Nerven wie Drahtseile gefragt
Wer dachte, der Sommer würde ruhig und entspannt verlaufen, hat die Rechnung ohne Nahost, Notenbanken und Donald Trump gemacht. Der DAX startet mit angezogener Handbremse in die neue Woche. Die jüngsten israelischen Angriffe auf iranische Atomanlagen und die drohende Eskalation im Nahen Osten treiben Anlegern den Angstschweiß auf die Stirn – und das nicht zu Unrecht. CMC-Analyst Jochen Stanzl bringt es auf den Punkt: „Wer einen Vorwand zum Verkauf gesucht hat, hat ihn jetzt.“
Auch der sonst so nüchterne Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar spricht offen aus, was viele denken: Kommt der Flächenbrand, könnten die Märkte richtig durchgeschüttelt werden. Gleichzeitig sorgt US-Präsident Donald Trump mit seinen handelspolitischen Eskapaden für zusätzliche Unsicherheit – die Frist für Verhandlungen mit der EU läuft am 9. Juli ab, und beim Deal mit China herrscht weiter Nebelstufe.
In den USA stehen zudem geldpolitische Weichenstellungen auf dem Plan: Die Fed wird am Mittwoch über ihre Zinsstrategie informieren. Auch wenn Präsident Trump gerne schon jetzt niedrigere Zinsen sähe – die meisten Experten rechnen frühestens im September mit einer Lockerung. Die jüngsten Ölpreissprünge aufgrund der geopolitischen Lage machen die Inflationslage noch unübersichtlicher.
Unternehmensnachrichten & Einzelaktien: Zwischen Aufbruch und Absturz
Die Unternehmensagenda bleibt übersichtlich, doch das heißt nicht, dass es ruhig zugeht:
- Tesla fährt der Konkurrenz mal wieder davon – dank US-Plänen zur Deregulierung von selbstfahrenden Autos ohne Pedale und Lenkrad. Das weckt Phantasien für Robotaxi-Zukunftsmusik, und die Aktie springt an die Spitze des Nasdaq.
- Adobe hingegen muss Federn lassen. Trotz durchwachsener Quartalszahlen und positiver Analystenstimmen bleibt die KI-Konkurrenz ein Fragezeichen im Raum.
- Visa und Mastercard kassieren kräftige Verluste. Handelsriesen wie Amazon und Walmart basteln an Stablecoins, um die klassischen Kartengebühren zu umgehen – das könnte das Geschäftsmodell der Platzhirsche grundlegend erschüttern.
- Thyssenkrupp sortiert sich neu. Die Stahlsparte wird rasiert, die Marinesparte soll an die Börse und Material Services könnte bald folgen. Vorstandschef Lopez will, dass alles „in der richtigen Reihenfolge“ läuft. Klingt nach Umbau mit chirurgischer Präzision – oder Hoffnung auf selbige.
- Eine echte Personalüberraschung kommt aus Frankreich: Renault-Chef Luca de Meo wirft das Steuer überraschend hin – offenbar zieht es ihn in die Welt von Gucci & Co. zum Luxusgiganten Kering. Von Motoröl zu Parfüm – auch ein Karriereweg.
Politischer Einfluss: Viel Meinung, wenig Bewegung
Donald Trump bleibt sich treu: laut, unberechenbar und mit Vorliebe für Zölle. Der Frust über die zähen Verhandlungen mit der EU ist groß – die Frist für Fortschritte läuft bald ab, aber ein echter Durchbruch ist nicht in Sicht. Auch beim Deal mit China bleibt vieles vage – und damit die Märkte nervös.
Die Fed wird in dieser Woche wohl nicht liefern, was sich viele erhoffen: eine weitere Zinssenkung. Die US-Währungshüter warten ab – zu unklar ist, wie sich Inflation, Ölpreise und Weltpolitik weiterentwickeln. Immerhin: Auch die EZB hat jüngst erst einmal den Fuß vom Lockerungspedal genommen.
Die Weltpolitik bleibt also das beherrschende Thema an den Märkten. Ob aus dem Funken im Nahen Osten ein Flächenbrand wird, ist offen – doch die Börsen preisen das Risiko zunehmend ein. Sicher ist: Die kommenden Tage haben das Zeug zur Achterbahnfahrt.
Fazit:
Zwischen geopolitischen Spannungen, geldpolitischer Unsicherheit und politischen Stolperfallen bleibt für Anleger in dieser Woche kaum Raum für Langeweile. Wenn Sie jetzt an den Märkten unterwegs sind, brauchen Sie starke Nerven – und vielleicht auch einen sicheren Hafen im Depot.
Ich wünsche Ihnen heute dennoch einen schönen und erfolgreichen Handelstag und einen schönen Start in die neue Handelswoche.