Siemens Energy-Aktie: Unterschätzen Sie den Titel nicht

Siemens Energy-Aktie: Unterschätzen Sie den Titel nicht
Rafael Henrique / stock.adobe.com
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Hand aufs Herz: An was denken Sie als Erstes, wenn Sie den Namen Siemens Energy hören? Die meisten Anleger jedenfalls dürften aktuell vor allem die Probleme rund um die Windkrafttochter Siemens Gamesa auf dem Schirm haben.

Gamesa-Krise zieht Siemens Energy-Aktie mit nach unten

Der strauchelnde Windturbinenbauer verhagelt seit Jahren die Bilanz von Energy. Zuletzt musste der Energietechnikkonzern deshalb einen Milliardenverlust hinnehmen. Und auch die an diesem Mittwoch anstehende, neue Quartalspräsentation dürfte tiefrot ausfallen. Entsprechend desaströs hat sich der Aktienkurs von Siemens Energy in den letzten Monaten entwickelt (Stand: 10.11.2023, 09:00 Uhr):

Quelle: www.aktienscreener.com

Deutlich zu sehen ist der Einbruch im Juni 2023. Damals hatte Energy einräumen müssen, dass die technischen Probleme der Gamesa-Windräder wesentlich schwerwiegender sind als gedacht. In der Folge stellte der Konzern deutlich höhere Kosten in Aussicht und musste seine Prognosen abermals eindampfen. Ende Oktober ging es dann noch einmal fast senkrecht abwärts, als bekannt wurde, dass Siemens Energy mit der Bundesregierung über Bürgschaften zur Finanzierung von Wachstumsinvestitionen spricht.

Grüner Wasserstoff: Energy stärkt Energiewende

Heute soll es an dieser Stelle aber nicht primär um die Probleme bei Gamesa gehen, sondern um das eigentlich starke Potenzial von Siemens Energy abseits der strauchelnden Windtochter. Denn tatsächlich ist der Konzern einer der wichtigsten deutschen Wegbereiter der Energiewende. Neben Technologien zur Stromanbindung von Windparks zählt hierzu unter anderem der grüne Wasserstoff.

Energy bietet Gasturbinen, die in Kraftwerken perspektivisch zu 100 Prozent mit dieser klimaschonenden Wasserstoffvariante betrieben werden können. Erst kürzlich hat ein Konsortium eine solche Industriegasturbine von Energy in Frankreich im Rahmen eines Pilotprojekts in Betrieb genommen und vollständig mit Wasserstoff gespeist.

Der deutsche Konzern hat hierfür indes nicht nur die Turbine geliefert, sondern auch einen Elektrolyseur. In diesen Anlagen wird destilliertes Wasser mithilfe von Öko-Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der entstehende Wasserstoff bekommt dann das Prädikat „grün“ und kann in der Industrie zur Dekarbonisierung beitragen.

Elektrolyseure: Serienproduktion läuft an

Für Siemens Energy ist der grüne Wasserstoff jedenfalls keine bloße Spielerei, sondern ein aussichtsreiches Geschäft. Die Nachfrage nach dem CO2-freien Energieträger dürfte in den kommenden Jahren angesichts der Klimaschutzziele massiv ansteigen – auch in Deutschland. Nun hat Energy in Berlin das Fundament für dieses Geschäft gelegt, im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

Der Konzern hat in Berlin-Moabit gemeinsam mit seinem französischen Partner, dem Gasekonzern Air Liquide, eine Gigawatt-Elektrolyseurfabrik eingeweiht. Damit ist der Startschuss für die Serienproduktion der Wasserstofftechnologie gefallen. Bislang hatte Energy Elektrolyseure nur vereinzelt produziert, etwa für das oben genannte Projekt in Frankreich.

Kapazität: Für 2025 Verdreifachung angestrebt

Die Fabrik in Berlin soll bereits in dem kommenden zwölf Monaten auf eine Kapazität von einem Gigawatt kommen. Für 2025 ist eine Verdreifachung auf drei Gigawatt geplant. Pro Jahr könnten somit etwa 300.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden. Damit ließen sich laut Energy rund 15 Prozent der Berliner CO2-Emissionen einsparen, insofern der Wasserstoff als Ersatz für fossile Energieträger eingesetzt würde.

Konkret werden Energy und Air Liquide in der Berliner Fabrik Membranen für die Zellen der Elektrolyseure produzieren. Diese basieren auf der gängigen Protonenaustauschmembran-Technologie (PEM) und werden zu meterhohen Stacks geschichtet. 24 dieser „Stack-Schränke“ sollen dann an anderen Standorten wie Mühlheim zu jeweils einer Elektrolyse-Anlage zusammengebaut werden. Im ersten Produktionsjahr wird die Fabrik in Berlin rund 1.300 Stacks ausliefern.

Der Clou: Siemens Energy hat für die Stack-Herstellung keine gänzlich neue Fabrik gebaut, sondern eine bestehende Werkshalle umgerüstet. Das hat Kosten eingespart. Gemeinsam haben Energy und Air Liquide nur 30 Millionen Euro in den Berliner Standort investiert. Zudem hat das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung (BMBF) als Teil des Subventionsprogramms „H2Giga“ finanzielle Unterstützung gewährt. Dieses soll die Serienproduktion von Elektrolyseuren voranbringen.

Siemens Energy-Aktie: mein Fazit für Sie

Ohne Frage: Die Probleme bei der Windturbinen-Tochter Gamesa sind gravierend und stehen absolut zu Recht im Fokus der Börse. Das dürfte auch an diesem Mittwoch (15. November) der Fall sein, wenn Energy seine neuen Zahlen präsentiert.

Als Anleger sollten Sie die Energy-Aktie aber nicht unterschätzen. Erstens arbeitet das Management mit Hochdruck daran, die Gamesa-Krise in den Griff zu bekommen. Hier braucht es nun eine klare Perspektive. Vielleicht kann der Konzern diese bereits am Mittwoch glaubhaft machen.

Zweitens ist Siemens Energy abseits von Gamesa ein starker Player mit horrendem Zukunftspotenzial. Die Konzernbereiche, die nicht direkt mit Gamesa zu tun haben, konnten in den letzten Monaten und Jahren jedenfalls solide Wachstumszahlen generieren. Vor allem die Energiewende ist für Energy und dessen Aktie meiner Meinung nach eine einmalige Chance. Das Unternehmen hat das nötige Know-how, um unter anderem Deutschland bei der Dekarbonisierung entscheidend zu helfen.

Die neue Elektrolyseurproduktion offenbart dieses Potenzial abermals. Behalten sie aber im Gedächtnis, dass jene Energiewende-Chancen insbesondere mittel- bis langfristig zu verstehen sind. Die (inzwischen deutlich erschwinglichere) Energy-Aktie sollte also mit ausreichend Durchhaltevermögen angegangen werden.