First Solar steht vor der alles entscheidenden Frage

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Wer auf die Quartalszahlen von First Solar blickt, sieht zunächst eine einfache Geschichte: Umsatz und Gewinn bleiben hinter den Erwartungen zurück, die Prognose für das Gesamtjahr wird deutlich gesenkt. Doch wer genauer hinschaut, erkennt, dass es hier nicht um ein schlechtes Quartal geht – sondern um eine grundlegende Weichenstellung für die Zukunft der gesamten US-Solarbranche.

First Solar ist der Platzhirsch unter den amerikanischen Solarmodulherstellern. Über 90 % der Umsätze stammen aus dem Heimatmarkt, die Produktionskette ist größtenteils in den USA angesiedelt. Eigentlich ideale Voraussetzungen, um von der neuen Zollpolitik zu profitieren – doch genau diese entpuppt sich plötzlich als zweischneidiges Schwert.

Zölle treffen den Kern des Geschäftsmodells

Am 2. April trat ein neuer Zolltarif in Kraft. Nur eine Woche später wurde er vorübergehend wieder ausgesetzt. In dieser kurzen Zeit ist deutlich geworden, auf welch wackeligen Füßen viele Verträge von First Solar stehen: Fast jedes einzelne Projekt steht plötzlich auf der Kippe, weil Unsicherheit über die Gesamtkosten herrscht – und über die Frage, ob die Kunden überhaupt bereit sind, höhere Preise zu zahlen.

Das größte Risiko ist dabei die sogenannte Section 45X: eine staatliche Förderung, die First Solar in diesem Jahr mehr als eine Milliarde Dollar einbringen soll. Ohne diese Subvention geht die operative Marge gegen Null. Das Management selbst hat errechnet, dass rund 50 Millionen US-Dollar des operativen Ergebnisses aus dem Kerngeschäft stammen – der Rest sind Steuergutschriften.

Hinzu kommt, dass die Produktionskapazitäten in Asien, insbesondere in Malaysia und Vietnam, unter den Zöllen leiden. Bis zu 2,5 GW Volumen könnten wegfallen. Das entspricht etwa 13 % des ursprünglichen Jahresziels. Obwohl das Unternehmen versucht, diesen Rückgang durch den indischen Markt zu kompensieren, bleibt der Heimatmarkt entscheidend.

Stärke reicht nicht, wenn der Markt schrumpft

Im optimistischen Szenario profitiert First Solar langfristig: Die Zölle machen es neuen Wettbewerbern praktisch unmöglich, vergleichbare Produktionsketten aufzubauen. Das Unternehmen wäre dann nicht nur technologisch, sondern auch strukturell unangreifbar.

Im pessimistischen Szenario hingegen kippt die Wirtschaftlichkeit ganzer Solar-Großprojekte. Denn die Zölle betreffen nicht nur Module, sondern auch Wechselrichter, Transformatoren und andere Komponenten – viele davon mit hoher China-Abhängigkeit. Wenn Solar- und Speicherprojekte plötzlich deutlich teurer werden, könnten Investoren abspringen. Und mit ihnen die Basis für weitere Produktion und 45X-Kredite.

Hinzu kommt die politische Unsicherheit: Sollte das 45X-Programm geändert oder gestrichen werden, gerät das Geschäftsmodell ins Wanken. Dass ausgerechnet Trumps Außenminister Marco Rubio eine Gesetzesinitiative unterstützt, die ausländische Konzerne von der Förderung ausschließen würde, zeigt, wie komplex die Gemengelage ist. First Solar könnte davon profitieren – oder unter die Räder kommen, je nachdem, wie Washington entscheidet.

Volle Kraft voraus – oder scharfer Rückzug

Der Aktienkurs liegt derzeit bei etwa 128 US-Dollar. Und aus heutiger Sicht ist völlig offen, ob sie von hier aus auf 250 steigen oder unter 100 fallen wird. First Solar ist ein Paradebeispiel für eine sogenannte „Binary“-Wette: Entweder es läuft sehr gut – oder gar nicht.

Was für einen positiven Ausgang spricht: Die Nachfrage nach billiger, schnell verfügbarer Energie in den USA steigt weiter rasant, nicht zuletzt durch den Aufbau von KI-Rechenzentren und das Ziel, Produktionskapazitäten zurück ins Land zu holen. Solarenergie ist nach wie vor die am schnellsten skalierbare Energiequelle. Die Chancen stehen also gut, dass viele Projektentwickler bereit sind, auch höhere Preise zu akzeptieren.

Doch die Gefahr bleibt: Sollten sich die politischen Rahmenbedingungen ändern oder die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Zölle zu massiv werden, könnte First Solar auf einem teuren, schwerfälligen Geschäftsmodell sitzen bleiben.

Fazit

First Solar ist nicht nur ein Solarwert. Es ist eine Wette auf den Ausgang der nächsten zwölf Monate in der US-Handelspolitik – und auf die Fähigkeit, trotz zunehmender Komplexität eine Vormachtstellung zu behaupten. Für vorsichtige Anleger ist das zu heiß. Für mutige Anleger mit langem Atem könnte genau hier die Basis für die nächste Verdopplung gelegt werden.