Mittelständische Industrieunternehmen vor dem Aus?

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Droht die Deindustrialisierung Deutschlands? Zumindest eine aktuelle Analyse der Deutschen Bank sieht dafür ernsthafte Anzeichen – und begründet ihre Einschätzung mit der anhaltenden Energiekrise.

Deutsche Bank warnt vor beschleunigter Deindustrialisierung

Weitaus stärker als andere große Volkswirtschaften ist Deutschlands Bruttoinlandsprodukt nach wie vor von der Industrieproduktion abhängig. Der Anteil liegt hierzulande bei mehr als 30 Prozent, während in vergleichbaren Volkswirtschaften der Dienstleistungssektor weitaus größere Bedeutung hat.

Der Zugriff auf preisgünstig verfügbare Energie bildet nach Einschätzung der Experten der Deutschen Bank einen grundlegenden Eckpfeiler für den Erfolg der deutschen Industrie, deren Exporte maßgeblich zum hiesigen Wohlstand beitragen.

Einsparpotenziale ausgeschöpft

Genau damit ist nun aber wohl bis auf Weiteres Schluss: Mit einem Absinken von Gas- und Energiepreisen auf ein Vorkrisenniveau ist absehbar nicht zu rechnen. Ihre Möglichkeiten, Energie einzusparen oder auf andere Energieträger umzuschwenken, haben die meisten Industrieunternehmen bereits ausgeschöpft, so die Studie.

Im nächsten Schritt werde demnach eine Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland erfolgen – oder die Schließung von Standorten und Unternehmen. Dabei sieht die Deutsche Bank die großen Konzerne weniger stark gefährdet: Sie können ihre Internationalisierungsmöglichkeiten nutzen und entsprechend reagieren auf schwierigere Bedingungen am Standort Deutschland.

Mittelständische Industriebetriebe massiv unter Druck

Ganz anders sieht es dagegen im Mittelstand aus. Unternehmen, die nur oder vorwiegend in Deutschland produzieren und dabei viel Energie verbrauchen, stehen vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen. Davon betroffen sind etwa Zulieferbetriebe aus der Automobilindustrie. Viele von ihnen stehen derzeit in Verhandlungen mit ihren Kunden und müssen berechnen, inwieweit steigende Energiekosten weitergegeben werden können. Andernfalls droht eine Reduzierung der Produktpalette oder gleich das Aus für manch ein Unternehmen.

Das wiederum würde dann auch die großen Hersteller treffen: Wie stark man etwa bei Volkswagen, BMW oder Mercedes-Benz auf die zuverlässige Lieferung aller noch so kleinen Komponenten angewiesen ist, um die eigene Fahrzeugproduktion aufrechtzuerhalten, hat erst im vergangenen Jahr die Chipkrise eindrücklich unter Beweis gestellt. Ruckelt es in der Lieferkette, steht im schlimmsten Fall die gesamte Produktion still – ein Albtraum für Deutschland und seine weltweit angesehene Exportindustrie.

Existenzielle Krise für Industriestandort Deutschland

Längst machen sich deswegen die Automobilhersteller auf die Suche nach alternativen Lieferanten im Ausland. Für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland hingegen sehen die Prognosen düster aus. Nach Berechnungen der Deutschen Bank geht die Industrieproduktion allein in diesem Jahr um 2,5 Prozent zurück – und beschleunigt ihren Niedergang im kommenden Jahr, für das ein Minus von 5 Prozent erwartet wird.

Die existenzbedrohende Dimension der Energiekrise für eine Vielzahl von mittelständischen Unternehmen, gerade im Bereich der Industrie, dürfte Politik und Märkte auch in den kommenden Monaten weiter beschäftigen – und womöglich auch weit darüber hinaus. Die bisherige wirtschaftliche Stärke Deutschlands, die maßgeblich auf der exportorientierten Industrieproduktion basiert, droht nunmehr zur Achillesverse zu werden.