Hoffnungsschimmer nach Zollschock
Nach einem turbulenten Freitag startet der DAX am Montag mit frischem Schwung in die neue Woche. US-Präsident Donald Trump hat seine geplanten Strafzölle auf EU-Importe überraschend verschoben – statt am 1. Juni sollen sie nun erst am 9. Juli greifen. Für die Märkte bedeutet das: Aufatmen statt Ausverkauf.
Vorbörslich ist die psychologisch wichtige 24.000er-Marke damit wieder in greifbare Nähe gerückt. Am Freitag war der deutsche Leitindex noch im Sturzflug auf 23.274 Punkte gefallen, nachdem er sich zuvor bis auf drei Zähler an sein Rekordhoch bei 24.152 Punkten herangearbeitet hatte.
In den USA sah das Bild am Freitag ebenfalls düster aus:
- Dow Jones schloss mit –0,61 % bei 41.603 Punkten,
- der S&P 500 verlor 0,67 % auf 5.802 Punkte
- und der Nasdaq 100 rutschte sogar um 0,93 % auf 20.915 Punkte ab.
Grund war – wie so oft – ein Tweet von Trump: 50 % Strafzölle auf EU-Waren standen im Raum. Dass es (noch) nicht so weit kam, lässt Anleger nun auf Entspannung in den nächsten Verhandlungsrunden hoffen.
Auch in Asien zeigten sich die Börsen am Montag uneinheitlich. Während Technologiewerte unter den Zollandrohungen litten, setzten japanische Aktien ihre Gewinnserie fort. Besonders gefragt: Nippon Steel, das durch Trumps Zustimmung zur Partnerschaft mit US Steel rund 4 % zulegte.
Unternehmensnachrichten / Einzelaktien: Zwischen Hightech und Hochofen
Apple stand im Zentrum der Zoll-Debatte. Trump drohte explizit mit 25 % Abgaben auf im Ausland produzierte iPhones – die Aktie gab rund 3 % nach. Analysten wie David Vogt (UBS) sehen die Auswirkungen jedoch gelassen: Das Konzernergebnis würde nur leicht belastet.
Auch bei den Halbleiterwerten war die Stimmung angespannt:
- Intel, On Semiconductor und Texas Instruments verloren über 2 %
- Nvidia hielt sich mit –1,2 % vergleichsweise stabil
Boeing kommt derweil nicht aus den Schlagzeilen. Nach zwei Abstürzen der 737 Max will der Konzern durch einen neuen Vergleich mit dem US-Justizministerium einen Prozess vermeiden. Über 1,1 Mrd. Dollar sollen zusätzlich gezahlt, Opferfonds aufgestockt und Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Dennoch: Der Vertrauensverlust sitzt tief – und der zuständige Richter hatte bereits frühere Einigungen abgelehnt.
Thyssenkrupp steht derweil vor einer radikalen Umstrukturierung: Laut Medienberichten soll der Industriekonzern zur Finanzholding verschlankt werden – mit drastischen Stellenstreichungen und möglichen Verkäufen ganzer Sparten. Offiziell bleibt Material Services „Kern“, doch die Börse wird genau hinschauen.
Weitere Einzeltitel, die auffielen
- Intuit glänzt nach starken Zahlen mit +8,1 %
- Workday enttäuscht trotz solider Zahlen: –12,5 %
- Informatica springt um 17 %, beflügelt von Übernahmefantasien durch Salesforce – die ihrerseits 3,6 % abgeben mussten
- US Steel feiert ein Kursplus von 21 % – Trump stellt sich hinter die Partnerschaft mit Nippon Steel
Politischer Einfluss: Trump spielt die Zoll-Karte – mal wieder
US-Präsident Donald Trump bleibt der große Unsicherheitsfaktor an den Finanzmärkten. Nach der Drohung mit neuen EU-Zöllen folgt nun der Aufschub – klassische Verhandlungstaktik, sagen Analysten von JPMorgan. Der Zeitpunkt seiner Ankündigung, nur wenige Stunden vor Gesprächen mit der EU, spricht Bände.
Auch innenpolitisch bleibt Trump aktiv: Die Steuersenkungspläne seiner Regierung treiben das US-Staatsdefizit nach oben – ein weiterer Belastungsfaktor für die Märkte.
In Japan bereiten sich Politiker auf die nächste Verhandlungsrunde mit den USA vor, während Trump seine einstige Ablehnung gegenüber Nippon Steels US-Engagement revidiert. Nun spricht er von einer „Partnerschaft“, ohne sich festzulegen – und das lässt Anleger hoffen, aber eben auch im Unklaren.
Fazit: Rückzug mit Ansage – aber Vorsicht bleibt angebracht
Die Verschiebung der Zölle wirkt wie ein Beruhigungsmittel auf die Märkte. Doch die nächste Eskalation könnte nur einen Tweet entfernt sein. Anleger sollten in den kommenden Tagen vor allem auf politische Signale achten – und auf die Reaktionen einzelner Unternehmen, die sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen müssen.
Ob der DAX wirklich nachhaltig über die 24.000 Punkte steigt, hängt am Ende nicht nur von Zöllen, sondern auch vom Vertrauen in die Berechenbarkeit globaler Politik ab. Und daran mangelt es derzeit gewaltig.