona – das Beste, was Amazon passieren konnte

Firmen waren gezwungen, ihre Mitarbeiter zum Arbeiten nach Hause zu schicken. Hierfür mussten viele erst einmal ihre Infrastruktur entsprechend umrüsten. Ein gefragter Dienstleister mit entsprechender Fachkompetenz: Amazon Web Services.

Dank Homeoffice und Kontaktbeschränkungen waren die meisten Menschen mehr zuhause, wegen unsicheren Reiseumständen verzichteten zudem viele auf ihren Jahresurlaub. So blieb in vielen Haushalten einerseits Budget übrig, andererseits aber auch Zeit und Gelegenheit, das eigene Zuhause für den längeren Verbleib aufzuhübschen. Neue Möbel, neues Bad, neue Balkonausstattung, neue Deko-Artikel, neue Elektrospielereien – wo findet man all das? Bei Amazon.

Dass außerdem auch noch das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft wegen weitreichender Schließungen des Einzelhandels in der Adventszeit nahezu vollständig ins Internet verlagert wurde, war für Amazon das Sahnehäubchen zum Jahresabschluss.

Wie reagieren Anleger und Analysten?

Anleger zeigten sich zunächst erfreut über die glänzenden Geschäftszahlen und ließen die Amazon Aktie ansteigen. Zum Ende der Woche hin gab der Kurs jedoch leicht nach, sei es nun bedingt durch Gewinnmitnahmen oder Verunsicherung wegen des Führungswechsels.

Grund zur Sorge sehen Analysten darin allerdings nicht, ganz im Gegenteil: Gleich mehrere Experten hoben in dieser Woche ihre Kursziele teils deutlich an und garnierten ihre Einschätzungen mit Kaufempfehlungen. Sie gehen nach der starken Quartals- und Jahresbilanz sowie in Anbetracht der weiterhin andauernden Pandemie-Umstände von einem weiteren Erfolgsjahr für den Onlinehändler aus. Etwaige Kursrückgänge wegen des Führungswechsels werden als mögliche Einstiegsgelegenheit eingestuft.

Analysten von Jefferies, Barclays und Credit Suisse sehen die Amazon Aktie in einem Bereich zwischen 3.800 und 3.940 Dollar, Experten von JP Morgan und Goldman Sachs gehen mit Kurszielen von 4.400 beziehungsweise 4.500 Dollar sogar noch weiter.

Am Freitagmorgen war die Amazon Aktie für gut 3.330 Dollar oder 2.775 Euro zu haben.