Katastrophe von Bento Rodrigues: BHP spielt mit dem Feuer

Inhaltsverzeichnis

Am 5. November 2015 kam es plötzlich zur Katastrophe: Zwei Dämme eines Eisenerztagebaus in der Nähe des brasilianischen Dorfs Bento Rodrigues (Stadt Mariana, Bundestaat Minas Gerais) krachten in sich zusammen. In der Folge setzte sich eine gigantische Schlammlawine frei, durchbrach einen darunterliegenden Staudamm und begrub das Dorf innerhalb kürzester Zeit unter sich.

19 Menschen kamen in dem Ort zu Tode. Doch die Tragödie war noch wesentlich weitreichender. Die giftige Schlammmasse geriet anschließend nämlich in angrenzende Flüsse und verseuchte diese auf einer Länge von mehr als 600 Kilometern – bis hin zur Atlantikküste. Hunderttausende Bewohner waren deshalb zeitweise ohne Wasserversorgung. Und auch die Schäden für das Ökosystem selbst waren extrem und sind noch heute teilweise spürbar.

Aber wer ist dafür verantwortlich?

Auch siebeneinhalb Jahre nach der Katastrophe von Bento Rodrigues ist diese Frage hochaktuell. Im Mittelpunkt steht der Bergbaukonzern BHP. Dieser hatte die fraglichen Dämme über das Joint-Venture Samarco gemeinsam mit dem Wettbewerber Vale betrieben.

Im letzten Sommer hatte ein britisches Berufungsgericht eine Sammelklage von mehr als 200.000 Menschen in zweiter Instanz gegen BHP zugelassen. Die Kläger fordern demnach Schadenersatz von dem Minenkonzern.

Vor wenigen Tagen nun hat die Nachrichtenagentur Reuters ein Update zu den juristischen Bemühungen veröffentlicht. Und dieses hat es durchaus in sich und könnte BHP schwer ins Mark treffen.

BHP: So hoch könnte die Schadenersatzsumme ausfallen

Demnach hat sich die Zahl der Anspruchssteller auf 700.000 erhöht. Reuters beruft sich hierbei auf Angaben von damit befassten Anwälten. Das heißt: Die Zahl der Kläger hat sich mehr als verdreifacht, was erneut zeigt, wie enorm die Auswirkungen der Damm-Katastrophe waren und sind.

BHP jedenfalls könnte das teuer zu stehen kommen. Laut Reuters könnte die Klage dazu führen, dass der Konzern 44 Milliarden US-Dollar an Schadenersatz zahlen muss. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr (per Ende Dezember 2022) seines Geschäftsjahr 2022/23 erzielte der Bergbaugigant einen Gewinn von „nur“ 6,5 Milliarden Dollar.

Obwohl BHP solide finanziert ist, würde der Konzern massiv an Marktmacht und Investitionsfähigkeit verlieren, würde er eine solch hohe Summe bezahlen müssen. So wäre es durchaus möglich, dass BHP dann Geschäftsanteile verkaufen oder sich teure Kredite besorgen müsste, um den Ansprüchen gerecht zu werden.

Hätte BHP früher einlenken müssen?

Entsprechend versucht sich der Minenkonzern jetzt in Schadensbegrenzung. So will BHP erreichen, dass auch der Joint-Venture-Partner Vale in den Fall aufgenommen wird. Vale jedoch hat bis dato jedwede juristische Haftung für die Damm-Katastrophe von sich gewiesen – ähnlich wie BHP selbst.

Diese Weigerungshaltung könnte dem Konzern aber bald zum Verhängnis werden. Gegenüber Reuters betonte Tom Goodhead, Chef der Anwaltskanzlei Pogust Goodhead und Vertreter der Kläger im Bento-Rodrigues-Fall, dass es BHP versäumt habe, bereits 2018 eine Einigung mit den Klägern zu erreichen. Hätte der Konzern damals eine angemessene Entschädigung gezahlt, wäre er demnach heute aus dem Schneider, so die Argumentation von Goodhead. Stattdessen habe sich die Zahl der Kläger nun auf 700.000 mehr als verdreifacht.

Immerhin, und das muss man BHP zugutehalten: Der Konzern engagiert sich beim Wiederaufbau von Bento Rodrigues und für soziale Projekte vor Ort sowie in weiteren betroffen Gebieten.

Auf dem 2021 von BHP veröffentlichten Bild1 sehen Sie die Neubauarbeiten in Bento Rodrigues:

Laut Medienberichten sind die Arbeiten inzwischen weitestgehend abgeschlossen.

Mein Fazit für Sie

BHP spielt mit dem Feuer. Die Sammelklage gegen den Konzern ist eine der größten in der englischen Rechtsgeschichte und könnte den Giganten ins Wanken bringen.

Sollte BHP zur Zahlung verurteilt werden, wäre das ein Desaster sondergleichen – selbst wenn die Schadenersatzsumme am Ende niedriger ausfallen würde. An der Börse jedenfalls hält sich die Angst noch einigermaßen in Grenzen. Die BHP-Aktie verlor nach Veröffentlichung des Reuters-Berichts am 15. und 16. März insgesamt knapp 6 Prozent an Wert (Stand: Schlusskurs vom 16.03.2023).

1Quelle: BHP (Samarco | BHP)

Der Markt dürfte nun aber ganz genau auf die weitere juristische Entwicklung achten – und bei zusätzlichen Negativnachrichten wohl noch empfindlicher reagieren.