Ende oder neuer Anfang? Thyssenkrupp am Scheideweg!

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Der Langfristchart der Thyssenkrupp-Aktie ist nicht gerade berauschend im positiven Sinne:

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Quelle: www.aktienscreener.com

In früheren Zeiten war die Thyssenkrupp-Aktie noch mehr als 25 Euro wert gewesen. Geht man noch weiter zurück, etwa ins Jahr 2007, wurden gar Werte über der 45-Euro-Marke erreicht. Zum Vergleich: Derzeit notiert der deutsche Stahl-Titel bei 6,57 Euro (Stand: 19.10.2023, 9:00 Uhr).

Grüne Transformation: Thyssenkrupp-Aktie am Scheideweg

Es ist also ein beachtlicher Niedergang, den die Aktie in den letzten 15 Jahren aufs Parkett gelegt hat. Nun, im Herbst 2023, steht das Papier am Scheideweg bzw. inmitten der wahrscheinlich größten Transformation in der Geschichte des Traditionskonzerns.

Thyssenkrupp muss sich angesichts der staatlichen Vorgaben auf Grün trimmen. Das heißt: Der Stahlkonzern ist dazu gezwungen, seine Produktion so weit es geht zu dekarbonisieren. Hierfür muss Thyssenkrupp bei der Herstellung des Werkstoffs auf grünen Wasserstoff statt auf fossile Energieträger setzen. Das allerdings geht mit enormen finanziellen Belastungen einher. Zwar bekommt das Unternehmen Unterstützung vom deutschen Staat, doch ein Selbstläufer ist die Transformation deshalb noch lange nicht.

Stahlkonzern in der Konjunkturfalle

Umso bitterer, dass die aktuelle Konjunkturlage keinen Rückenwind verleiht. In seinem dritten Geschäftsquartal 2023 musste Thyssenkrupp sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis erhebliche Abstriche machen. So krachte das bereinigte Betriebsergebnis (EBIT) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 66 Prozent auf nur noch 243 Millionen Euro ein. Der Grund: die hohen Energiekosten vor allem in Deutschland und die aufgrund des rezessiven Umfelds niedrigeren Stahlpreise.

Doch das Problem ist offenbar noch größer als befürchtet, wie nun Sigmar Gabriel einräumen musste. Der Politiker war zwischen 2013 und 2017 Bundeswirtschaftsminister und ist aktuell der Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp-Stahlsparte. Laut Medienberichten warnte Gabriel kürzlich auf einer Sitzung des Aufsichtsrats vor einer deutlich eingetrübten Perspektive.

Auch wegen China-Dumping: Sigmar Gabriel drückt auf Alarmknopf

Demnach könnte Thyssenkrupp die zuvor in Aussicht gestellten Ergebniserwartungen möglicherweise nicht erfüllen. Im Rahmen der letzten Quartalspräsentation hatte sich das Management noch einigermaßen zuversichtlich zum zweiten Kalenderhalbjahr 2023 geäußert. Doch laut dem ehemaligen Bundesminister steht dieser Optimismus auf der Kippe.

Interessant: Gabriel begründet diese Einschätzung neben den bekannten Problemen rund um den Konjunktureinbruch in Deutschland sowie die hohen Kosten auch mit zunehmendem Druck aus China. Die Stahlprodukte aus der Volksrepublik würden ungebremst den europäischen Markt fluten, so der Aufsichtsrat. Das Problem: Jene Waren müssten weder die Kosten für CO2-Emissionen tragen, noch seien sie den gleichen Belastungsfaktoren auf den Rohstoffmärkten ausgesetzt im Vergleich zu hiesigen Stahlprodukten. Gabriel sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung, die die deutsche Stahlindustrie in ihrer Existenz gefährde. Der ehemalige Politiker fordert deshalb von der EU wirkungsvolle protektionistische Maßnahmen.

Zuvor hatte die Lobbyorganisation WV Stahl vor einem geplanten Abkommen zwischen Brüssel und Washington gewarnt. Demnach wollen die EU und die USA Zölle auf Aluminium und Stahl etablieren, um vor allem China auszubooten. Doch die europäische Stahlbranche befürchtet, dass das Abkommen vor allem die USA vor dem China-Dumping schützt und weniger die EU. In der Folge könnten chinesische Lieferanten von Exporten in die USA absehen und ihr Geschäft mit EU-Staaten gar noch intensivieren. Das würde den Wettbewerbsdruck für die hiesigen Akteure abermals intensiveren, so die Bedenken der WV Stahl.

Křetínský-Deal? Thyssenkrupp will sich Hilfe holen

Festzuhalten bleibt: Thyssenkrupp geht durch enorm schwierige Zeiten und muss gleichzeitig seine grüne Transformation angehen. Diese Doppelbelastung schwebt aktuell wie ein Damoklesschwert über der Aktie.

Der Konzern braucht deshalb dringend Hilfe – auch von privater Seite. Bestimmt haben Sie es schon in den Medien gelesen: Das Management um den neuen Konzernboss Miguel Ángel López Borrego erörtert derzeit den Verkauf von 50 Prozent der Stahlsparte an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský.

Křetínský ist eine der einflussreichsten Energie-Akteure in Europa. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine umfangreichen Kohle- und Gas-Aktivitäten unter anderem in Deutschland. Gleichzeitig investiert der Milliardär über seine Holding in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und in weitere ökologische Technologien wie grüner Wasserstoff, Recycling und Biomasse. Hinzu kommen Engagements im Bereich der CO2-Abscheidung, die fossile Betriebe dekarbonisieren kann.

Křetínský jedenfalls hat die nötige Finanzkraft, um Thyssenkrupp bei dessen grüner Transformation zu unterstützen. Das ist derzeit der wohl wichtigste Hoffnungsschimmer rund um die Stahl-Aktie. Der Milliardär könnte natürlich die aktuelle Schwächephase von Thyssenkrupp nutzen, um sich selbst einen eher attraktiven Kaufpreis zu sichern. Als erfahrener Investor ist sich Křetínský wohl im Klaren, dass der stark konjunkturanfällige Thyssenkrupp-Konzern das Potenzial hat, durch ausreichende Unterstützung künftig wieder in einen positiveren Zyklus zu wechseln – selbst in Zeiten der Energiewende.

Thyssenkrupp-Aktie: Diese 4 Faktoren sind jetzt wichtig

Die Thyssenkrupp-Aktie ist derzeit so spannend wie seit Jahren nicht mehr. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich die Zukunft des Traditionskonzerns entscheiden.

Als Anleger sollten Sie jetzt ganz genau auf vier folgende Faktoren achten:

  • auf die Konjunkturentwicklung in Europa und Deutschland
  • die Handelspolitik bezüglich China
  • die staatlichen Subventionen für grünen Stahl
  • und nicht zuletztauf die Gespräche des Managements mit Křetínský.

Sollten sich alle oder zumindest ein Großteil dieser Faktoren für den Thyssenkrupp-Konzern sehr positiv entwickeln, bietet die Aktie meiner Meinung nach durchaus längerfristige Renditechancen.