IAA-Auftakt in München: Verlieren deutsche Autobauer den Anschluss?
In dieser Woche steht die Autobranche im Fokus: In München startet am heutigen Montag die Internationale Automobilausstellung IAA Mobility, zunächst nur für das Fachpublikum, ehe sich ab Dienstag für alle Besucher die Tore öffnen.
Werden deutsche Autobauer abgehängt?
In der Vergangenheit stand die IAA für eine Leistungsschau, bei der vor allem die deutschen Traditionshersteller ihre neuesten Errungenschaften präsentierten. Das könnte in diesem Jahr anders werden, wie Branchenexperten befürchten.
Denn BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen drohen den Anschluss zu verlieren. Ausgerechnet im zukunftsträchtigen Markt für Elektrofahrzeuge hinken die alteingesessenen Hersteller inzwischen meilenweit hinterher. Erst ab der Mitte des Jahrzehnts stehen größere Erneuerungen in den Fahrzeugflotten auf der Agenda. Unterdessen teilen sich aufstrebende Konkurrenten den Elektromarkt untereinander auf.
Marktführer Tesla fährt allen davon
Allen voran Tesla hat im Elektrosegment längst die Marktführerschaft übernommen. Doch ein anderer Trend dürfte in München, Stuttgart und Wolfsburg für noch deutlich mehr Bauchschmerzen sorgen: Auch chinesische Autofirmen sichern sich zunehmend Marktanteile – und stehen in den Startlöchern, auch den europäischen und den deutschen Markt zu erobern.
Chinas Branchenprimus heißt BYD, ist – wie Tesla – auf Elektromodelle spezialisiert und streckt seine Fühler längst nach deutschen Kunden aus. Bei Automessen der vergangenen Jahre zeigten chinesische Hersteller immer mehr Präsenz, auch bei der diesjährigen IAA in dieser Woche dürfte das nicht anders werden.
China: Bald Import- statt Exportpartner?
Im aus Sicht der deutschen Hersteller schlimmsten Fall zeichnet sich hier gerade eine Umkehr ab: Bislang war China der weltweit wichtigste Absatzmarkt für BMW, Mercedes und Volkswagen. Etwa ein Drittel der Umsätze wurden allein im Reich der Mitte erzielt, Verbrenner „Made in Germany“ verkauften sich bei der wachsenden chinesischen Mittelschicht wie geschnitten Brot.
Inzwischen aber hat in Fernost die Kehrtwende eingesetzt. Elektromodelle sind in China und Umgebung bereits wesentlich stärker etabliert als in Europa, der Trend ist unaufhaltsam – und die deutschen Autobauer verlieren zunehmend den Anschluss.
VW setzt auf chinesische Technik – Kooperationen nehmen zu
Man trifft den Geschmack der chinesischen Kunden nicht so gut wie ortsansässige Unternehmen, man kommt in der Softwareentwicklung nicht hinterher, man sieht geradezu alt aus im Direktvergleich zur jungen Konkurrenz. Dementsprechend ist es nur folgerichtig, dass deutsche Hersteller immer häufiger und immer engere Kooperationen mit chinesischen Autofirmen eingehen, um sich auf die Sprünge helfen zu lassen.
Unter anderem haben Volkswagen und auch Premiumtochter Audi zuletzt ihre Partnerschaften mit chinesischen Autobauern intensiviert. VW kooperiert mit Xpeng, beide Unternehmen wollen gemeinsame Modelle entwickeln – die nicht auf deutscher, sondern auf chinesischer Technik basieren. Ein herber Schlag für die deutsche Ingenieursseele, die den Autobau seit rund einem Jahrhundert als ihre Kernkompetenz begreift.
Mehr IT, weniger Mechanik
Dass es künftig weniger um mechanisches Know-how, sondern vielmehr um IT-Kompetenzen geht auf dem Weg hin zum selbstfahrenden, vernetzten Elektroauto, hat man zwar auch in Deutschland mittlerweile verstanden. Doch so ganz lösen will man sich von seinem bisherigen Selbstverständnis als Maß aller Dinge noch nicht. Die Autohersteller müssen aufpassen, in ihrer sentimentalen Wehmut nicht gänzlich abgehängt zu werden. Statt alter Stärke hinterher zu trauern gilt es nun vielmehr, den Blick nach vorn zu richten.
Das fällt mitunter schwer, weil es aktuell wirtschaftlich noch einigermaßen rund läuft: Die Materialengpässe sind inzwischen überwunden, Lieferketten für wichtige Komponenten funktionieren wieder wie gewohnt und der Rückstau noch nicht abgearbeiteter Aufträge aus den vergangenen Monaten sorgt für üppige Gewinne im Tagesgeschäft. BMW und Mercedes haben ihre Gewinnziele für das laufende Jahr sogar noch nach oben korrigiert.
Aktueller Schwung aus Restbeständen im Auftragsbuch
Doch auf den scheinbar rosigen Aussichten dürfen sich die Hersteller nicht zu lange ausruhen. Ganz im Gegenteil: Den Schwung, den sie jetzt noch mitnehmen können durch das Abarbeiten der prall gefüllten Auftragsbücher – mit hohen Margen dank geringer Rabatte im vergangenen Jahr – sollten sie nutzen, um sich für die Zeit danach zu wappnen, denn die wird alles andere als einfach.
Die Produktions- und Absatz-, Umsatz- und Gewinnsprünge in diesem Jahr basieren häufig auf relativ geringen Vorjahreswerten. Der Auftragseingang ist bei weitem nicht so üppig wie der Restbestand, den es noch abzuarbeiten gilt.
Subventionen werden erneut reduziert
Erschwerend kommt hinzu, dass ab dem Herbst die staatlichen Subventionen für den Kauf von Elektroautos weiter verringert werden, sowohl für gewerbliche als auch für private Kunden. Das Ende der Förderung von Plug-in-Hybriden zum Jahreswechsel hat im Schlussquartal 2022 zwar für ein ordentliches Auftragsplus gesorgt, worauf jedoch der erwartbare Auftragsrückgang zu Beginn des Jahres folgte. Ähnliche Effekte könnten sich im Herbst nun wiederholen.
Die reduzierten Subventionen am Heimatmarkt sind aus Sicht der Autobauer ein Problem. Doch der Konkurrenzkampf am chinesischen Markt ist weitaus beunruhigender: Hier werden die Weichen gestellt, nicht nur für ein paar Monate, sondern für die kommenden Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Wenn BMW, Mercedes und VW es nicht schaffen, hier rechtzeitig den Fuß auf den Boden zu bekommen, können sie auf chinesischen Straßen wohl bald nur noch die Rücklichter von Tesla, BYD und Co. bewundern.